7. November 2020, 7:41 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Lake Disappointment ist ein riesiger, meist ausgetrockneter Salzwasser-See mitten im australischen Outback. Laut dem Glauben der australischen Ureinwohner sollen hier schreckliche Kreaturen leben. Die Legende könnte allerdings tatsächlich einen realen Hintergrund haben.
Als die Gesellschaft Reward Minerals 2018 ankündigte, rund um den Salzsee Lake Disappointment im westaustralischen Outback künftig Pottasche abbauen zu wollen, erlebte sie eine unerwartete Überraschung. Die einheimischen Martu, ein Stamm der australischen indigenen Bevölkerung, warnten sie eindringlich davor, hier ihre Arbeit zu beginnen – denn der Ort ist, so glauben die Martu, sehr gefährlich. Um nicht zu sagen tödlich.
Laut dem uralten Glauben der Martu sollen hier menschenfressende Kannibalen leben, genannt Ngayurnangalku – übersetzt bedeutet das laut „Atlas Obscura” so viel wie „Sie werden mich fressen“. Scharfe Zähne sollen sie haben, dazu klauenartige Hände, mit denen sie sogar Flurzeuge aus dem Himmel reißen können. Der 33.000 Hektar große, die meiste Zeit des Jahres ausgetrocknete Lake Disappointment soll ihre Heimat sein, hier leben sie laut den Martu versteckt unter der Oberfläche.
Die Einheimischen gehen nie dorthin
Die indigene Bevölkerung vermeidet es daher bis heute um jeden Preis, sich dem See, den sie in ihrer Sprache Kumpupirntily nennen, zu nähern – denn wer das tue, so der Glauben, würde gefressen. Jeder der es doch wage, müsse versuchen, jegliche Geräusche zu vermeiden, um die Ngayurnangalku nicht auf sich aufmerksam zu machen. John Carty von der Australia National University sagte dazu der Seite „The Conversation”: „Die Martu setzen niemals einen Fuß auf die Oberfläche des Salzsees, und wenn sie es doch tun, können sie nicht schnell genug wieder wegkommen.“
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Der Australier Billy Atkins, der selbst den Martu angehört, sagte derselben Seite zu den Ängsten seines Stammes: „Dieses Land ist gefährlich. Ich sage Ihnen, diese Kannibalen sind dort draußen, und sie sind böse. Wenn Wind weht, können wir dorthin gehen, können ihn (den Lake Disappointment) durchqueren. Doch wenn der Wind sich legt, kann man nicht weiter gehen, denn dann sind sie da.“
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Hat die Legende einen realen Hintergrund?
Wie „The Conversation” vermutet, könnte diese Grusel-Geschichte einen durchaus realistischen Hintergrund haben– der sogar noch gruseliger wäre. Aufgrund der unwirtlichen Lebensbedingungen im Outback sei es nicht auszuschließen, dass es zumindest in früheren Zeiten unter den Martu echte Fälle von Kannibalismus gegeben haben könnte. Daraus hat sich dann möglicherweise die Schauer-Legende entwickelt. Für diese Theorie gäbe es allerdings keine Beweise.
Die Legenden-Welt der australischen Ureinwohner wird allgemein als „Traumzeit“ bezeichnet. Trotz der Größe des Landes und der etwa 300 verschiedenen Sprachen teilen die meisten Indigenen diese Mythologie, in der es noch zahlreiche weitere Monster gibt, gute sowie böse. Die Geschichte, wie der Kumpupirntily zu seinem zweiten Namen Lake Disappointment kam, ist dagegen ganz irdisch.
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Laut der „New York Times” wurde das Gewässer 1897 von dem aus England stammenden Entdecker Frank Hann das erste Mal gesichtet. Dieser war in der unwirtlichen Gegend unterwegs, als er bemerkte, dass einige Bäche weiter ins Landesinnere flossen. Er folgte ihnen, in Erwartung, schließlich einen Frischwasser-See zu finden. Mit einiger Enttäuschung musste er jedoch feststellen, dass der von ihm anschließend so benannte Lake Disappointment eben ein Salzsee ist, sogar salziger als die Weltmeere. Zumindest wurde Hann nicht von den Ngayurnangalku gefressen.