5. März 2023, 8:04 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In Hinterland Italiens gibt es ein Dorf, das zu den schönsten des Landes gehört: Cività di Bagnoregio. Doch aufgrund seiner Lage ist es immer wieder Bodenerosionen ausgesetzt. Deshalb leben dort gerade mal ein Dutzend Einwohner. Doch es gibt Hoffnung für die kleine Stadt, denn die UNESCO plant, diese auf seine Weltkulturerbe-Liste zu setzen.
Wie eine Krone aus Stein thront das Dorf mitten auf dem Fels – und gäbe eine perfekte Kulisse ab für diverse Filmstoffe von Fantasy bis History. Auch ein Opernfestival könnte man sich vor den ehrwürdigen Mauern gut vorstellen. Doch das einzige, was in Cività di Bagnoregio lange Zeit inszeniert wurde, ist: das Sterben. Denn der Ort, der nur zu Fuß über eine 250 Meter lange Brücke erreichbar ist, gehört zu den città che muoiono, den „sterbenden Städten“ Italiens, aus denen schon lange sämtliches Leben gewichen ist; wegen der Abgeschiedenheit, des Verfalls, der Perspektivlosigkeit.
Auch interessant: Die irre Geschichte, warum in Wales ein „italienisches“ Dorf steht
Die sterbende Stadt
Seit der Gründung vor 2500 Jahren von den Etruskern überstand die kleine Stadt viele Herrschaften und durchlebte glorreiche Zeiten. Doch aufgrund der Lage war Cività di Bagnoregio immer wieder Bodenerosionen ausgesetzt. Im Jahr 1695 erschütterte ein Erdbeben den Ort und es bildete sich eine breite Klippe, welche den ursprünglichen Siedlungskern Cività von den restlichen Bezirken der Stadt trennte. Das führte zu dem langsamen Aussterben des Dorfes. Einige der Bewohner zogen nach dem Erdbeben in den benachbarten Ortsteil Bagnoregio, da dieser leichter zugänglich war und weniger Gefahren durch Erdrutsche barg. Aus sicherer Entfernung konnte man hier den Blick auf die Altstadt von Cività genießen.
In den Siebzigerjahren entdeckten Künstler das malerisch gelegene Dorf auf dem Tuffhügel und belebten die verlassenen Ruinen wieder. Modedesigner, Filmregisseure und Adlige nahmen hier Domizil – doch lange blieben sie nicht. Erdrutsche und hohe Kosten machten das Leben auf dem Fels schwer, teuer und gefährlich. In den 1990er-Jahren zählte man gerade mal sieben bis 15 Einwohner in Cività di Bagnoregio.
Auch interessant: Das Rekord-Dorf der Hundertjährigen in Italien
Rettungsinitiative für Cività di Bagnoregio
Schon drohte der Ort, gänzlich zu sterben – als eine Initiative zu dessen Rettung antrat. Das Dorf sollte auf die Liste der UNESCO, so ihr Plan. Und zahlreiche Lokalpolitiker und viele Künstler – darunter etwa Dario Fo und Bernardo Bertolucci – unterzeichneten eine entsprechende Petition. Im März 2021 entschied der Exekutivrat der italienischen Nationalkommission für die Unesco, die „Kulturlandschaft von Cività di Bagnoregio“ in die Vorschlagsliste für zukünftige Nominierungen zur Aufnahme in die UNESCO-Liste zu setzen. Seitdem steht Cività di Bagnoregio auf der Liste und es ist unklar, wann die Stadt den Status des UNESCO-Weltkulturerbes bekommt. Trotzdem ist diese Entwicklung ein großer Fortschritt für die sterbende Stadt, da es seitdem wieder Hoffnung gibt.
Auch interessant: Die Geisterstadt, die im Sand versinkt
Derweil nagt die Zeit an den porösen Mauern der Palazzi und Plätze. Um Mittel für den Erhalt zu sammeln, führte man 2013 eine Eintrittsgebühr für den Ort ein. Wer sich zwischen Brunnen und Bischofskirche bewegen will, muss seitdem vorher einen Obolus von 5 Euro entrichten. 43.000 Besucher taten das allein im August 2015, von Rom mittels Tourguides auf den Berg gebracht, und entdeckten die Magie eines einzigartigen Ortes. „Das Gefühl versteht, was der Verstand nicht begreift“, hatte der Philosoph Bonaventura, berühmtester Einwohner des Ortes, einmal gesagt. Und der Spaziergänger durch den Ort spürt schnell, was er damit wohl gemeint hat.
Auch interessant: Bussana Vecchia – das ungewöhnlichste Geisterdorf Italiens
Gruorn wurde 1939 zwangsgeräumt Das Geisterdorf auf der Schwäbischen Alb, das einfach nicht sterben will
Balestrino Die italienische Geisterstadt, in der immer noch hunderte Menschen leben
See in Norditalien Die dramatische Geschichte hinter dem wunderschönen Lago di Alleghe
Leben kehrt langsam zurück
In den vergangenen Jahren ist das Leben langsam nach Cività di Bagnoregio zurückgekehrt. Bevor die Corona-Pandemie ausbrach, bot eine US-Uni Sommerkurse an, es fanden regelmäßig Konzerte statt, und immer mehr Gebäude werden von auswärtigen Investoren instand gesetzt – als Zweitwohnsitz oder Feriendomizil. Es werden Touren in die besondere Stadt angeboten und die Aussicht auf einen Platz auf der UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt macht Hoffnung auf ein Cività di Bagnoregio, das bald nicht mehr eine der sterbenden Städte Italiens ist.