11. Oktober 2021, 6:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Er sollte einst zum Dreh- und Angelpunkt Europas werden, heute drehen auf seiner Landebahn nur noch Rollschuhfahrer und andere Sportler ihre Kreise. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt: Der Flughafen Tempelhof ist immer noch einer der spannendsten Orte in Berlin. Man muss nur genau hinschauen! TRAVELBOOK-Redakteurin Sonja hat eine Führung durch den ehemaligen Flughafen gemacht und gleich mehrere Orte entdeckt, die sie erschaudern ließen.
Das Tempelhofer Feld in Berlin ist heute Treffpunkt für Freundesgruppen, Familien und Skater. Kaum kann man glauben, dass bis 2008 noch Flugzeuge über das Feld rollten. Ebenfalls kaum vorstellbar für mich: wie viele verborgene Orte es im alten Flughafen Tempelhof noch gibt. Ich nehme an einer Führung teil, die mich genau dorthin bringt, in einen ehemaligen Luftschutzkeller und in einen mysteriösen Filmbunker der Nazis.
Tempelhof – vom Flughafen zur Galerie
Vielleicht ist der Flughafen Tempelhof der berühmteste Flughafen Europas. Bekanntheit erlangte er durch die Luftbrücke und die „Rosinenbomber“ der USA und Großbritannien, die hier 1948 und 1949 landeten und starteten. Mithilfe der Flugzeuge wurden die West-Berliner mit Lebensmitteln, Kohle und Medizin versorgt. Es war auch das US-amerikanische Militär, das hier einen Militärstützpunkt einrichtete und auch einen Basketballplatz und ein Schwimmbad baute. Warum? Die US-Soldaten sollten das Gelände so selten wie möglich verlassen und daher direkt im Stützpunkt schwitzen.
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Von schwitzenden Soldaten ist an dem Tag, an dem ich die Führung mache, genauso wenig zu sehen wie von allen anderen Menschen. Ich bin mit Andreas Fritzsche, der für die Führungen zuständig ist, fast alleine auf dem Gelände. Außer uns sind nur zwei Putzkräfte in dem riesigen Gebäude unterwegs, das 1,2 Kilometer lang ist und über 200.000 m² nutzbare Fläche verfügt. Lange war der Flughafen das größte zusammenhängende Gebäude der Welt.
Im Herzstück des ehemaligen Flughafens, der Abfertigungshalle, bleibe ich beeindruckt stehen. Normalerweise wimmelt es selbst heute noch von Besuchern in der Halle, oft gibt es Ausstellungen oder Events. Doch heute sind wir alleine auf den 100 Metern zwischen Eingangstor und der Anzeigetafel, auf der schon seit 13 Jahren kein Flugzeug mehr stand, das hier landete oder startete.
Ein glamouröser Luftschutzkeller
Drei Stockwerke unter der Halle liegt ein Ort, den wohl die wenigsten Gäste eines Flughafens zu sehen bekommen: der Luftschutzkeller. In der Mitte des Raumes hängt eine nackte Glühbirne, die den Raum spärlich beleuchtet. Abgesehen davon sehen die Räume jedoch anders aus als erwartet. Wandmalereien von Wilhelm Busch und Zitate zieren die weißen Wände. Sie sollten den Aufenthalt in den Räumen für die Zuflucht-Suchenden angenehmer machen. Dabei ist jedoch zu bezweifeln, ob die Dekoration im Ernstfall überhaupt zu sehen war. Dann standen nämlich pro Keller bis zu 80 Menschen dicht an dicht.
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Luftschutzkeller wie der, in dem ich mich befinde, gab es unter fast allen Verwaltungsgebäuden des Flughafens, erzählt Fritzsche. Ihre Existenz an dem Flughafen, der 1935 erbaut wurde, geht auf das „Luftschutzgesetz“ der Nazis zurück, das im selben Jahr erlassen wurde. Schon damals wurde festgelegt, dass alle Gebäude in Deutschland einen Luftschutzkeller haben sollten.
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Runter in den verkohlten Nazi-Bunker
Der Luftschutzkeller bleibt nicht der einzige unheimliche Ort, den ich im Rahmen der Führung sehe. Nun geht es vier Stockwerke hinab, an den tiefsten Punkt des Flughafens – und selbst den Weg dorthin finde ich schaudererregend. Die Treppen werden immer dunkler, während die Luft immer dünner wird. Hier unten liegt ein Ort, der noch heute mysteriös ist: das NS-Filmarchiv, an dem die Nazis mutmaßlich geheime Luftaufnahmen gelagert haben. Gefunden wurden diese Filme aber nie. Als die Russen hier nach Ende des Zweiten Weltkriegs ankamen, fanden sie den Bunker brennend vor. Angeblich stand das Archiv zu dem Zeitpunkt schon seit 14 Tagen in Flammen. Auch heute noch ist hier alles schwarz und verkohlt, die Zerstörung allgegenwärtig.
„Die Temperaturen des Feuers im Bunker waren besonders hoch, weil es hier eine Kesselfunktion gibt“, erklärt Andreas Fritsche. „Alles ist geschlossen bis auf wenige Luftzüge, die das Feuer noch zusätzlich entfacht haben.“ Er geht davon aus, dass die Deutschen das Feuer selbst gelegt haben, um ihre Spuren zu verwischen. Manche meinen allerdings, der Brand sei aus Versehen ausgebrochen oder gar von den Russen entzündet worden. „Die wahrscheinlichste Version ist so: Der Letzte im Bunker hat das Licht ausgemacht und das Feuer gelegt. Das war der Befehl, den man damals als deutscher Soldat hatte: nichts dem Feind überlassen“, so Fritzsche.
Wer will, kann sich auch selbst durch den Flughafen führen lassen und zwischen der „Mythos Tempelhof Tour“ und der Tour „Verborgene Orte“ wählen, in der auch der Luftschutzkeller und der Filmbunker dabei sind. Hier gehts zu den Tickets.