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Asel, Berich und Bringhausen

Die versunkenen Dörfer im Edersee

Edersee
Der Edersee ist einer der größten Stauseen in Deutschland. Und birgt unter seiner Oberfläche ein mehr als 100 Jahre altes Geheimnis Foto: dpa Picture Alliance/Luftbild Bertram
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

9. Juni 2023, 6:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Fast jedes Jahr, wenn der Edersee in Hessen Niedrigwasser führt, gibt er ein mehr als 100 Jahre altes Geheimnis preis. Denn dann tauchen die drei Dörfer Asel, Berich und Bringhausen wieder auf. Einst wurden sie geflutet, um dem sogenannten Fortschritt Platz zu machen, 900 Menschen verloren ihre Heimat. Heute zieht das „deutsche Atlantis“ jede Menge Touristen an.

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Der Edersee ist als einer der größten Stauseen in Deutschland an und für sich schon eine beliebte Touristenattraktion in Hessen. Was jedoch nicht viele wissen dürften: Populär bei Wassersportlern und Ausflüglern aller Art, birgt er unter seiner Oberfläche ein mehr als 100 Jahre altes Geheimnis. Beziehungsweise gleich mehrere, denn wenn der See – meist im Herbst und Winter – Niedrigwasser führt, tauchen aus seinen Fluten die Überreste der drei Dörfer Asel, Berich und Bringhausen auf. Diese mussten ihre Bewohner beim Bau der Edertalsperre aufgeben, denn sie wurden geflutet. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte des hessischen Atlantis.

Es ist das Jahr 1908, als in Mitteldeutschland der Bau eines wahren Mega-Projekts beginnt. Man will den Fluss Eder durch eine Talsperre aufstauen, um die Schifffahrt auf der Weser und dem Mittellandkanal während der Sommermonate zu fördern. Außerdem soll der neue Stausee der Stromerzeugung und als Hochwasserschutz dienen. Auf diese Weise entsteht schließlich der Edersee, wie die offizielle Seite des Gewässers berichtet. Der Bau der 47 Meter hohen und 400 Meter langen Staumauer verschlingt unvorstellbare 7,5 Millionen Goldmark. Und, als Preis des Fortschritts, die drei Dörfer Asel, Berich und Bringhausen.

Die Dörfer werden versetzt

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Bis 1914 versanken die Dörfer Asel, Berich und Bringhausen in den Fluten des Edersee. Ihre Ruinen sind heute eine beliebte Touristenattraktion Foto: dpa Picture Alliance/Swen Pförtner

Denn diese, so ist schnell beschlossen, müssen dem Edersee weichen. Wobei „weichen“ eigentlich das falsche Wort ist. Denn man beschließt kurzerhand vielmehr, sie zu fluten. Die Bewohner entschädigt man und siedelt sie einfach um. Gefragt wird vorher niemand, viele Menschen sind verständlicherweise auch dagegen. Doch es hilft alles nichts. Und so entstehen schließlich die Ortschaften an höher gelegenen Stellen teilweise wieder neu. Andere ehemalige Bewohner „versetzt“ man in bereits bestehende Ortschaften und Gemeinden.

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Berich etwa, ein Dorf aus dem 16. Jahrhundert, muss bereits ab 1905 dem Edersee-Projekt weichen. 130 Menschen verlieren ihre Heimat, wie die Nachrichtenseite „HNA“ berichtet. 1912 dann verlassen die letzten Bewohner ihr damaliges Zuhause, wenig später versinkt es in einem Feuersturm. Denn Berich wird nicht einfach nur geflutet, sondern vorher auch gründlich mit Artilleriegeschützen niedergebombt. Retten können die Menschen allein ihre Kirche. Diese wird zwischen 1912 und 1914 abgetragen und in Neu-Berich wieder aufgebaut. Mit Kutschen und Gespannen bringt man das Gotteshaus Stein für Stein an seinen neuen Standort, inklusive Türen, Fenstern, dem Fußboden, Orgel und Altar. Die Gräber auf dem Friedhof versiegelt man mit Betonplatten, damit zumindest die Toten in Frieden ruhen können.

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Über diese Brücke kann man gehen

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Die Aseler Brücke steht noch heute als eindrucksvolles Zeugnis der versunkenen Dörfer im Edersee. Man kann auf ihr sogar laufen Foto: dpa Picture Alliance/Boris Roessler

Genauso verfährt man auch in Bringhausen, das ebenfalls schon ab 1905 den Räumungsbefehl erhält. Am 10. Juli 1910 dürfen sich seine Bewohner immerhin noch mit einem Fest von ihrem geliebten Dorf verabschieden, dann ist auch dieser Ort ein für alle Mal Geschichte. Auch hier tragen die Menschen alles noch brauchbare Baumaterial zusammen, das „neue“ Bringhausen entsteht schließlich am Südufer des Edersees. Asel verlegt man dann ab 1913. In dem ehemaligen Ort befindet sich mit der 60 Meter langen Aseler Brücke bis heute auch das am besten erhaltene Wahrzeichen des „deutschen Atlantis“. Sie ist immer noch so gut in Schuss, dass man bei Niedrigwasser darüber laufen kann. Nach einer Renovierung 1982 dürfte sie wohl Deutschland einziges denkmalgeschütztes Bauwerk sein, das einen Teil des Jahres unter Wasser liegt.

Immer, wenn der Edersee Niedrigwasser führt, kommen auch Besucher in Scharen, um die Überreste von Asel, Berich und Bringhausen zu bestaunen. Und auf den Spuren einer versunkenen Geschichte zu wandeln. „HNA“ zufolge ist der Schauplatz aber genau dadurch bedroht, denn die vielen Besucher tragen natürlich zum weiteren Verfall bei. Und das teils sprichwörtlich, so nähmen nicht Wenige sich als „Andenken“ an ihren Besuch gerne mal einen Stein mit. Zudem täten die angrenzenden Kommunen Waldeck und Edertal zu wenig, um den historischen Ort entsprechend zu schützen.

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Wer heute einmal die Ruinen der versunkenen Dörfer mit eigenen Augen sehen möchte, kann sich auf der offiziellen Seite des Edersees über den Pegelstand des Gewässers informieren. Hier ist auch einsehbar, ab welcher Wasserhöhe die verschiedenen Bauwerke wieder aus den Fluten auftauchen. So kann man die Aseler Brücke bereits ab einem Niveau von 235,10 Meter über Normalnull wieder begehen. Auch findet man auf der Seite den Link zu einer App, mit der man mittels Augmented Reality das Dorf Berich digital wieder auferstehen lassen kann. Die „HNA“ bietet auf ihrer Webseite eine Karte, die anzeigt, wo genau man die Attraktionen suchen muss. Und so leben Asel, Berich und Bringhausen auch mehr als 10 Jahre nach ihrem Versinken in den Fluten des Edersee auf gewisse Weise noch weiter.

Diesen und viele weitere spannende Orte in Deutschland stellt Autor Moritz Wollert in seinem neuen Buch „Der verrückteste Reiseführer Deutschlands 2“ vor, erschienen am 23. Mai 2023 im riva Verlag.

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