7. März 2023, 15:18 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
In der kleinen tschechischen Gemeinde Luková steht eine Kirche, deren Bänke von Dutzenden geisterhaften Gestalten besetzt sind. In weiße Laken gehüllt sitzen die gesichtslosen Wesen da und schweigen. TRAVELBOOK sagt, was hinter dem wahrlich gruseligen Anblick steckt.
Schon von außen wirkt die St.-Georg-Kirche in Tschechien wie ein Ort, an dem man sich nicht gerne alleine aufhält, vor allem nicht nachts. In der Kirche, welche von einem Friedhof umgeben ist, geht es unheimlich zu: Im nur spärlich durch Kerzen beleuchteten Raum sitzen stumme Gestalten, in jeder Bank zwei. Die Kapuzen ihrer Gewänder haben sie tief ins Gesicht gezogen, – doch halt! Bei näherem Betrachten bemerkt man, dass weder Augen, Nase noch Mund vorhanden sind. Dort, wo das Gesicht sein müsste, klafft ein schwarzes Loch.
Bei den gesichtslosen Kirchenbesuchern handelt es sich nicht um eine Ansammlung von Geistern, jedenfalls nicht um echte – sondern um eine Kunst-Installation. Sie stammt vom tschechischen Künstler Jakub Hadrava, der die Kirche als Austragungsort für seine Bachelorarbeit wählte. Mit seiner Kunst-Installation wollte er jedoch auch gleichzeitig dabei helfen, die Kirche zu retten und die Öffentlichkeit auf ihren schlimmen Zustand aufmerksam machen.
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Kirche wurde schwerbeschädigt
Die St.-Georg-Kirche blickt auf eine lange Geschichte zurück: Erbaut wurde sie schon im Jahr 1352 im damaligen Böhmen. Als die Kirche Ende des 18. Jahrhunderts ausbrannte, baute man sie im neoromanischen und neogotischen Stil wieder auf. Im Jahr 1968 dann stürzte während einer Beerdigung das Dach ein. Die Bewohner von Luková erkannten darin ein schlechtes Omen, einen Fluch, und zogen es fortan vor, die Messen außerhalb der Kirche abzuhalten. Seitdem rottete das Gotteshaus vor sich hin, war außen wie innen schwerbeschädigt.
Die gruselige Kunst-Installation von Jakub Hadrava bedeutete für die St.-Georg-Kirche die Rettung. Denn immer mehr Touristen kommen seither nach Luková, um die „Geisterkirche“ zu sehen. „Ich wollte die Kirche für Besucher attraktiv machen und so versuchen, Geld für die Renovierung aufzubringen“, sagt Hadrava der britischen Zeitung „Daily Mail“ im Jahr 2014. Sein Plan hatte Erfolg.
Bis zu 32 Geisterfiguren
Anfangs waren es nur neun Skulpturen, gefertigt aus Gips. Nach und nach kamen immer mehr dazu. Im Jahr 2017 saßen insgesamt 32 Geisterfiguren zwischen den Bänken der St.-Georg-Kirche. „Die Figuren stellen die Geister der Sudetendeutschen dar, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Luková lebten und jeden Sonntag zum Beten in diese Kirche kamen“, erklärt der Künstler. Mit seinem Werk wolle er der Welt zeigen, dass dieser Ort eine Vergangenheit habe und das der Glaube früher ein fester Bestandteil für viele Menschen war, welcher auch einen großen Einfluss auf ihre Persönlichkeitsbildung hatte.
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Touristen kommen aus aller Welt
Die meisten Besucher kommen aus Deutschland und Großbritannien. Sogar Touristen aus Brasilien, Australien und Japan haben sich schon in das 700-Einwohner-Dorf im Nordosten von Tschechien verirrt, um einmal zwischen Geistern in der St.-Georg-Kirche sitzen zu können. Im Jahr 2021 besuchten 14.650 Menschen die St.-Georg-Kirche.
Mit dem freiwilligen Eintrittsgeld der Besucher und weiteren Spenden konnte mittlerweile das Dach der Kirche repariert und das Gebäude insgesamt stabilisiert werden. Außerdem wurden neue Stützmauern aus Schiefer hergestellt und es wurde mit der Sanierung des Kirchturms begonnen. Seitdem müssen die Messen nicht mehr im Freien abgehalten werden – stattdessen sitzen die Kirchgänger wieder auf den Bänken im Inneren, neben und zwischen den Geistern. Denn die dürfen vorerst bleiben.