20. August 2021, 18:27 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Einst stand in Gary im US-Bundesstaat Indiana die größte Methodistenkirche des mittleren Westens. Seit 1975 verfällt das Gebäude allerdings zusehends. Doch wo früher Gläubige in der City Methodist Church beteten, dreht heute immer öfter Hollywood.
Im Jahr 1916 ist Gary im US-Bundesstaat Indiana eine aufstrebende Stadt. Die rasant wachsende Stahlindustrie bringt Wohlstand und Fortschritt, und mit den Arbeitsplätzen wächst auch die Zahl der Bevölkerung. Bald ist klar, dass die gläubigen Methodisten von Gary ein größeres Gotteshaus brauchen. Der örtliche Pfarrer, Dr. William Grant Seaman, hat eine Vision, die zehn Jahre später Wirklichkeit werden soll. Die City Methodist Church.
Wie die Seite „Architectural Afterlife“ berichtet, wollte man mit dem Bau der City Methodist Church die Menschen in Gary wieder zu mehr Religiosität anhalten. Denn in gleichem Maße, in dem die Stahlindustrie schnellen Reichtum gebracht hatte, grassierten hier auch Glücksspiel, Prostitution und der Konsum von Alkohol. Vielleicht auch aus diesem Grund beteiligt sich die Firma US Steel zur Hälfte an den Baukosten, die 800.000 Dollar betragen – was die für damalige Verhältnisse sehr viel ist. „Atlas Obscura“ schreibt sogar von Kosten über eine Million Dollar – ein heutiger Gegenwert von sieben Millionen.
Blütezeit und Verfall
21 Monate dauert der Bau der City Methodist Church, bevor sie am 3. Oktober 1926 ihre Tore für die Gläubigen öffnet. Nur ein Jahr später hat die Gemeinde bereits mehr als 1700 Mitglieder. Die Kirche ist in ihrem Baustil der englischen Gothik nachempfunden, ein massives, neun Stockwerke hohes Gotteshaus. Reich verziert mit Buntglasfenstern und steinernen Ornaten, ist sie nicht weniger als die größte Methodistenkirche im Westen der USA.
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Stahlmagnat Elbert Gary, nach dem die Stadt selbst benannt ist, stiftet dem Bau eine prunkvolle Orgel, während die Kirchengemeinde immer weiter anwächst. In den 50er Jahren hat sie mehr als 3000 Mitglieder. Die nächsten zwei Jahrzehnte jedoch bringen einen rapiden Verfall mit sich, als die Stahlindustrie der Stadt immer weiter zusammenbricht. Arbeitslosigkeit grassiert plötzlich im einst so reichen Gary, die Kriminalitätsrate steigt, parallel dazu die der Wegzüge.
Hollywood entdeckt die City Methodist Church
1973 hat die City Methodist Church gerade noch 320 Mitglieder. Viel zu wenig, um einen derart unvergleichlichen Prunkbau noch weiter zu betreiben. Kurzzeitig vermietet man daher einen Teil des Gebäudes an die örtliche Universität. Nachdem alle Versuche gescheitert sind, die Kirche einer anderen Glaubensgemeinde zu verkaufen, kommt schließlich 1975 das Ende. Die City Methodist Church schließt ihre Pforten.
Das Gotteshaus, nunmehr sich selbst überlassen, wird in den Folgejahren sowohl Opfer von Vandalismus als auch natürlichem Verfall. 1997 zerstört ein verheerendes Feuer große Teile des Gotteshauses, von dem heute nur noch ein Skelett steht. Vielleicht war aber genau dies der Grund, dass die City Methodist Church doch wieder zu neuem Leben erweckt wurde – von Hollywood. Die Filmstudios drehten Szenen gleich mehrerer Blockbuster hier, unter anderem „Transformers 3“ sowie der Horror-Reihe „Nightmare on Elm Street“.
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Was bringt die Zukunft?
Die einzigartige Ruine ist schon heute eine Touristenattraktion in Gary. Seit 2017 gibt es auch Gespräche darüber, wie die Stadt davon finanziell profitieren könnte. Berichte aus der „Chicago Tribune“ von 2018 sprechen unter anderem von einem möglichen Ruinen-Garten, denn mittlerweile hat sich die Natur das Gebäude erobert. Auch Kunstausstellungen und sogar Hochzeiten könnten einst hier statt finden, sollten die Pläne in naher Zukunft konkret werden. Bislang gibt es dafür jedoch keine Anzeichen, und so bleibt die City Methodist Church vorerst wohl, was sie ist: Eine der schönsten Kirchenruinen der USA.