22. Mai 2024, 8:43 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im Herzen Kolumbiens liegt inmitten sanft grüner Hügel ein Anwesen mit einer faszinierend-schaurigen Geschichte: die Finca La Manuela des früheren Drogenbosses Pablo Escobar. Fünf Jahre dauerte der Bau dieses einst prachtvollen „Familienidylls“, das der berüchtigte El Capo (der Boss) nach seiner geliebten Tochter Manuela benannte. Ein stattliches Herrenhaus mit Pool, Tennisplätzen, einem Fußballplatz, Ställen, zahlreichen aus aller Welt importierten Pflanzen, Hubschrauberlandeplätzen, einem Gästehaus, einer Anlegestelle für Wasserflugzeuge und einer eigenen Disco-Bar. Acht Hektar Prunk und Größenwahn – die heute komplett in Trümmern liegen. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte des Anwesens.
Die 10-Millionen-Dollar-Villa La Manuela ließ sich die Familie Escobar in den 1980er Jahren als Rückzugsort erbauen. Auf einer Landzunge im künstlich angelegten Stausee von Guatapé gelegen, bot das Anwesen einen atemberaubenden Blick über die herrliche Landschaft der Gemeinde Peñol. Escobar konnte direkt von seinem Schlafzimmer im zweiten Stock aus weit über den See bis ans gegenüberliegende Ufer schauen. Es war die Zeit, in der der Drogen-Baron den weltweiten Kokainhandel beherrschte und auf der Höhe seiner Macht stand.
Deshalb war La Manuela, genau wie die protzige Hacienda Nápoles, nicht nur eine „Familien-Finca“. Sie war auch eine sehr deutliche Zurschaustellung des maßlosen Reichtums Escobars. Fast symbolisch für diese Gegensätzlichkeit könnte die einst hübsche Fassade des Herrenhauses stehen, in deren doppelten Wänden und Decken seinerzeit Kokain und Bargeld versteckt waren. So schwebte über diesem trügerischen Idyll immer auch ein Schatten des Unheils.
Escobars Finca La Manuela war ein Symbol der Gewalt
Denn trotz seiner malerischen Lage in der friedlichen Umgebung war die Finca La Manuela auch ein Symbol der Gewalt, die das Drogenkartell Pablo Escobars über das ganze Land (und darüber hinaus) brachte. Auch eine Schutzanlage mit Wachtturm und einem Aufgebot von rund 120 Wachleuten gehörte zum Anwesen. Doch trotzdem war es immer wieder Ziel von Angriffen. Im Jahr 1993 zerstörte schließlich ein Anschlag der rivalisierenden Drogenbande Pepes weite Teile der Villa und des Anwesens. Satte 200 Kilogramm TNT sollen dafür in einem der Badezimmer platziert worden sein und die Gebäude in die Luft gesprengt haben.
Nach der Explosion beschlagnahmte die Polizei Bargeld und Drogen aus der Villa. Das Schicksal machte auch vor Escobar selbst nicht Halt. Nur acht Monate nach der Explosion wurde er in Medellín von den Behörden erschossen. Seine Frau floh mit den beiden Kindern, Manuela und ihrem Bruder, und seitdem blieb das Grundstück mit seinen in Trümmern liegenden Gebäuden verlassen. Auch nach der Beschlagnahmung durch die kolumbianische Regierung Ende der 1990er Jahre verfiel La Manuela unaufhaltsam weiter. Angeblich kümmerte sich nur noch Escobars ehemaliger Gärtner weiterhin um das Gelände, der 2019 letztendlich vertrieben wurde. Heute bieten die unveränderten Ruinen einen gespenstischen Anblick.
Eine Luxus-Ruine als morbide Touristenattraktion
Blau schimmert trügerisch das mittlerweile giftige Wasser im Pool. Moos und Gras überwuchern die verfallenen Dächer des Haupthauses. Seit seiner Zerstörung und dem Leerstand erobert die Natur das Zeugnis des Größenwahns zurück. Doch nicht nur die Natur kommt – auch Touristen werden von den denkwürdigen Ruinen wie magisch angezogen. Als Touristenattraktion ist die Finca La Manuela mit ihrer morbiden Schönheit und ihrer dunklen Geschichte bei Besuchern aus aller Welt beliebt. Bootstouren und Führungen über das Gelände werden angeboten, die Einblicke in das ausufernde Leben von Escobar und seiner Familie geben – und die Zeit des kolumbianischen Kokainschmuggels spürbar machen.
Doch die Besucher erfahren hier auch, wie hart Kolumbien daran arbeitet, das düstere Erbe der Zeit der Drogenkartelle hinter sich zu lassen. Um zu zeigen, dass das Land sehr viel mehr zu bieten hat, als eine von Drogenhandel und Gewalt geprägte Vergangenheit, setzt Kolumbien heute verstärkt auf Kultur- und Ökotourismus.
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So lebt Escobars Tochter Manuela heute
Namensgeberin der Villa ist die über alles geliebte Tochter Pablo Escobars. Keinen Wunsch konnte der Milliardär seiner kleinen Prinzessin abschlagen, wie diese grausige Geschichte zeigt: Als kleines Mädchen wünschte Manuela sich ein lebendes Einhorn – dies konnte nicht einmal Escobar kaufen. Deshalb versuchte der Kokain-Baron, selbst eines zu erschaffen. An ein eigens für diesen Zweck gekauftes kleines, weißes Pferd ließ er ein Horn und Flügel anheften. Das Tier starb kurz darauf an einer Infektion.
Die traurige Geschichte des Einhorns spiegelt das tragische Schicksal der Finca und ihrer Bewohner wider. Hinter der Fassade des märchenhaften Reichtums und der Macht lebte auch eine permanente Angst vor Angriffen und Tod. Und ebenso, ganz im Gegensatz zu dem pompösen Leben, das die Ruine der nach ihr benannten Villa widerspiegelt, führt Manuela Escobar heute ein sehr zurückgezogenes Leben. Nicht zuletzt aus Angst davor, dass frühere Opfer ihres Vaters sich für dessen Taten an ihr rächen könnten, meidet sie die Öffentlichkeit. Deshalb ist nicht viel über ihr heutiges Leben bekannt. Fest steht, dass Manuela nie eines Verbrechens beschuldigt wurde – anders als ihre Mutter und ihr Bruder. Escobars kleine Prinzessin war erst neun, als ihr Vater durch die kolumbianische Polizei getötet wurde und ihre Kindheit im Luxus ein jähes Ende nahm. Nach seinem Tod floh die Familie aus Kolumbien nach Argentinien, wo Manuela unter dem Namen Juana Manuela Marroquín Santos heute noch lebt.
Und weit entfernt, irgendwo auf demselben Kontinent, steht diese Finca, die ihren Namen trägt – wie ein Fenster in eine gemeinsame dunkle Vergangenheit und ein Denkmal der Hoffnung auf Erneuerung.
Quellen:
- The Sun
- allthatsinteresting
- faz.net
- The Vintage News
- ntv.de