23. August 2021, 18:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Einst war King Island vor der Küste Alaskas Heimat für Hunderte Inuit – einziges Zeugnis davon ist heute noch die Geisterstadt Ukivok, die sich über der Steilküste der Insel auf Pfahlbauten an den Fels klammert. Seine Bewohner verließen die Insel schon vor 60 Jahren – nicht ganz freiwillig.
King Island im US-Bundesstaat Alaska ist eigentlich nicht mehr als ein Klotz mitten in der eisigen Beringsee. Knapp 150 Kilometer von der Stadt Nome entfernt ragt der einsame, nur gut 1,5 Kilometer lange Felsen aus den windumtosten Wassern des Pazifiks. Kaum zu glauben, das einst in den steilen Klippen, die King Island prägen, bis vor 60 Jahren tatsächlich Menschen lebten.
King Island war vermutlich laut der Historien-Seite „The Vintage News“ über Jahrhunderte die Heimat der Aseleuk-Inuit, was übersetzte so viel bedeutet wie die „Menschen des Meeres“. Und das waren sie auch, denn sie lebten vom Meer, bzw. von der Jagd dort. Sie erlegten Robben und Walrösser, fischten Krabben und sammelten Vogeleier. Etwa 200 von ihnen lebten in der Siedlung Ukivok, die sie wagemutig auf Pfahlbauten in den steilen Klippen der Insel errichtet hatten.
Das Ende von King Island
Trotz der harschen Wetterbedingungen und den nur wenigen Stunden Tageslicht im Winter war das Leben auf King Island wohl sehr fröhlich. Seine Bewohner tanzten und sangen gemeinsam und waren sehr geschickt in der Bearbeitung von Walross-Elfenbein. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Goldgräber-Stadt Nome entstand, begannen die Aseleuk, im Sommer in der Nähe der Stadt zu campieren, um mit den Einheimischen Tauschgeschäfte zu machen.
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Schon bald blieben viele von ihnen den gesamten Sommer nahe Nome und kehrten nur noch für die Jagd und den Fischfang im Winter zurück. Zu diesem Zeitpunkt ahnten die Aseleuk noch nicht, dass sie King Island bald ganz würden verlassen müssen. Und zwar für immer. Laut einem Interview, dass die Inuit-Poetin Joan Naviyuk Kane 2013 der Seite „Hawai’i Public Radio“ gab, kam das Ende 1959. In diesem Jahr beschloss das „Büro für indigene Angelegenheiten“, die Schule auf King Island zu schließen.
Keine Zukunft ohne Kinder
Laut Kane waren die Gründe dafür vorgeschoben. So wurde beispielsweise behauptet, ein loser Felsbrocken drohe, die Schule zu zerschmettern. Längst waren aber auch viele Bewohner von King Island den Versuchungen eines moderneren Lebens erlegen. Zumal es in Nome natürlich eine bessere Gesundheitsversorgung gab als auf der einsamen Insel.
Die Entscheidung, die Schule zu schließen, habe die Menschen laut Kane unter einen enormen Druck gesetzt. Denn die Kinder waren nun mehr oder weniger gezwungen, in Nome zur Schule zu gehen. Ohne die Unterstützung der jungen Menschen aber waren die restlichen Bewohner von King Island nicht mehr in der Lage, genügend Beute für das Überleben zu erlegen. Laut „The Vintage News“ waren bis 1970 alle Aseleuk nach Nome umgezogen.
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Einige kehren immer noch zurück
Seitdem ist King Island unbewohnt. Das einzige Zeugnis, dass es hier jemals Menschen gab, ist das verfallende Ukivok. Immer noch klammert es sich auf seinen Pfahlbauten in die Steilwände der Insel. Doch tatsächlich kehren nach Angaben der Seite alaska.org auch heute noch einige Aseleuk im Sommer zurück, um für sich und ihre Familien zu jagen. Ob in Ukivok jedoch jemals wieder Leben einkehren wird, scheint mehr als ungewiss.
Zumindest 2013 aber durften einige ehemalige Bewohner von King Island noch einmal zurückkehren. Die Poetin Kane hatte damals bei einer Crowdfunding-Kampagne fast 50.000 Dollar gesammelt, um zumindest einen Besuch der Aseleuk auf ihrer Insel zu ermöglichen. Das ist nicht einfach, denn mit dem Boot sind es von Nome aus neun bis zwölf Stunden über die wilde Beringsee. Heute steuern ansonsten auch Kreuzfahrtgesellschaften wie das US-Unternehmen „Ponant“ King Island an. Und auch heute wird man beim Anblick der Pfahlbauten von Ukivok wohl kaum glauben, dass hier tatsächlich einmal Menschen lebten.