22. November 2022, 5:23 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
In Humberstone, mitten in der Atacama-Wüste, wurde einst Salpeter abgebaut. Der Rohstoff war zeitweise so wertvoll, dass Chile, Bolivien und Peru sogar einen Krieg darum führten. Heute gehört Humberstone zu Chile – und ist seit vielen Jahren verlassen. TRAVELBOOK kennt die ganze Geschichte.
Es ist das Jahr 1872, als mitten in der unwirtlichen Atacama-Wüste im Norden von Chile eine neue Stadt entsteht. Dabei folgt das Leben in Humberstone, benannt nach einem britischen Chemiker, nur einem einzigen Ziel: dem Abbau von Salpeter, ein Stoff, der in der Düngemittelherstellung benötigt wird. Aufgrund seines Werts für die Weltwirtschaft wird er auch als „weißes Gold“ bezeichnet.
Laut „BBC“ leben schon bald 3500 Menschen mitten in der Atacama und bauen rund um die Uhr den Salpeter ab. Humberstone wird zur größten Salpeter-Stadt im Norden Chiles. Das Produkt ist zu dieser Zeit weltweit so begehrt, dass laut Schätzungen der Universität von Santiago de Chile zeitweilig bis zu 60 Prozent seiner Gesamteinnahmen aus dem Export von Salpeter bezieht. Während des späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert kommt nahezu der gesamte Weltbestand des Rohstoffs aus Chile. Entsprechend wichtig sind Humberstone und die anderen Industriestädte für das Land. Sie sind sogar derart bedeutend, dass man bereit ist, dafür in den Krieg mit den Nachbarn Bolivien und Peru zu ziehen.
Tipps für die nordchilenische Geisterstadt Humberstone gibt der Journalist und Fotograf Kai Behrmann in der folgenden Podcast-Folge von In 5 Minuten um die Welt:
Der Krieg bricht aus
Denn Humberstone befindet sich zum Ende der 1870er Jahre zwar unter englisch-chilenischer Verwaltung, liegt aber auf dem Staatsgebiet von Bolivien. Nachdem Bolivien ebenfalls vom Salpeter-Boom profitieren möchte, erhebt das Land Jahr 1878 horrende Steuern auf den Export des Rohstoffs. In der Folge erklärt nun Chile Bolivien den Krieg. Der folgende bewaffnete Konflikt wird vier Jahre dauern und Tausende Leben kosten. Chile wird dabei von England unterstützt, denn die beiden Länder beuten gemeinsam den Salpeter aus. Peru, auf dessen Staatsgebiet sich ebenfalls Salpeter-Vorkommen befinden, wird Verbündeter von Bolivien.
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Schlussendlich siegt Chile dank des überlegenen britischen Militärs und annektiert die bolivianische Provinz Antofagasta sowie die peruanische Region Taracapa. Die Folge: Humberstone und alle anderen Industriestädte in den Gebieten sind damit chilenisch. Chile hat nun für einige Jahrzehnte das alleinige Monopol auf den Salpeter-Export – bis zum Ersten Weltkrieg.
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Das Ende einer ganzen Industrie
Im Zuge des Ersten Weltkriegs blockiert Großbritannien zeitweise sämtliche Exporte nach Deutschland über den Seeweg. Da nun auch kein Salpeter mehr ankommt, suchen deutsche Forscher nach einer Alternative – und erfinden schon bald einen Ersatzstoff. Düngemittel können nun effizienter und für einen Bruchteil der bisherigen Kosten hergestellt werden. Der Salpeter, wegen dessen ein eigener Krieg ausbrach, ist mit einem Mal völlig obsolet.
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In den folgenden Jahren verkommen Humberstone und auch die anderen Industriestandorte in der Atacama-Wüste zu Geisterstädten. Die trockene Wüstenluft trägt allerdings dazu bei, dass die Orte zum Teil noch extrem gut erhalten sind. Humberstone sieht tatsächlich ein wenig so aus, als könne hier schon bald wieder Leben Einzug halten.
Und das tut es auch regelmäßig, zumindest in Form von Tourismus. Denn Humberstone ist als ehemals größte Salpeter-Stadt eine Sightseeing-Attraktion. Seit 2000 gehört der Ort offiziell zum Unesco-Welterbe und die am besten erhaltene Salpeterstadt weltweit. Neben den Häusern und Industriegebäuden kann man auch noch die Reste einer alten Eisenbahnlinie sehen. Doch transportiert wird hier schon lange nichts mehr.