6. August 2023, 7:17 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wer in Oppenheim die kleine Michaelskapelle hinter der örtlichen Katharinenkirche besucht, dem dürfte es einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Aus leeren Augenhöhlen starren Besuchern unzählige Totenschädel entgegen. Hier stapeln sich Knochen und andere menschliche Überreste meterhoch an den Wänden. Das Beinhaus in Oppenheim ist das größte seiner Art in Deutschland und wurde über Jahrhunderte „gefüllt“. Doch wie kam es zu diesem makabren „Denkmal“?
Wie die „Katholische Sonntagszeitung“ berichtet, haben in dem Beinhaus in Oppenheim etwa 20.000 Bürger der Stadt ihre letzte Ruhe gefunden. Sie verstarben zwischen den Jahren 1400 bis 1750. Damals war es aus schlichtem Platzmangel Usus, Tote nach einer gewissen Liegezeit in ein solches Ossuarium umzubetten. Und so kamen die Knochen und Schädel schließlich nach und nach in die etwa 70 Quadratmeter große Michaelskapelle hinter der Kirche.
Opfer von Seuchen, Kriegen und Hungersnöten
Dass man die Toten umbettete, hatte auch einen anderen Grund. Zur damaligen Zeit war es nicht unüblich, dass wilde Hunde oder auch Schweine sich an frischen Gräbern gütlich taten, und dabei die sterblichen Überreste armer Seelen wieder ausbuddelten. Schuld an der rasanten Füllung des örtlichen Friedhofs und der Notwendigkeit des Beinhauses in Oppenheim waren zahlreiche Kriege, Seuchen und Hungersnöte.
Die Kapelle wurde dem Erzengel Michael geweiht, der dem Glauben nach am Tag des Jüngsten Gerichts über die Verstorbenen urteilen sollte. Der Bau des Beinhauses in Oppenheim hatte aber wohl noch einen anderen Grund. Der Anblick der sterblichen Überreste bestärkte den Glauben der Menschen an das Fegefeuer, von dem sie sich zu Lebzeiten mit teils großzügigen Spenden an die Kirche freizukaufen versuchten. Laut Auslegung konnte die Seele dadurch gereinigt und so das ewige Leben erlangt werden.
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Der goldene Totenschädel
Obwohl mit der Reformation die meisten dieser Orte in Europa aufhörten zu „praktizieren“, nahm das Beinhaus in Oppenheim eben noch bis 1750 neue Schädel und Knochen auf. Sie überstanden sogar Renovierungen, nach denen man sie jedes Mal neu aufschichtete. Heute bedecken die sterblichen Überreste in vier großen Stapeln die Kapellenwände. Um die Totenruhe nicht zu stören, darf man das Ossuarium heute nicht betreten. Aber man kann das makabre „Diorama“ durch eine vergitterte Tür betrachten, so lange man möchte.
Dabei dürfte wohl vor allem ein besonders skurriles Relikt auffallen, nämlich ein goldener Schädel. Der gehörte aber nicht etwa einem besonders wohlhabenden Bürger, sondern ist schlicht eine Filmrequisite. Nachdem einst Studenten im Beinhaus in Oppenheim gedreht hatten, durfte der goldene Totenkopf hier verbleiben. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen echten menschlichen Schädel mit goldenem Anstrich. Und natürlich hat ein so unheimlicher Ort, wie das Beinhaus, auch eine düstere Legende. So sollen sich am Vorabend des Beginns des Siebenjährigen Krieges (1756-63) die Gebeine um Mitternacht erhoben und eine Stunde lang gegeneinander gekämpft haben.
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Auch heute kommen noch Knochen in das Beinhaus
Übrigens wächst das Beinhaus in Oppenheim noch heute, denn immer noch bringt man Schädel und Knochen hierher. Diese gehören aber nicht etwa jüngst Verstorbenen. Es handelt sich vielmehr um historische Skelette, die bei Bauarbeiten oder archäologischen Ausgrabungen entdeckt werden.
Das Beinhaus in Oppenheim kann man heute während der Öffnungszeiten der Katharinenkirche besuchen. Es befindet sich im Untergeschoss der Michaelskapelle. Auch heute werden in der Kapelle noch kleinere Gottesdienste und Andachten gefeiert. Die Öffnungszeiten finden sich auf der offiziellen Webseite des Gotteshauses. Der Eintritt ist kostenlos.