12. August 2024, 10:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In den Gewässern vor dem mikronesischen Inselstaat Chuuk ruht seit mehr 80 Jahren der größte Schiffsfriedhof der Welt. Er gemahnt an einen Angriff der USA auf das damals von Japan besetzte Atoll, der als Rache für die Attacke auf Pearl Harbor erfolgte. Heute ist der Ort aber auch bekannt als eines der spektakulärsten Tauchreviere rund um den Globus. Doch hier unter Wasser zu gehen, ist nichts für Zartbesaitete.
In den Gewässern um den zu Mikronesien gehörenden Inselstaat Chuuk liegt eines der dunkelsten Kapitel des Zweiten Weltkrieges beerdigt. Und das ist sprichwörtlich gemeint, denn seit mehr als 80 Jahren ruhen hier auf dem Meeresgrund unzählige versunkene Schiffe. Oder, treffender gesagt, versenkte Schiffe, denn sie alle gingen bei einem brutalen Angriff mit Mann und Maus unter. Auch Wracks von zerstörten Flugzeugen finden sich hier, genauso wie die sterblichen Überreste der Unglücklichen, die hier ihr Leben verloren. Doch genau das macht die Chuuk-Lagune für viele Taucher heute zu einem der spektakulärsten Reviere der Welt.
Es ist der frühe Morgen des 17. Februar 1944, als über den damals vom Japanischen Kaiserreich besetzten Inseln von Chuuk plötzlich Luftalarm ertönt. Das Atoll ist laut „Spiegel“ damals einer der bestbefestigten militärischen Stützpunkte im gesamten Pazifik, und daher von äußerster strategischer Bedeutung. Bereits seit 1914 ist Chuuk fest in japanischer Hand, die Japaner übertreffen die Bevölkerungszahl an hier lebenden Mikronesiern fast um das Doppelte. Und obwohl man einen feindlichen Angriff lange gefürchtet und zum Schutz sogar Bunker und Tunnel hatte anlegen lassen, folgt nun ein wahres Massaker.
Rache für Pearl Harbor
Denn den Angriff führen die verfeindeten USA durch, die sich damit für die am 7. Dezember 1941 erfolgte japanische Attacke auf Pearl Harbor rächen wollen. Dafür bieten sie unter anderem fünf Flugzeugträger auf, sieben Schlachtschiffe, U-Boote und mehr als 500 Flugzeuge. In einem zweitägigen Dauer-Bombardement überziehen sie Chuuk mit Tod und Zerstörung. Am Ende ist nicht nur das Atoll verwüstet, sondern auch je nach Quelle bis zu 100 Schiffe versenkt und mehr als 250 japanische Flugzeuge zerstört. Viele von ihnen hatte das japanische Militär erst kurz zuvor auf die Inseln verlegt, um sie im Verteidigungsfall zu verstärken.
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Mit den Schiffen und Fliegern versanken hunderte von japanischen Soldaten in den bis zu 60 Meter tiefen Wassern um das Chuuk-Atoll. Ihre sterblichen Überreste konnten teils erst Jahrzehnte später geborgen und in die Heimat überführt werden. Noch heute ruhen in den unter Wasser konservierten Wracks aber auch Knochen und Schädel der damals Umgekommenen. Umso makaberer erscheint es in diesem Licht, dass Chuuk heute genau deswegen als einer der spektakulärsten Tauchreviere überhaupt gilt. Laut „Daily Mail“ ist der unheimliche Ort unter Wasser nämlich nicht weniger als der größte Schiffsfriedhof der Welt.
Hunger und Tod
Bekannt machte den Schlachtplatz einer der bekanntesten Ozeanologen aller Zeiten, der Franzose Jacques Cousteau. 1969 drehte er hier seinen Film „Lagoon of lost ships“, in dem er mit seiner Mannschaft tauchend die Wracks der Schiffe und Flugzeuge erkundete. Seine Crew soll aber bei den Dreharbeiten derart geplündert haben, dass die damals US-amerikanische Inselverwaltung die Lagune zum Nationaldenkmal umwidmete. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein Kult um den größten Schiffsfriedhof weltweit, der bis heute ungebrochen ist. Allerdings ist es immer noch ein sehr exklusives Vergnügen, hier unter Wasser zu gehen. Einem Bericht von WELT zufolge kommen pro Jahr gerade einmal etwa 1000 Taucher nach Chuuk.
Für die Inseln selbst hatte der amerikanische Angriff übrigens damals noch weit verheerendere Folgen als das zweitägige Bombardement. Völlig ohne Vorräte waren die Überlebenden kaum in der Lage, sich in den kommenden Monaten überhaupt zu ernähren. 40.000 Menschen, vollkommen von jeglicher Versorgung abgeschnitten, hungerten und starben in der Folge zu hunderten an Unterernährung und Vitaminmangel. Erst mit dem 25. November 1945 endete für die Menschen auf dem Chuuk-Atoll dieses Desaster. Damals begann die bis zur Unabhängigkeit von Mikronesien im Jahr 1991 dauernde Schirmherrschaft der Amerikaner über die Inseln.
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Wer heute das Wort „Chuuk“ bei Google eingibt, erhält sofort zahlreiche Treffer für Agenturen, die hier, auf dem größten Schiffsfriedhof der Welt, Tauchgänge anbieten. Im Übrigen erscheint dabei auch immer wieder ein alter Name des Atolls. Denn zu Zeiten des amerikanischen Angriffes hieß es noch Truk. Die beiden Begriffe bezeichnen aber ein und denselben Ort. Wie man den diversen Webseiten entnehmen kann, ist ein Tauchgang in dem mehr als 20 Grad warmen Wasser bereits für um die 100 Euro zu haben. Erstaunlicherweise werden bei einer einfachen Suche auch mehrere Optionen angezeigt, zum Beispiel von Paris oder Frankfurt am Main nach Chuuk zu fliegen. Die Reisedauer von teils mehr als zwei Tagen dürfte dann aber doch die meisten abschrecken.