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Mythos oder Wahrheit?

Vineta – das geheimnisvolle Atlantis der Ostsee

Vineta
Ein Spaziergänger am Strand vor der Vineta-Brücke am Strand von Zinnowitz auf der Insel Usedom - hier könnte der Legende nach die sagenumwobene Stadt Vineta gelegen haben Foto: picture alliance / Beate Schleep | Beate Schleep
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

10. November 2022, 15:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Die Stadt Vineta wird zwar in den Geschichtsbüchern erwähnt, doch bis heute ist ihre Existenz nicht bewiesen. Gleich mehrere Orte streiten darum, wo genau sie gelegen haben könnte. TRAVELBOOK erzählt die Legende der versunkenen Metropole an der Ostseeküste.

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Die kleine Gemeinde Koserow an der Küste der Insel Usedom ist ein Ort, in dem man immer wieder einem Namen begegnet: Vineta. Es gibt hier eine Vineta-Straße, eine Vineta-Apotheke, nur unweit liegt der Vineta-Ferienpark, vor der Küste das Vineta-Riff. Der Name deutet auf etwas Großes hin – für viele Menschen ist es nichts weiter als ein Ammenmärchen. Andere wiederum glauben fest daran, dass es Vineta tatsächlich gab.

Wenn von Vineta die Rede ist, sprechen manche auch ehrfürchtig vom „Atlantis des Nordens“ – denn genauso wie die sagenumwobene Stadt, die schon im alten Griechenland erwähnt wurde, und die der Erzählung nach in den Fluten des Meeres versank, soll es sich auch bei Vineta um einen solchen Ort handeln. Laut „Deutschlandfunk“ schrieb der Chronist Adam von Bremen bereits im Jahr 1075 über die Mythen-Stadt: „Es ist wirklich die größte von allen Städten, die Europa birgt. Die Stadt ist angefüllt mit Waren aller Völker des Nordens, nichts Begehrenswertes oder Seltenes fehlt.“

Bestraft wegen Gottlosigkeit

Demnach sei Vineta eine der bedeutendsten europäischen Handelsstädte gewesen, der Reichtum seiner Bewohner geradezu märchenhaft, Slawen, Griechen, Barbaren und auch Sachsen lebten hier demnach „friedlich, ehrenhaft in Lebensart und Gastfreiheit“ zusammen. Nur ein Jahrhundert später jedoch taucht Vineta dann zum letzten Mal in heute noch nachzulesenden Chroniken auf, danach verschwindet die Stadt im Nebel der Geschichte.

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Und vielleicht ist auch genau das mit ihr passiert: Sie verschwand, oder besser gesagt, sie wurde verschluckt, und zwar von den Fluten des Meeres. Denn laut Legende hatten sich Vinetas reiche Bewohner dem Hochmut und der Verschwendung hingegeben, weswegen das Schicksal sie bestrafte, und die Stadt vom Wasser verschlungen wurde. Varianten dieser Legende finden sich in der gesamten Menschheitsgeschichte, das erste Mal bereits im alten Babylon.

Auf alten Karten ist Vineta eingezeichnet

Laut dem Landesarchiv Mecklenburg-Vorpommern ereilte Vineta ein anderes Schicksal. Demnach wurde die Stadt von einer Flotte dänischer Kriegsschiffe angegriffen und zerstört. Bereits im 16. Jahrhundert begann dann die Suche nach dem sagenhaften Ort, Ausgrabungen in den 1930er Jahren, die rund um das heutige Wollin mehr als 50.000 Fundstücke zutage förderten, deuten tatsächlich darauf hin, dass sich hier einst ein bedeutender Handelsplatz befunden haben könnte. Wissenschaftler und Archäologen streiten aber bis heute darum, wo Vineta – so es denn überhaupt existierte – genau lag.

Schon in vergangenen Jahrhunderten übte Vineta, oder besser, die Idee davon, eine gewaltige Faszination auf die Menschen aus: So ist die Stadt zum Beispiel auf schwedischen Karten, die nach dem 30-jährigen Krieg entstanden waren, eingezeichnet. Das Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern war im Zuge des „Westfälischen Friedens“ an die Schweden gefallen. Die Karten kann man auf der Webseite des Landesarchivs ansehen.

Vineta
Auf dieser alten Karte aus dem Jahr 1693 ist eine der wenigen Abbildungen der sagenumwogen Stadt Vineta gezeichnet Foto: picture-alliance/ ZB | Stefan Sauer
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Mehrere Orte streiten um Vineta

In Koserow, einem der möglichen Orte, wo Vineta gelegen haben könnte, ringen heute sowohl weltliche als auch geistliche Institutionen um die Beweisführung: So hängt laut „Deutschlandfunk” in der lokalen Feldsteinkirche ein Kreuz, das Fischer angeblich aus dem Meer geborgen haben sollen und das demnach früher in einem Gotteshaus in Vineta gehangen haben soll. Tatsächlich handelt es sich dabei nachgewiesenermaßen um eine schwedische Arbeit aus dem 18. Jahrhundert. Dann wiederum gibt es im nahen Zinnowitz seit 1997 die Vineta-Festspiele, bei denen jedes Jahr ein anderes Kapitel aus der Geschichte der Stadt und deren Bewohnern nachgespielt wird. Mit den Orten Damerow, Wollin und Barth erheben aber noch andere Lokalitäten Anspruch darauf, Vineta habe sich früher genau auf eben ihrem Terrain befunden, Barth trägt seit 1999 gar den Beinamen „Vineta-Stadt“.

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Wer jetzt mehr über das Atlantis der Ostsee erfahren möchte, wird sicher an all diesen Orten ein Stück weit fündig – so sind auch die Koserower überzeugt davon, die am Meeresboden des Vineta-Riffs befindlichen Steinansammlungen seien die einstigen Grundmauern des nordischen Atlantis (was historisch bereits ebenfalls widerlegt ist). Wer noch mehr über die Stadt erfahren möchte, dem sei das Buch „Vineta – Trugbilder“ empfohlen. Die Autorin Martina Krüger ist seit mehr als 20 Jahren Sprecherin der Vineta-Festspiele. Auf TRAVELBOOK-Anfrage sagte sie: „Mich hat fasziniert, wo Vineta überall auftaucht, die Idee von der versunkenen Stadt findet sich ja vor allem in der Literatur wieder, so unter anderem in Werken von Heinrich Heine, Gerhard Hauptmann und Christian Morgenstern. Dank der Hilfe von zwei Wissenschaftlern habe ich dann ein halbes Jahr historische Quellen ausgewertet und auch sonst alles zusammen getragen, was es über Vineta gibt.“

Krüger glaubt, die Legende habe sich so lange gehalten, weil „jeder etwas anderes in die Stadt unter Wasser hinein interpretieren kann“. Ein wahrer Kern sei aber nicht abzustreiten, so habe es auf der Insel Usedom schon früh Orte gegeben, in denen viele Völker gemeinsam lebten und miteinander Handel trieben: „Das waren richtige Multi-Kulti-Städte – ganz so, wie es auch die Sage wiedergibt.“ Gefragt, was sie denn von Vineta selbst hält, sagt sie lächelnd: „Es ist ein schöner Traum.“

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