6. Juli 2019, 9:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im Dorf Vale da Telha an der portugiesischen Algarve steht ein Haus in Dinosaurierform. Das ist heute eine Ruine. TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel mag den Dino so sehr, dass sie ihn immer wieder besucht. Für uns ist sie auf Spurensuche im Innern des T-Rex gegangen.
Irgendwas fliegt an meinem Ohr vorbei. Ich zucke zusammen. Es ist stockdunkel. Riecht modrig. Frische Luft gibt es hier unter der Erde nicht. Das mickrige Licht meines Telefons leuchtet auf eine zerbrochene Flasche vor meinem Fuß. Das Telefon höher haltend entdecke ich eine Türöffnung ohne Tür links neben mir. Ich trete einen Schritt hinein, richte das Licht in die Zimmerecke. Fledermäuse. Viele kleine Fledermäuse hängen da zusammen unter der Decke. Ob eine von denen gerade an mir vorbeigeflogen ist?
Ich trete einen Schritt zurück. Stehe wieder vor dem Ende der Treppe. Fast unter dem Gerippe des Dinosauriers, das an die Decke gemalt ist. Zerbrochene Bierflaschen um mich herum, altes Holz und jede Menge Staub. Ich muss niesen – und versuche das Geräusch zu unterdrücken. Wer weiß, wer hier noch so wohnt. Mein Handylicht beleuchtet einen weiteren Eingang direkt vor mir. Dahinter ein riesiger Raum. Die Rückwand kann ich im Dunklen nicht sehen. Ein alter Billardtisch steht hier. Jede Menge zerbrochene Stühle und Holzbalken liegen rum. Und noch mehr Staub und Flaschen. Durch die eingebrochene Decke schimmert Licht. Erhellt das staubige Chaos, das hier offensichtlich seit Jahren liegt.
Rückwärts trete ich aus dem Raum, stolpere mit einem Flip Flop über eine kaputte Flasche – und mache Krach. Irgendwas raschelt laut in der Ecke. Mäuse? Ratten? Mehr Fledermäuse? Klingt irgendwie lauter und raschelt immer noch. Vielleicht muss ich das nicht rausfinden. Ich stolpere die Treppe wieder hoch. Auf dem Weg ein Blick in die nächste Ecke. Da ist ein Gang und noch mehr Räume. Einer hat Fliesen an den Wänden.
Im Innern des Dinomagens
Mit pochendem Herzen stehe ich wieder im Sonnenlicht. Über mir der Kopf des Dinos. Der sieht mit seinen rausgeschlagenen Zähnen genauso niedlich wie bemitleidenswert aus. Rechts neben mir seine zum Surfergruß deformierte Hand. Quietschend schiebe ich die graue Stahltür wieder zu. Lege den dicken Stein davor, den ich erst vor wenigen Minuten weggeschoben habe.
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Die Tür bildet den Bauch des T-Rex‘, durch dessen Wirbelsäule man stufabwärts in sein Mageninneres treten kann – oder so ähnlich. Auf jeden Fall tritt man durch die Tür, um nach unten ins Kellergewölbe zu gelangen. In der Nähe der Surfergruß-Hand führen fünf Stufen nach oben. Ein alter Mini-Golfplatz ist hier. Auch vergammelt. Ein Golfset liegt rum, verteilt ein paar Golfbälle – die sehen neu aus.
Vorsichtig trete ich über den blauen Boden. Auf das heruntergekommene Gebäude hinter der Minigolfanlage zu. In der Mitte ein Gitterfenster ohne Fenster – die Lichtquelle. Dahinter vergammelte Stühle, ein Tischkicker in der Ecke, Farbeimer, Staub. Durch das riesige Loch im Boden kann ich den unterirdischen Raum sehen, in dem ich gerade noch gestanden habe.
Ich laufe weiter über den Minigolfplatz. An dessen Ende ein riesiger Pool. Ohne Wasser. Dafür mit Müll und Dreck. Dahinter Fensterlöcher in der Wand und jede Menge wild wachsendes grünes Gestrüpp. Was für ein großartiger Ort, denke ich und fange an zu träumen. Perfekt für einen Club. Der fehlt in Vale da Telha schließlich.
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Dorfdisco in T-Rex-Form
Die Idee hatten einige Menschen vor mir, wie mir ein Freund später am Abend erzählt. Das Kellergewölbe soll bis vor knapp zehn Jahren ein Club gewesen sein. Dinossaurus hieß der. Macht Sinn. Der gehörte mitsamt Pool und Minigolfplatz zu einem Campingplatz. Den gibt es heute nicht mehr. Der lächelnde T-Rex hatte damals vier Finger an jeder Hand, die Zähne waren vollzählig und ein Schild verriet den Namen des Underground-Clubs. Der große Raum beinhaltete Tanzfläche und Bar. Bilder an den Wänden zeigten mehr Dinosaurier und ihren Lebensraum. Die Infos meines Freundes bestätigt Joana Saramago auf ihrem Blog „Pastilha Elástica”. Beide schwärmen, dass die Partys legendär gewesen seien, Schaumpartys und gute Musik sind beiden noch heute in Erinnerung. Dinossaurus war offensichtlich immer beliebt und voll – vielleicht auch, weil in der Gegend konkurrenzlos.
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Zu viele Drogen und Unfälle bedeuteten schließlich sein Ende, erzählt mein Freund. Seitdem verfällt das Gelände. Mehrere haben bereits versucht, die Genehmigung zu bekommen, den Club wieder zu eröffnen. Glück hatte bislang keiner. Die Villen und Häuser in der Nähe sind vielleicht auch ein Grund, wieso hier nichts mehr passiert. Die feiernde Dorfjugend, die sich mit den Touristenmassen amüsiert, ist vermutlich in der Wohnsiedlung nicht allzu gern gesehen. Schade eigentlich.
Das war vor zwei Jahren. Für diesen Artikel bin ich den Dino nochmal besuchen gefahren. Eine dicke Betonwand verdeckt heute die Tür. Anscheinend war ich nicht die einzige, die es toll fand, durch den Dinobauch nach unten zu laufen. Auf den Minigolfplatz kann ich aber nochmal. Der hat jetzt jede Menge neue Graffitis. Sieht ansonsten aber aus wie immer. Verfallen und wie die perfekte Fotokulisse eines Lost Places.