27. August 2019, 13:12 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es sollte Spaniens großes Prestigeprojekt werden: Der Bahnhof von Canfranc war bei seiner Fertigstellung 1928 der zweitgrößte Bahnhof Europas. Doch dann kamen der Spanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg und durch eine Reihe tragischer Ereignisse wurde das riesige Gebäude zum Geisterbahnhof und zur Ruine. Nun hat die spanische Regierung einen Plan, was sie mit dem vergessenen Ort machen will.
Der Bahnhof Canfranc liegt in 1195 Meter Höhe an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Er hat 365 Fenster und 156 Türen, das Hauptgebäude war mit seiner 241 Meter langen Halle bei der Fertigstellung der zweitgrößte Bahnhof Europas und der größte Spaniens. Mit seiner gigantischen Kuppel und seiner prunkvollen Einrichtung konnte er es mit der Eleganz des Gare de Lyon aufnehmen. Der spanische Riesenbahnhof, der laut einem „BBC“-Bericht auch „Die Titanic der Berge“ genannt wurde und groß genug für eine europäische Hauptstadt wäre, steht allerdings neben einem 500-Seelen-Dorf in der spanischen Provinz Huesca. Wie kam es zu dem völlig unverhältnismäßigen Bau?
Der Krieg begrub das Prestige-Projekt
Ende des 20 Jahrhunderts wurde der protzige Bahnhof von der französischen und spanischen Regierung gemeinsam geplant: Beide Länder wollten durch die Pyrenäen hindurch Tunnel graben und eine neue Linie durch die Berge eröffnen, um mehr Handel zu betreiben und den Tourismus anzukurbeln. Die gewaltige Größe und Pracht des Bahnhofs sollte den Reichtum und die Macht beider Länder demonstrieren, bei der Eröffnung 1928 waren der spanische König Alfons XIII. und der französische Präsident Gaston Doumergue dabei.
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Doch dann kam alles anders: Erst brach der spanische Bürgerkrieg aus und der Zugverkehr musste zeitweise eingestellt werden, anschließend kam Spaniens Diktator Franco an die Macht, der mehrere Tunnel nach Frankreich schließen ließ, um den Waffenschmuggel seiner Gegner zu verhindern. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Schutzbunker für Luftangriffe auf dem Gelände des Bahnhofs gebaut, Frankreich und Spanien waren auf einmal Feinde, Nazideutschland wurde dagegen der Verbündete von Franco.
Knotenpunkt für Flüchtlinge
Der Bahnhof wurde zum Umschlagplatz für portugiesisches und spanisches Wolfram, das die Deutschen für den Bau von Kriegsgeräten und Waffen verwendeten. Im Gegenzug transportierten die Deutschen mehr als 100 Tonnen Raubgold aus dem Besitz der ermordeten Holocaust-Opfer über Canfranc nach Spanien. Gleichzeitig gelangten über den Bahnhof auch tausende jüdische und andere, von den Nationalsozialisten verfolgte, Flüchtlinge nach Spanien und von dort nach Lissabon, von wo aus sie der Verfolgung der Nazis entkommen konnten. In einer aufwendigen Recherche für die lokale Tageszeitung „El Heraldo“ fand der Journalist Javier Campo Fraile heraus, dass unter den Geflüchteten, die über Canfranc entkamen, auch Berühmtheiten wie Tänzerin Josephine Baker und Künstler Max Ernst waren. 1942 nahmen die Nazis den Bahnhof in Besitz, um die Fluchten zu stoppen: Es war das einzige spanische Territorium, das während des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen besetzt wurde.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auch der Zugverkehr wieder aufgenommen – und für eine lange Zeit nicht mehr unterbrochen. Doch 1970 stürzte auf der französischen Seite der Bahnverbindung nach einem Unfall eine Eisenbahnbrücke ein und der Verkehr kam wieder zum Erliegen. Danach verfiel der einst so prächtige Bahnhof von Jahr zu Jahr immer mehr zur Ruine. Im Gleisfeld stehen verrottete Wagons, auf denen Lost-Place-Entdecker für Fotos pausieren und die einst so prächtigen Art-Deco-Fresken sowie der prächtige Stuck der Haupthalle wurden von Pflanzen überwuchert.
An der Grenze zu Frankreich Canfranc – Spaniens berühmtester Geisterbahnhof wird ein Luxushotel
Alle 6 Monate wird gewechselt Warum diese Insel mal zu Frankreich und mal zu Spanien gehört
Hotel Arbez Franco-Suisse In diesem Hotel kann man gleichzeitig in zwei Ländern schlafen
Der Bahnhof soll nun zu einem Hotel werden
Nach mehr als 30 Jahren entschloss sich die lokale Regierung jedoch 2013, den Geisterbahnhof zu kaufen und zu restaurieren, um ihn zur Touristenattraktion zu machen. In den Sommermonaten fahren zwei Mal täglich Regionalzüge von der nächst gelegenen größeren Stadt Huesca aus nach Canfranc und halten vor dem immer noch abgesperrten Gebäude. Zutritt gibt es nur mit online gebuchten und geführten Touren. Bisher kommen vor allem spanische Touristen, gilt der Bahnhof in Spanien als berüchtigter Lost Place. Nach und nach sollen aber auch internationale Gäste angelockt werden: Die Station selbst soll zu einem Hotel mit Restaurant umgebaut werden, während nebenan eine neue, moderne Bahnhofsstation eröffnen soll. Die Strecke nach Frankreich soll wieder aufgenommen werden. Die Haupthalle ist fast schon vollständig restauriert und laut der verantwortlichen Baufirma soll die Restaurierung des Hauptgebäudes schon dieses Jahr abgeschlossen werden. Wer eine Führung durch den Bahnhof und sein großes Gelände buchen will, kann das über die Website des Bahnhofs tun.