19. Januar 2021, 6:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das kleine Ross Island in der Inselgruppe der Andamanen hat eine dunkle Vergangenheit: Hier wurden Häftlinge jahrzehntelang gefoltert und medizinische Versuche an Menschen durchgeführt. Heute sind die Zeugnisse dieser dunklen Vergangenheit ein Touristenmagnet.
Knapp 1300 Kilometer von der Küste entfernt liegt die indische Insel Ross Island. Nicht mal einen Quadratkilometer groß, dicht bewachsen mit undurchdringlichem, grünen Dschungel – dass hier dennoch Boote mit neugierigen Touristen landen, hat mit der Vergangenheit von Ross Island zu tun. Einer sehr dunklen Vergangenheit.
1857 regt sich in der indischen Bevölkerung erstmals Widerstand gegen die britischen Kolonialherrscher, die viele im Land als unrechtmäßige Besatzer betrachten. Militärisch haushoch überlegen, nehmen die Briten in der Folge unzählige Menschen gefangen. Schon bald sind sämtliche Gefängnisse auf dem Festland hoffnungslos überfüllt, wie das „Smithonian Magazine”, einer Zeitschrift, die in den USA herausgegeben wird, berichtet. Und so wird schließlich wegen seiner Abgelegenheit Ross Island ausgewählt, um dort eine Strafkolonie zu errichten. Schon bald ist sie das berüchtigtste Gefängnis in ganz Indien.
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Ross Island – Krankheit, Folter, Tod
1858 kam der britische Arzt James Pattison Walker mit den ersten 200 Gefangenen auf Ross Island an, für die damit ein Regime gnadenloser Zwangsarbeit begann: Zunächst einmal mussten sie den dichten Dschungel roden, dann erbauten sie für ihre Peiniger luxuriöse Bungalows, legten weitläufige Gärten und sogar Tennisplätze sowie Swimming Pools an. Sie selbst mussten in überfüllten Baracken hausen, die Dächer undicht, nahezu ungeschützt gegen Wind und Wetter, so dass schon bald Krankheit und Tod um sich griffen.
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Malaria, Cholera und die Ruhr wüteten unter den Gefangenen von Ross Island – die Briten nutzten diesen Umstand für ihre eigene Forschung und zwangen die Häftlinge, Medikamente einzunehmen, die als Nebenwirkungen unter anderem Übelkeit und Depressionen hervorrufen konnten. Und obwohl die Zustände auf Ross Island für die Gefangenen bereits miserabel waren, schickten die Briten immer mehr Menschen hierher. Freiheitskämpfer und politische Gefangene wurden hier laut „Smithonian Magazine” wohl auch gefoltert.
Tödliche Naturkatastrophe im Inselparadies
Auch auf anderen Inseln der Andamanen unterhielten die Briten mittlerweile Strafkolonien, Ross Island war sozusagen der administrative Stützpunkt. Doch trotz des Luxus, in dem die Besatzer hier lebten, wurde es als Strafe angesehen, hierher versetzt zu werden – zu abgeschieden die Lage der Insel, zu wenig Ablenkung. Dennoch wurde das Gefängnis erst 1937 endgültig geschlossen, also bereits zehn Jahre, bevor Indien endgültig seine Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte.
Damit endete die Geschichte von Ross Island allerdings noch nicht. Denn 1941 ereignete sich hier eine Katastrophe, als ein Erdbeben mit einer Stärke von 8.1 auf der Richterskala die Region erschütterte und 3000 Menschen das Leben kostete. Die meisten der einst so prunkvollen Gebäude auf Ross Island wurden damals zerstört, schon bald eroberte sich der Dschungel die Insel wieder zurück.
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Schließlich besetzten 1942 die Japaner die Andamanen und plünderten, was sich noch auf der Insel finden ließ. Die Briten, mittlerweile nur noch aus Prestige-Gründen auf Ross Island, konnten sich nun ihrerseits der militärischen Übermacht nicht erwehren. Wie das US-Magazin „Insider” berichtet, lebten hier noch bis in die 1970er Jahre britische und auch japanische Soldaten. 1979 wurde die Insel dann offiziell der indischen Marine übergeben, die sie nun verwaltet.
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Auf Ross Island findet sich heute ein Museum, in dem Besucher sich über die Inselgeschichte informieren können, es gibt ein Restaurant und ein Cafe und sogar einige Souvenirshops. Permanent bewohnt ist die Insel aber laut der touristischen Webseite „Eternal Andamans” nicht mehr, und es gibt auch keinerlei Übernachtungsmöglichkeiten – Besucher müssen sie spätestens mit dem Einbruch der Dunkelheit verlassen.
Zu besichtigen gibt es heute die Ruinen der damaligen Kolonialbauten, viele mittlerweile fast komplett mit Vegetation überwuchert. Auch gibt es einen großen, künstlich angelegten Teich sowie ein System unterirdischer Gänge zu entdecken, die damals von den Häftlingen als Fluchtwege für ihre Kolonialherren im Falle eines feindlichen Angriffes gegraben wurden. In der Mitte der Insel befindet sich zudem ein Wildtier-Habitat, in dem Hirsche, Pfauen und andere Tiere leben.
Aktueller Hinweis: Aufgrund der Corona-Pandemie warnt das Auswärtige Amt vor Reisen nach Indien. Das Land ist als Risikogebiet eingestuft, wer einreist, muss in eine 14-tägige Quarantäne.