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Gebaut als Verteidigungsanlage

Neuf-Brisach – die achteckige Stadt in Frankreich

Neuf-Brisach
Richtig gesehen, diese Stadt ist achteckig: Neuf-Brisach wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts als Verteidigungsanlage gebaut und gehört heute zum Unesco-Welterbe Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

10. März 2024, 14:52 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ließ der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. unmittelbar an der Grenze seines Reiches eine ungewöhnliche Stadt errichten. Denn Neuf-Brisach, zu Deutsch Neubreisach, war konzipiert als riesige Verteidigungsanlage gegen einen Feind, der dann allerdings niemals kam. Um es wenig später in Friedenszeiten zu besiedeln, lockte man potenzielle Bewohner mit sehr ungewöhnlichen Methoden. Heute zählt der Ort zum Unesco-Welterbe.

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Am linken Ufer des Rheins liegt, unmittelbar an der heutigen Grenze zu Deutschland, die kleine elsässische Stadt Neuf-Brisach. Nicht einmal 2000 Menschen leben hier, und der Ort wäre wohl nichts Besonderes, wäre da nicht seine ungewöhnliche Form. Denn Neubreisach, wie es zu Deutsch heißt, hat aus der Luft betrachtet die Form eines Achtecks. Alle Straßen verlaufen schnurgerade und symmetrisch um die gerade einmal 50 mal 50 Meter großen Häuserblöcke, meterdicke Mauer umschließen die Ansiedlung. Denn Neuf-Brisach war ursprünglich gar keine wirkliche Stadt, sondern eine Festung.

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet, entstand die Verteidigungsanlage gegen Ende des 17. Jahrhundert aus strategischen Gründen. „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. hatte den sogenannten Pfälzer Erbfolgekrieg gegen die Habsburger verloren und sah sich in der Folge gezwungen, einen Teil seines Imperiums an Österreich abzutreten. Dabei hatte er die Wahl zwischen Straßburg oder der bereits damals stark befestigten Stadt Breisach rechts des Rheins. Er entschied sich für letztere, und somit wurde der Fluss fortan auch zur Landesgrenze. Doch weil er für diese nun natürlich eine neue Verteidigungsanlage benötigte, gab er kurzerhand den Bau von Neuf-Brisach in Auftrag. Das neue Breisach eben.

„Diamant der Krone Frankreichs“

Neuf-Brisach
Meterdicke Mauern umgrenzen Neuf-Brisach. Die Stadt wurde niemals eingenommen oder belagert. Foto: Getty Images

Als Architekt für dieses wichtige neue Abwehrbollwerk kam nur einer in Frage: Sébastien Le Prestre de Vauban, der sich zuvor bereits einen Namen mit dem Bau von Militärarchitektur im gesamten Land gemacht hatte. Als er Neuf-Brisach plante, hatte er bereits 50 Jahre Erfahrung im „Bau“. Nicht weniger als 160 Festungen im ganzen Land plante er für seinen König. Neubreisach wurde sein letztes und krönendes Werk, eine 133 Hektar große Planstadt, umgeben von sternförmigen Befestigungsmauern. Der König selbst adelte die Leistung seines Architekten mit den Worten: „Von allen Diamanten der Krone Frankreichs ist die Festung am Rhein der schönste.“

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Die 1699 beginnenden Bauarbeiten für Neuf-Brisach zogen sich über nur vier Jahre hin. Dann stand das Abwehrbollwerk am Rhein, befestigt mit acht Türmen, die 300 Soldaten Platz boten. Jedes Haus hatte einen Schutzkeller und durfte nicht höher als die Stadtmauer gebaut sein, um im Falle eines Angriffs kein Ziel für Kanoniere zu bieten. Zudem waren sämtliche Häuserquadrate um einem Innenhof konzipiert, in denen Gemüse wachsen und man Tiere halten konnte. Auf diese Weise sollten die Bewohner bei einer Belagerung für mindestens 48 Tage autark überleben können. Es sei gleich vorab gesagt: Zu diesem Ernstfall kam es allerdings nie.

Das Sibirien von Frankreich

Drei Verteidigungswälle umgeben die Stadt, insgesamt 17 Kilometer Mauern und Wälle aus Erde. Diese fingen feindlichen Beschuss besser ab als Stein, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte. Und so arbeiteten bis zu 2000 Mann ab 1699 an der Entstehung von Neuf-Brisach. Sie hoben unter anderem 600.000 Kubikmeter Erdreich aus, das entspricht einer Million Schubkarren. Um Material heranzuschaffen, erbaute man sogar einen 28 Kilometer langen Kanal. Auf diesem zogen Soldaten auf Kähnen das benötigte Material für den Häuserbau, aus den Vogesen kommendes Gestein.

Das Skurrile: Schon bei der Fertigstellung 1703 war Neuf-Brisach als Festung quasi obsolet. Denn im selben Jahr eroberte Ludwig XIV. das heute deutsche Breisach von den Habsburgern zurück, womit die (gefühlte) Bedrohungslage wegfiel. Und so suchte man denn nach einer anderen Verwendung für die Anlage, und Neubreisach wurde zu einer fast ganz normalen Stadt. Allerdings ab es zu Anfang erhebliche Probleme, den Ort überhaupt zu besiedeln, denn laut einem Artikel in „Hörzu“ galt das Elsass zur damaligen Zeit wegen seiner Abgelegenheit als „das Sibirien von Frankreich“. Also lockte man Interessierte mit Steuererleichterungen und freiem Wohnrecht, und so hat Neuf-Brisach heute knapp 2000 Einwohner.

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Eine Stadt sucht neue Bewohner

In Ihrer langen Geschichte wurde die Anlage niemals eingenommen oder belagert. Wohl aber mehrfach schwer beschädigt, so unter anderem bei einem Angriff der Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs. Heute lebt Neuf-Brisach mit seiner deutschen „Partnerstadt“ Breisach längst wieder in Frieden. Da es in der achteckigen Siedlung kaum Platz gibt, trainieren sogar französische Athleten in Einrichtungen auf der anderen Rheinseite. Und diese würde zukünftig auch gerne davon profitieren, dass das französische Pendant von der Unesco 2008 zum Welterbe ernannt wurde – wie übrigens laut offizieller Tourismusseite der Region insgesamt 12 Festungsanlagen von Architekt Vauban.

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Ein Touristenmagnet ist Neuf-Brisach mit 60.000 Besuchern pro Jahr allerdings nicht gerade. Und so versucht man laut „NZZ“ mittlerweile auch wieder, neue Bewohner durch Vergünstigungen anzulocken. Etwa seien Kauf- und Mietpreise wegen diverser Leerstände erschwinglicher als im Rest der Region. Ein belgischer Investor habe zudem in Aussicht gestellt, in einer der alten Kasernen 112 neue Wohneinheiten zu schaffen, mit denen man bevorzugt junge Familien anlocken möchte. Es könnte ein neuer Aufschwung sein für die Stadt, die eigentlich als Festungsanlage erbaut wurde.

Themen Europa Frankreich
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