5. November 2023, 7:02 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Verteidigungsanlage, königliches Schloss, Schatzkammer, Waffenlager, Gefängnis, Münzprägerei. In seiner fast 1000-jährigen Geschichte hat der Tower of London zahlreiche Funktionen gehabt – und war auch Schauplatz grausamer Morde und Hinrichtungen. Heute ist die Anlage wegen ihrer einzigartigen Vergangenheit eine der größten Touristenattraktionen der englischen Hauptstadt.
Am Nordufer der Themse steht im Bezirk Tower Hamlets in London die wohl bekannteste Festung von Großbritannien. Die Rede ist vom Tower of London, einer mächtigen, fast 1000 Jahre alten Burg. Ursprünglich erbaut als Verteidigungsanlage und bei den Londonern verhasst, diente sie in ihrer langen Geschichte schon vielen Zwecken. Sie war aber auch Schauplatz einiger der abscheulichsten Verbrechen in der Geschichte des englischen Königshauses. Und auch heute noch ist sie von großer Bedeutung und hütet einen Schatz von geradezu unvorstellbarem Wert.
Es ist das Jahr 1066, als der Normanne Wilhelm der Eroberer sich am Weihnachtstag zum neuen König von England krönen lässt. Als Usurpator und Fremdherrscher beim Volk von Anfang an verhasst, lässt er laut der Seite „Historic Royal Palaces“ zur Festigung seiner Machtansprüche nur wenig später mit dem Bau einer noch nie gesehenen Festungsanlage beginnen. Wilhelm fürchtet eine Rebellion, und möchte sich entsprechend schützen. Es ist die Geburtsstunde des Tower of London, etwa 20 Jahre bauen Steinmetze aus der Normandie und einfache englische Arbeiter an dem massiven Gemäuer, das heute den Namen White Tower trägt, also der Weiße Turm. Er ist es auch, nach dem die gesamte Anlage schließlich schlicht Tower benannt wird.
Legendärer Schatz
Bis in das 17. Jahrhundert hinein bauen Wilhelms Nachfolger auf dem englischen Thron dann den Tower of London zu einem heute mehrere Hektar großen Komplex mit insgesamt 13 Türmen aus. Und dieser dient im Laufe der Geschichte verschiedensten Zwecken. So gebraucht man ihn nicht nur als Verteidigungsanlage, sondern auch als königliches Schloss, Schatzkammer, Waffenarsenal, Gefängnis und Münzprägerei. Unter Heinrich III. und Edward I erhält der Tower mächtige Schutzmauern und seine kleineren Türme, auch lässt man den Wassergraben um die Anlage herum verbreitern. Die Festung dient damals nicht nur zum Schutz, sondern auch als repräsentativer Eingangspunkt zur Stadt.
Heinrich III. ist es auch, der 1240 Wilhelms Hauptturm weiß streichen lässt, bis heute ist er daher unter dem Namen Weißer Turm bekannt. Bis zum 17. Jahrhundert dient der Tower of London den britischen Königsfamilien als Schutzburg in unsicheren Zeiten – und die Zeiten sind eigentlich immer unsicher. Als Englands größte und stärkste Festung bietet die Anlage verlässlichen Schutz vor allen denkbaren Fährnissen. Von 1272 bis 1810 befindet sich im Tower auch die königliche Münze, wo das Geld geprägt wird. Doch immer noch hütet die Festung einen noch viel größeren Schatz, nämlich die Kronjuwelen. Die Sammlung, die Besucher heute bestaunen können, hat laut der offiziellen Tourismus-Webseite der Stadt London den unfassbaren Wert von mehr als 20 Billionen Britischen Pfund (gut 23 Billionen Euro).
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Hinrichtungen und blutige Verbrechen
Doch es ist auch und wohl vor allem die dunkle Vergangenheit des Ortes, die heute bis zu drei Millionen Touristen jährlich in den Tower of London lockt und bereits seit 1988 zum Unesco-Welterbe gehört. Denn die Festung war nicht nur 800 Jahre lang ein gefürchtetes Gefängnis, sondern auch Schauplatz zahlreicher Hinrichtungen und blutiger Morde. Und wirklich niemand ist sicher: So trifft es zum Bespiel 1471 König Heinrich VI., der mutmaßlich beim Gebet in der königlichen Privatkapelle umgebracht wird. Ein anderes Verbrechen, das hier stattfand, konnte sogar erst nach mehreren Jahrhunderten geklärt werden.
