Die Quinta das Lágrimas im portugiesischen Coimbra ist heute ein Luxushotel. Der Name lässt sich etwa mit „Anwesen der Tränen“ übersetzen (eine Quinta ist ein Anwesen und „Lágrimas“ sind „Tränen“) und ist wohl auf seine dramatische Geschichte zurückzuführen: eine Sage, die sich wie die portugiesische Version von „Romeo und Julia“ liest. TRAVELBOOK war vor Ort und hat sich die blutigen Überreste von Portugals toter Königin Inês des Castro an dem Ort angeschaut, an dem sie ermordet wurde.
Eine tragische Liebesgeschichte, ein trauernder Geist und seine menschlichen Überreste führen mich in die Gärten des Quinta das Lágrimas, einem Luxushotel, in Coimbra im Landesinneren von Portugal. Es ist ein strahlend-schöner Novembertag – und ich finde es schwierig, mir vorzustellen, dass mir heute ein weinender Geist begegnen könnte. Aber abwarten.
Am Eingang des Anwesens steht ein Kassenhäuschen. 2,50 Euro kostet der Eintritt in die Gärten und den Golfplatz. Gäste vom Luxushotel dürfen hier kostenlos herumlaufen. Direkt hinter dem Kassenhäuschen liegt die Driving Range. Ein einzelner Mann mittleren Alters und mit hellblauer Corona-Maske schlägt konzentriert auf einen Golfball ein, bis der da landet, wo er vielleicht hin soll. Ich laufe weiter, an einem weiteren kleinen Golfplatz vorbei. Die Sonne kann ich wegen einer Vielzahl großer Bäume jetzt weder sehen noch spüren. In ein paar von ihnen hängen rote Schleifen. Symbole für den einstigen portugiesischen König Dom Pedro I. (1320 bis 1367) und seine posthume Königin Inês de Castro (1325 bis 1355) und damit dem Liebespaar, das hier ein dramatisches Ende fand? Vermutlich. Ich laufe weiter und erreiche ein neogotisches Steinportal aus dem 19. Jahrhundert mit einem großen Fenster darin, daneben liegt die Fonte dos Amores, die Liebesquelle.
Eine Frau steht hier ganz still am fensterglaslosen Fenster, lächelnd. Sie bewegt sich nicht, zeigt keine Regung, als ich an ihr vorbeilaufe. Steht da und lächelt. Hinter einem großen Baum kniet ein Mann, fotografiert einen anderen Baum. Die Frau steht weiter da, lächelnd, regungslos. Ich trete durch das Portal und sehe einen kleinen, von einer Mauer begrenzten Bach links daneben, darüber ein Schild: „Fonte do Amores, 1326“. Ein riesiger Baum mit ausladenden Wurzeln steht hier – ein Ficus Macrophylla, wie mir der Flyer erklärt. Dazu jede Menge Bambusstämme, an denen viele rote Schleifen hängen. An diesem Ort sollen sich der Thronfolger und seine Geliebte heimlich getroffen haben.
Blutspuren am Luxushotel in Portugal nach 650 Jahren
Ich laufe weiter in die Richtung, in der ich den Fonte das Lágrimas (zu Deutsch etwa: die „Quelle der Tränen“) vermute. Das ist der Ort, an dem Inês ermordet wurde und heute geistern soll. Angeblich befinden sich hier noch immer Überreste von ihr. Da ist die Quelle selbst, die der Legende nach aus den Tränen Inês‘ entstanden sein soll. So steht es auf dem Flyer, den ich am Eingang bekommen habe. Und noch mehr und etwas morbidere Überreste sollen hier sein: Blutspuren am Grund. Und tatsächlich, als ich näher komme sehe ich die vermeintlichen Blutflecken.
Graue Steine liegen hier als Boden der Quelle, die sind zum Teil grün bewachsen, an anderen Stellen sind sie rot statt grau. Der Flyer erklärt: „Das Blut Inês‘ bleibt auf den Steinen des Kanals, noch immer rot nach 650 Jahren…“ Auf einer Steintafel neben dem kleinen Kanal steht ein Gedicht von Luís de Camões, Nationaldichter von Portugal.
Der Kanal selbst führt in ein großes steinernes Becken. Ich setze mich in der Nähe auf eine Bank, ganz still. Lasse den Ort am Luxushotel auf mich wirken. Die Stimmung ist hier anders als noch wenige Meter entfernt. Sehr ruhig, nichts bewegt sich, kaum ein Geräusch ist zu hören. Nur in der Ferne irgendwo ein Auto, aber irgendwie dumpf. Ich schaue rüber zu dem Ort, an dem Inês von drei Höflingen des portugiesischen Königs Afonso IV. (1291 bis 1357) im Jahr 1355 ermordet wurde. Ich finde es schwierig, die Szene nicht zu sehen, die sich vor meinem inneren Auge abspielt: Eine Frau, die hier Tränen überströmt von drei Männern erstochen und dann enthauptet wird. Laut einem Editorial von Google Arts & Culture während eins ihrer Kinder dabei zuschaute.
Die tragische Liebesgeschichte von Pedro und Inês
Warum wurde die Adlige aus dem spanischen Galicien ermordet? Sie liebte einen Mann, dessen Vater der König von Portugal war und der Angst um das fragile Machtgefüge seines Landes hatte. Das ist die Kurzform. In der längeren Version klingt es nach Shakespeares „Romeo und Julia“ von Portugal.
