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Kluntje und Meer

Was Ostfriesland abseits der Inseln zu bieten hat

Eine Windmühle in Hinte bei Emden
Eine Windmühle in Hinte bei Emden Foto: dpa Picture Alliance
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TRAVELBOOK Redaktion

7. Juli 2019, 8:46 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Strandurlaub, das geht auch ohne Nordsee. Im ostfriesischen Binnenland liegt das Meer hinterm Deich. Ist gerade Schietwetter, macht man das, was die Ostfriesen am liebsten tun: Tee trinken.

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Es ist 15:36 Uhr. Der Hahn auf dem Grashügel vorm Sprossenfenster der Ferienwohnung kräht. Sogar in Ostfriesland ist es jetzt aber zu spät fürs Frühstück. Vermutlich kräht der Vogel wegen der Teezeit. Ist eben ein ostfriesischer Hahn.

„Wir trinken drei bis fünf Tassen am Tag“, erzählt Celia Hübl wenig später im Bünting Teemuseum in Leer. Aha. Da kann man als tierischer Wecker schon mal durcheinander kommen. Hübl leitet das Teemuseum und sagt: „Teezeit ist immer.“ Zwischen unzähligen Museumsexponaten veranstaltet die Ostfriesin Teeseminare und -zeremonien.

Zarte Porzellan-Tassen, verziert mit der roten ostfriesischen Rose, klappern verheißungsvoll. Hübl greift zum Kluntjeknieper und verteilt mit dieser eigentümlichen Zange Kandiszucker. Sie sagt: „Pro Gast nur ein Kluntje.“ So war das, so ist das.

Nachdem der Ostfriesentee den Kluntje zum Knistern bringt, wird der Rahmlöffel kurz im Tee angewärmt. Es folgt die Sahne. „Mindestens 30 Prozent Fett“, betont Hübl. Und: Ostfriesentee müsse in Ostfriesland gemischt worden sein, lehrt die 51-Jährige. In der Regel sei er aus dem indischen Bundesstaat Assam importiert, 20 bis 30 verschiedene schwarze Teesorten befänden sich in einer Mischung.

Ein paar charmante Altstadtgassen weiter serviert Kurt Radtke, klar: Tee. Ganz traditionell, mit Kuntje, einer Ostfriesenteemischung und „klassisch mit echter Sahne“, betont der Geschäftsführer der Touristik-Gesellschaft für das südliche Ostfriesland.

Das Rathaus und der Hafen von Leer
Das Rathaus und der Hafen von Leer Foto: dpa Picture Alliance

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Ostfriesische Hausmannskost

„Der Ostfriese wirkt immer ein bisschen stur. Man stellt sich gern einen Fischer mit gegerbter Haut und buschigem Bart vor“, so Radtke. „An sich aber sind wir heute moderner, ganz gastfreundlich, durchaus in der Lage, einen Blick über den Tellerrand zu werfen.“

Apropos Teller, beim Aufzählen der Rezeptklassiker kommt der Touristikexperte schnell ins Schwärmen: „Früher gab es hier viel Landwirtschaft, daher ist die Küche deftig.“ Es gibt Grünkohl, große Bohnen, Labskaus – und Snirtjebraten, eine Schweinebratenspezialität mit Rotkohl. „Muss man unbedingt probieren“, findet Radtke.

Die Gäste kommen natürlich nicht nur wegen Tee und Hausmannskost. „Das gesunde Klima“ mache viel aus, beschreibt Radtke, „selbst im Binnenland haben wir salzhaltige Luft“.

Rekordverdächtige Teemengen

Die Authentizität der Einwohner gibt vermutlich ihren Obolus dazu. Die Ostfriesen verbiegen sich nicht. Was sie dafür machen, ist Tee trinken. 300 Liter Tee pro Person im Schnitt pro Jahr, das hat der Deutsche Teeverband 2016 ermittelt. Vergleich: Deutschlandweit lag der Pro-Kopf-Verbrauch durchschnittlich bei 28 Liter Tee im Jahr.

Was die Ostfriesen ebenfalls können: sich selbst auf die Schippe nehmen. Grandseigneur in Sachen Ostfriesenwitze ist natürlich Otto Waalkes. „Dat Otto Huus“ in Emden hört man, bevor man es sieht. Lautes Gelächter dringt aus dem Obergeschoss auf die Straße.

Ein lebensgroßer Otto-Hampelmann mit Handzug, ein Wasser kotzender Kunststoff-Ottifanten-Brunnen und jede Menge weiteres Gedöns finden sich auf drei Etagen. Unter dem Dach zeigt ein Kino Otto-Filme in Endlosschleife, kostenlos. Toptipp für Schmuddelwetter.

Ab an die Meere hinter dem Deich

Verdächtig gleich klingt übrigens die Begründung, warum Boßeln friesischer Nationalsport ist. Dabei muss der Spieler eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen eine bestimmte Strecke entlang bugsieren. Urlauber, die einmal eine Landstraße lässig „durchboßeln“ möchten, können sich Kugeln und Anleitung in der Tourist-Information in Leer leihen.

Wer nicht dem Volkssport sondern der ostfriesischen Wohnkultur auf der Spur ist, wird im 1570 erbauten Haus Samson über der Weinhandlung Wolff im Zentrum von Leer fündig. Mobiliar, Gemälde und Dokumente von vergangenen Zeiten füllen jede Ecke des Privatmuseums.

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Prinz Heinrich dampft in Leer

Wenige Schritte sind es vom Haus Samson zur Uferpromenade, an der die „Prinz Heinrich“ erhaben glänzt. Das 1909 gebaute Dampfschiff ist der letzte Vertreter der ehemaligen ostfriesischen Dampfschiff-Flotte und die Mammutaufgabe von Wolfgang Hofer, der mit weiteren Ehrenamtlern, wie er sagt, „aus einem Rostschiff wieder das älteste Seebäderschiff Deutschlands“ gemacht hat.

Rund ein Jahrzehnt wurde restauriert. Heute fährt Prinz Heinrich wieder – „als Traditionsschiff, nicht im Liniendienst“, für Gruppen nautisch Interessierter, die an dem Dampfer das lieben, was auch den Landstrich und die Leute ausmacht: Authentizität.

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