1483 verschwinden die beiden Söhne von Edward IV. innerhalb der Mauern des Tower of London spurlos. Die Jungen, zehn und zwölf Jahre alt, bleiben vermisst, bis man schließlich 1674 ihre sterblichen Überreste findet. Doch erst eine Untersuchung mit moderner Technik im Jahr 1993 konnte zweifelsfrei belegen, dass es sich bei den Skeletten um die der mutmaßlichen jungen Mordopfer handelte. Und auch zahlreiche Hinrichtungen fanden im Laufe der Jahrhunderte im Tower statt. Das berühmteste Opfer ist vermutlich Anne Boleyn, die nur drei Jahre nach ihrer Hochzeit mit Heinrich VIII. im Tower enthauptet wurde. Mit Catherine Howard und Lady Jane Grey traf es noch zwei weitere englische Königinnen. Letztere, bei ihrem Tod gerade einmal 17 Jahre alt, hatte zuvor nur neun Tage auf dem britischen Thron gesessen.
Geister und Raben
Nach den Exekutionen verscharrte man die Leichen der Damen einfach unter der Kapelle. Erst seit dem Jahr 1876 erinnern richtige Gräber hier an ihr grausames Ende. Noch im Ersten Weltkrieg erschoss man in den Mauern des Tower übrigens deutsche Spione. Ob all dieser Gruselgeschichten nimmt es nicht Wunder, dass es im Tower of London bis heute spuken soll. So gehe der Geist von Ane Boleyn in den alten Gemäuern um, wie man sich erzählt. Auch die Gespenster der beiden verschwundenen Prinzen werden bis heute immer wieder gesichtet. Und mitunter soll hier sogar ein riesiger Geister-Bär sein Unwesen treiben.
Eine andere Legende besagt, dass im Tower of London immer mindestens sechs Raben leben müssen. Würden sie den den Turm verlassen, ginge das britische Königshaus unter, so der Aberglaube. Konkreter, wenn sich weniger als sechs der Vögel in der Anlage befinden. Daher hält man hier seit jeher mindestens sieben der intelligenten Tiere. Die Mär geht zurück auf das 17. Jahrhundert und König Charles II. Diesem wurde damals der Untergang der Royals angekündigt, sollten die Raben einst verschwinden. Ein Rabenwärter wohnt sogar bis heute im Tower, um sich immer um die Vögel kümmern zu können.
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Das gibt es zu sehen
Und er ist nicht der einzige menschliche Bewohner des Tower of London. Angehörige der berühmten Wache Yeomen Warders leben hier mit ihren Familien genauso wie ein hauseigener Vorstand, der auch der Wächter über die Kronjuwelen ist. Außerdem ein Trupp Soldaten, ein Arzt und ein Kaplan. Damit es ihnen auch nach Feierabend garantiert nicht langweilig wird, gibt es im Tower für sie einen eigenen Pub. Wer die Anlage als Tourist besuchen möchte, hat dazu Dienstag bis Sonntag von 9 bis 17.30 Uhr die Gelegenheit, montags erst ab 10 Uhr. Die letzte Tour mit einem Yeoman Warder findet jeweils um 15.30 Uhr statt und ist im Ticketpreis mit inbegriffen. Dieses kostet aktuell für Erwachsene allerdings satte 39,50 Euro, Kinder bis 15 Jahre zahlen 20,50 Euro, 16-17-Jährige und Studenten sowie auch Senioren ab 65 Jahren schon 31,50 Euro.
Bei den Führungen kann man dann die Kronjuwelen genauso bestaunen wie die Gefängniszellen, in denen die mitunter royalen Insassen auf ihre Hinrichtung warteten. Ein Rundgang über die Burgmauer des Tower of London ist ebenso im Preis mit inbegriffen wie die zahlreichen Ausstellungen. Zu sehen ist hier etwa die königliche Münz- und Waffensammlung, zu der auch alte Rüstungen gehören. Auch die alte Stätte der Hinrichtungen kann man besichtigen, und natürlich die legendären Tower-Raben sehen. Und so geht die Geschichte der vielleicht berühmtesten Festung in England auch nach fast 1000 Jahren weiter.