8. Juli 2023, 6:54 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Neue Funde im Norden Guatemalas scheinen jetzt zu belegen, dass die Maya-Kultur in der Region noch viel höher entwickelt war als bislang bereits angenommen. Unter anderem entdeckten Wissenschaftler dank Laser-Technologie hunderte tief im Dschungel von El Mirador versunkene Städte. Nun gibt es erste Ansätze dafür, wie man das Kulturerbe besser schützen und möglichst bald für Urlauber öffnen kann.
Im Norden Guatemalas liegt, mitten im Mirador-Río Azul Nationalpark, ein Ort, den Wissenschaftler bereits seit längerem einhellig als „Wiege der Maya-Kultur“ bezeichnen. Die antike Stadt El Mirador (zu Deutsch „Der Aussichtspunkt“), erbaut vor mehr als 2000 Jahren, war einst mit einer Ausdehnung von etwa 15 Quadratkilometern die größte Metropole der untergegangenen Zivilisation. Doch anders als ihr berühmtes Pendant Tikal hat die Abgelegenheit von El Mirador bislang dafür gesorgt, dass jährlich nur eine Handvoll Touristen den Weg in und durch den dichten Dschungel fanden. Nun sorgen neue spektakuläre Funde in der Region um die Maya-Metropole für Aufsehen.
Denn ein internationales Team aus Wissenschaftlern veröffentlichte Ende 2022 eine Studie, die den Blick auf die Maya-Hochkultur noch einmal nachhaltig verändern könnte. Demnach waren die Indigenen in der Region des heutigen Guatemala wohl noch viel höher entwickelt als bislang angenommen. Neue, mittels modernster Lasertechnologie aufgenommene Bilder haben in der Region rund um El Mirador jetzt insgesamt 417 tief im Dschungel versunkene Städte enthüllt, die laut „Washington Post“ um die Zeit auf etwa 1000 vor Christus zurückdatiert werden können. Das zeigt, dass die Maya-Kultur bereits 1000 Jahre früher als angenommen in bislang ungeahnter Blüte stand.
Ein „unbekanntes Kapitel der Menschheitsgeschichte“
Die Forscher nutzten für ihre Untersuchungen die sogenannte Lidar-Technologie. Dies steht für „Light detection and ranging“. Hierbei kann mittels Infrarot-Laserstrahlen, die vom Untergrund zurückgeworfen werden, eine genaue 3D-Karte der Bodenbeschaffenheit und der eventuell unter dem Dschungel liegenden verborgenen Strukturen erstellt werden. Die Technologie, die in der Gegend um El Mirador seit 2015 zur Anwendung kommt, enthüllte jetzt neben insgesamt gut 900 versunkenen Maya-Siedlungen auch ein gut 177 Kilometer langes Netzwerk an Straßen, dass die Wissenschaftler als den „weltweit ersten Freeway“ bezeichnen. Zudem fand man Beweise für hochentwickelte Bewässerungssysteme und Siedlungsstrukturen.
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Bei der Untersuchung handelt es sich laut den Wissenschaftlern um eine der größten Lidar-Studien über das Einflussgebiet der Maya in dieser Region bislang. Die Funde belegen, dass die im Dschungel von El Mirador ansässige Kultur eine hochentwickelte gewesen sei, die sozial, politisch und ökonomisch mit ihrer Umgebung auf vielfältige Weise interagierte. Diese Feststellungen seien ein „Game Changer“ in der Betrachtung der Maya-Kultur aus der sogenannten prä-klassischen Periode von etwa 1000 vor Christus bis zum Jahr 250. Sie könnten Licht werfen auf „ein ganzes Kapitel der Menschheitsgeschichte, das bislang völlig unbekannt war“.
Massiger als die Cheops-Pyramide
Neben Dämmen und Wasserspeichern enthüllte Lidar auch bislang unentdeckte Pyramiden und Spielstätten der Maya von El Mirador. Dabei ist die Anlage, die erst 1926 entdeckt wurde, jetzt schon spektakulär. Dem „Smithsonian Magazine“ zufolge hat man hier mehrere Pyramiden freigelegt, die höchste davon, genannt „La Danta“, misst 70 Meter. Ihr Volumen ist sogar noch massiver als das der weltberühmten Cheops-Pyramide in Ägypten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass in der einstigen Mega-City bis zu 200.000 Menschen lebten, sie aber sogar bis zu eine Million Menschen ernährt haben könnte.
Die Lidar-Technlogie half den Forschern, das Gebiet auf eine völlig neue Weise zu entdecken. Hatten sie zuvor gerade einmal etwa 50 unter dem Dschungel begrabene Strukturen identifizieren können, waren es bei Veröffentlichung der Studie mehr als 900. Der spektakulärste Fund ist wohl die versunkene Stadt Balamnal. Schon seit 2009 gibt es hier Ausgrabungen, doch diese hätten bislang nicht einmal ansatzweise die wirkliche Größe der Maya-Metropole zeigen können. Und schon träumen manche davon, dass El Mirador bald ein Touristenmagnet sein könnte wie Tikal.
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Doch die Massen hält allein schon der Weg ab. Denn bislang muss man entweder mehr als 60 Kilometer vom nächsten Ort nach El Mirador wandern. Oder man lässt sich mit dem Hubschrauber einfliegen. Aber zunächst einmal soll es darum gehen, den Ort und seine Funde entsprechend zu schützen. Auch hier könnte Tikal als Vorbild dienen. Von der Unesco bereits 1979 zum Welterbe ernannt, genießt es einen besonderen Schutz-Status. Es gibt aber auch Überlegungen, das Land den Nachfahren der Maya und anderen indigenen Gruppen zu überlassen, die in Guatemala 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
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Derweil werden die Wissenschaftler weiter graben und neue spektakuläre Funde über eine der faszinierendsten Kulturen der Weltgeschichte zutage fördern. Selbst in Tikal, das heute pro Jahr mehrere hunderttausend Menschen besuchen, sind erst 15 Prozent der einstigen Strukturen ausgegraben. Rund um El Mirador dürften es demnach noch viel weniger sein. Insofern muss man sich auch fragen, ob es jetzt bereits überhaupt Sinn machen würde, die Anlage für den Tourismus freizugeben. In Tikal dürfen die Menschen immer noch auf die spektakulären Pyramiden klettern. Und tragen damit unabsichtlich zu ihrem weiteren Verfall bei. Vielleicht sollte man El Mirador erst einmal noch weitere Geheimnisse entlocken, bevor die Massen den Zauber vergangener Zeiten zerstören.