Inês und Pedros tragische Liebesgeschichte begann, als Inês, ihrerseits Tochter eines Lords aus Galicien und einer portugiesischen Mutter, 1339 als Hofdame der kastilischen Constança Manuel (1318 bis 1345) an den Hof König Afonsos IV. von Portugal kam. Constança sollte Afonsos Sohn Pedro heiraten, um das Bündnis zwischen Portugal und Kastilien zu festigen. Das geschah, obwohl Pedro sofort bei der Ankunft seiner Braut ein Auge auf die damals 14-jährige Inês warf – und die beiden in der Folge eine leidenschaftliche und nicht ganz heimliche Teeanger-Beziehung führten. Constança versuchte, die Affäre ihres Ehemanns zu unterbinden, indem sie Inês zur Patin ihres ersten gemeinsamen Sohns Luís ernannte, was Inês praktisch zum Familienmitglied und die Beziehung zwischen Pedro und ihr inzestuös machte. Luís starb wenig später und Inês und Pedro setzten ihre Romanze fort.
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In der Folge kriselte es zwischen Pedro und Constança, was sich auch auf die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den beiden Königreichen Portugal und Kastilien auswirkte. Afonso schickte Inês 1344 weg, doch auch das konnte die Liebenden nicht trennen: Sie schrieben sich sehnsüchtige Briefe, die angeblich mit einem kleinen Holzboot durch die Kanäle geschippert wurden. Ein Jahr, nachdem Inês nach Spanien ins Exil geschickt worden war, starb Constança bei der Geburt ihres dritten Kindes Fernando – und Pedro verlor keine Zeit, seine Geliebte zurück an den Hof zu holen. Gegen den Willen des Königs, der Inês ins Kloster in Coimbra verbannte.
Der König versuchte, seinen Sohn mit einer geeigneten Prinzessin aus Kastilien zu vermählen. Der lehnte das aber nicht nur ab, sondern lief sogar davon, um mit Inês zu leben. Gemeinsam bekamen sie in den folgenden Jahren vier Kinder und die Familie Castro soll trotz des verbliebenen und legitimen Thronerben, Constanças zweitem Sohn Fernando, Ansprüche auf den Thron erhoben haben.
Afonso versuchte weiterhin, das Paar auseinanderzubringen und entschied schließlich, dass Inês‘ Tod die einzig mögliche Lösung sei (als zukünftige Königin kam sie wegen ihres Stands sowie politischer Verflechtungen nicht in Frage). Im Angesicht seiner Enkel soll der König sich das aber nochmal anders überlegt haben, heißt es bei Arts & Culture. Trotzdem sollen die drei angeheuerten Attentäter den König soweit überzeugt haben, dass er ihnen die Entscheidungsgewalt übergab. So wurde Inês schließlich im Kloster, an der Stelle, wo heute die roten Steine zu sehen sind, erstochen und enthauptet.
Die tote Königin von Portugal
Pedro erklärte seinem Vater daraufhin den Krieg. Der Sohn wurde zwar schnell besiegt, Afonso starb jedoch zwei Jahre nach Inês, woraufhin Pedro den portugiesischen Thron bestieg. Ein paar Jahre später konnte der neue König zwei der drei Mörder seiner Geliebten ausfindig machen und rächte sich brutal. Der Legende nach sollen die Mörder mit den Händen an Pfosten festgebunden und ihnen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust gerissen worden sein, als Symbol für das, was sie Pedro angetan hatten. Und das war nicht das einzig, sagen wir mal, extreme Verhalten Pedros.
Nachdem der Mann den Thron bestiegen hatte, erklärte er, dass er Inês vor ihrem Tod heimlich geheiratet habe und ihre Kinder entsprechend Thronerben seien. Pedro soll die posthume Königin anschließend aus ihrem Grab geholt und auf den Thron gesetzt haben. Dort soll sie gekrönt worden sein und Geistliche, Adel und Volk mussten ihr die Treue schwören und ihren Rocksaum küssen. Angeblich zumindest. Denn laut Arts & Culture wird dieser Teil der Geschichte erst seit 1500 erzählt. Auch die Inês-de-Castro-Stiftung spricht an dieser Stelle von einer symbolischen Hommage an die zur Königin erklärten Inês und verschiebt den Teil mit der Leiche auf dem Thron ins Reich der Fantasie.
Nichtsdestotrotz, die traurige Liebesgeschichte ist an diesem Ort zu spüren. Und wegen der diversen Schilder, Tafeln und Schleifen auch schwer zu übersehen.
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Vom Mordplatz zum Luxushotel Quinta das Lágrimas
Nicht weit entfernt von dem Ort des Mordes und der heimlichen Liebesquelle steht eine prachtvolle Villa mit einer ausladenden, geschwungenen Außentreppe, der Kern vom heutigen Luxushotel. Drumherum gibt es Gärten, Golfplätze und neuere Gebäude, die ebenfalls zur Hotelanlage gehören.
Die Geschichte des Anwesens ist bis ins Jahr 1326 zurückdatiert. In diesem Jahr ließ Königin Isabel (später: die heilige Elisabeth von Portugal, 1271 bis 1336), Pedros Großmutter, einen neuen Kanal erbauen, der das Quellwasser des Anwesens zum nahegelegenen Kloster Santa Clara-a-Nova leiten sollte. Das Luxushotel Quinta das Lágrimas wurde im Jahr 1995 eröffnet und gehört heute zur renommierten Gruppe der Small Luxury Hotels of the World. Neben dem prachtvollen Ursprungsgebäude entstand 2004 der neue Flügel, 2006 wurden die Gärten renoviert und an die Inês-de-Castro-Stiftung gespendet.