6. Januar 2024, 14:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Mini-Eiland Pigeon Key spielte einst eine wichtige Rolle beim Bau einer Eisenbahnstrecke vom amerikanischen Festland zu den Inseln der Florida Keys. Diese war jedoch nur 33 Jahre in Betrieb, bevor ein verheerender Hurrikan sie wieder zerstörte. Die Naturkatastrophe endete für viele Bewohner von Pigeon Island in einer Tragödie. Heute ist die Insel vor der Westküste von Florida auch wegen ihrer Geschichte ein Besuchermagnet.
Nur ein paar Kilometer von der Küste von Florida entfernt liegt westlich der Stadt Homestead die Mini-Insel Pigeon Key. Bei Ebbe gerade einmal 12.000 Quadratmeter groß, ist dieser heute eher unscheinbare Ort doch unmittelbar mit der jüngeren Geschichte des US-Bundesstaats verbunden. Und einer seiner größten Errungenschaften, einer Eisenbahnverbindung vom Festland zum Archipel der Florida Keys. Doch auch eine der schlimmsten Tragödien des vergangenen Jahrhunderts spielte sich rund um Pigeon Key ab.
Der Name Pigeon Key leitet sich laut der lokalen Zeitung „Keys Weekly“ von der spanischen Bezeichnung Cayo Paloma ab, was übersetzt so viel wie „Tauben-Insel“ bedeutet. Demnach lebten die Vögel wohl in größerer Zahl auf dem Flecken im Meer, bevor der Mensch ihn in Beschlag nahm. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der Erdölmagnat Henry Morrison Flagler eine ambitionierte Vision. Er wollte, zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte, die Florida Keys via Schiene an das Festland anbinden. Ein Projekt, das in die Annalen des Bundesstaates einging als „Key West Erweiterung“.
Camp für mehr als 400 Arbeiter
„Atlas Obscura“ zufolge war das Unternehmen ein wahres Mammutprojekt, bei dem es galt, insgesamt gut 200 Kilometer Distanz zu überbrücken, knapp 100 davon über offenes Wasser. Als besonders schwierig galt dabei das gut sieben Meilen (elf Kilometer) lange Stück zwischen der Keys-Stadt Marathon und den sogenannten Bahia Honda Keys. Das architektonische Meisterstück, das diese Verbindung möglich machte, ging in die Geschichte ein als „Sieben-Meile-Brücke“ (Seven Mile Bridge). Und mitten im Nirgendwo zwischen den beiden Orten wählten 1907 Eisenbahn-Ingenieure Pigeon Key als idealen Standort aus, um hier ein Camp für die Arbeiter an dem Projekt zu errichten.
Bei der Seven Mile Bridge handelte es sich genau genommen um eine Serie von vier Brücken. Pigeon Key wurde schon bald von mehr als 400 Arbeitern in Beschlag genommen, die sich auf der Insel so häuslich wie eben möglich einrichteten. Dazu gehörte der Bau von vier Wohnbaracken, einer große Messe, einer Bäckerei, einem Postamt und einem behelfsmäßigen „Krankenhaus“ in einem Zelt. Die Arbeiter auf der Insel hatten sogar Strom, zur damaligen Zeit ein beinahe unvorstellbarer Luxus. Und so schritten die Arbeiten an der Eisenbahnstrecke in einem wahren Rekordtempo voran.
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Die Tragödie um Pigeon Key
1908 war bereits die Hälfte des Schienennetzes verlegt. In den Jahren darauf folgte mit dem Bau der Seven Miles Bridge auch das letzte Stück. Am 22. Januar 1912 fuhr dann tatsächlich der erste Zug bis nach Key West, natürlich mit Flagler höchstpersönlich an Bord. Bei seiner Ankunft wurde er wie ein Held gefeiert, die Strecke als „Achtes Weltwunder“ geadelt. Nur ein Jahr später starb der Eisenbahn-Tycoon. Seine visionäre Zugstrecke überlebte ihn um gerade einmal 32 Jahre. Denn 1935 ereignete sich eine Naturkatastrophe, in deren Zuge der Name Pigeon Key auch zum Synonym einer schrecklichen Tragödie wurde.
Am 2. September diesen Jahres suchte der sogenannte „Labor Day-Hurrikan“ die Küste von Florida und die ihr vorgelagerten Inseln heim, richtete gewaltige Zerstörung an. Der erste in den USA jemals verzeichnete Sturm der Stärke Fünf tötete der „Library of Congress“ zufolge mindestens 485 Menschen und richtete Millionenschäden an. Unter den Opfern waren 260 Veteranen des Ersten Weltkrieges, die man zu Arbeiten an einer neuen Übersee-Schnellstraße auf Pigeon Key eingesetzt hatte. Bei dem Versuch, die Männer zu retten, entgleiste der Zug, den man dazu eingesetzt hatte, in dem schweren Unwetter. Autor Ernest Hemingway, der damals auf den Florida Keys lebte, bezeichnete die schlecht organisierte Rettungsaktion damals öffentlich als Mord.
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Heute eine Museums-Insel
Die Eisenbahnstrecke zu den den Florida Keys wurde daraufhin aufgegeben, seit 1982 verbindet der legendäre US Highway 1 die Inseln mit dem Festland. Er läuft nur einige hundert Meter vorbei an Pigeon Key, das man immer noch zu Fuß, mit dem Rad oder einem Golfcart von dem Ort Marathon aus erreichen kann. Für den motorisierten Verkehr ist die alte Seven Miles Bridge seit 2007 gesperrt. Auch fährt von Marathon mehrmals täglich eine Fähre zu dem Eiland, das heute im wahrsten Sinne des Wortes eine Museums-Insel ist. Besucher können hier immer noch die alten Arbeiter-Gebäude besichtigen, und sich bei einem Besuch des Museums über die Geschichte des Ortes informieren.
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Laut offizieller Website verwaltet seit 1992 die Pigeon Key-Stiftung die Insel. Zwei Jahre zuvor war der Ort bereits zum Nationalen Historischen Gedenkort erklärt worden, zur National Historic Landmark. Das Eiland befindet sich direkt unter der Seven Miles Brigde, die damals über ihm errichtet wurde. Täglich finden hier vier geführte Touren statt. Erwachsene zahlen dafür aktuell 25 Dollar, also knapp 23 Euro. Für Kinder ab vier Jahren müssen 20 Dollar (gut 18 Euro) entrichtet werden.
Wem ein Besuch auf der Insel nicht reicht, der kann in den umliegenden Wassern auch schnorcheln. Oder bei der Tour um 13 Uhr bei einer Haifisch-Fütterung zusehen. Die Tiere werden auf der Insel neben zahlreichen anderen Fischen in einem Becken gehalten. Ebenso kann man rund um Pigeon Key angeln. Von Marathon aus verkehrt ein Besucherzug, der Gäste bequem auf die Insel bringt.