3. Juni 2023, 14:17 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Das Gefängnis Kilmainham Gaol in Dublin war lange Zeit ein Ort des Schreckens. Dennoch begingen Menschen in Irland zeitweise absichtlich kleinere Verbrechen, um hier zu landen. Legendär wurde das Gefängnis aber endgültig durch die Rolle, die er bei Irlands Unabhängigkeits-Kampf spielte.
Es ist das Jahr 1796, als in Dublin, der heutigen Hauptstadt von Irland, ein neues Gefängnis eröffnet. Das alte litt unter katastrophalen Bedingungen, war hoffnungslos überfüllt und sogar in den Augen der Lokalpolitiker zu unsicher geworden. Nun, nach zehn Jahren Bauzeit und Kosten von damals astronomischen 22.000 Pfund, wird, direkt auf dem alten Galgenhügel, das Kilmainham Gaol „eingeweiht“. Zu diesem Zeitpunkt ahnt natürlich noch niemand, welche tragende Rolle das Gefängnis einmal in Irlands Geschichte spielen soll.
Zunächst einmal aber macht das Kilmainham Gaol laut der offiziellen Seite des Ortes genau dort weiter, wo das alte Gefängnis aufgehört hat. Auch der neue Knast ist völlig überbelegt, bis zu fünf Gefangene teilen sich mitunter Zellen, die für nur eine einzige Person ausgelegt sind. Toiletten gibt es nicht, die Insassen müssen sich stattdessen mit Eimern behelfen. Die einzige Licht- und gleichzeitig Wärmequelle stellen Kerzen dar, so dass es einen Großteil der Zeit in vielen Räumen sowohl kalt als auch dunkel ist. Erst knappe 50 Jahre später werden die ersten Gaslampen installiert.
Apokalyptische Zustände
Aufgrund des Platzmangels können männliche und weibliche Häftlinge im Kilmainham Gaol nicht voneinander getrennt werden, und sogar Kinder sperrt man einfach zu den restlichen Gefangenen. Die massive Überbelegung führt zu katastrophalen hygienischen Bedingungen und damit zu Krankheiten. Der Gesundheitszustand vieler der Insassen ist alarmierend. Die untragbaren Verhältnisse rühren daher, dass man in dem Gefängnis auch geistig kranke Menschen einsperrt. Zudem ist das Gaol ein Auffanglager für Menschen, die wegen verschiedenen Vergehen nach Australien abgeschoben werden sollen. Im Laufe der Geschichte des Gefängnisses werden mehr als 4000 Menschen von hier aus in die Strafkolonie verschifft.
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Spätestens ab 1845 werden die Zustände im Kilmainham Gaol dann endgültig apokalyptisch. In diesem Jahr bricht in Irland eine große, mehrere Jahre andauernde Hungersnot aus, da ein aus Südamerika eingeschleppter Schädling die (Kartoffel-)Ernten vernichtet. In der Folge begehen zahlreiche Menschen absichtlich Verbrechen, um im Gefängnis zu landen – denn hier ist zumindest eine gewisse Grundversorgung mit Nahrung gewährleistet. Die Strafanstalt reagiert, indem sie ihre ohnehin schon kärglichen Rationen weiter reduziert, um künftig keine Anreize mehr zu schaffen.
Kleinkinder werden mit ihren Müttern eingesperrt
Gleichzeitig wird 1847 aber Bettelei unter Gefängnisstrafe gestellt, was dem Kilmainham Gaol inmitten der Hungersnot natürlich noch mehr Insassen beschert. Trotz der mageren Diät, die oft aus nicht mehr als Mais, Milch, Brot und Suppe oder Haferschleim besteht, werden die Häftlinge zur Arbeit gezwungen. Im sogenannten „Stonebreaker’s Yard“ klopfen sie Steine, Frauen malochen meist in der Wäscherei und/oder stellen Gefängniskleidung her.
Das Kilmainham Gaol ist von Anfang an ein Spiegel der Gesellschaft. So können sich Häftlinge mit Geld ihre Zellen selbst nach Belieben einrichten. Der Großteil jedoch ist mittellos und somit der Gefängnis-Willkür ausgeliefert. Menschlichkeit zeigt sich an diesem Ort daran, dass manche Häftlinge sich um die geistig Kranken Insassen kümmern. Kinder, die Strafen von mehr als zwei Wochen absitzen, erhalten Schulunterricht. Frauen, die Kinder unter zwölf Monaten haben, leben nicht selten mit diesen bis zum Ende ihrer Haft zusammen. Erst 1861, nach der Einweihung des neuen Ostflügels, werden weibliche und männliche Häftlinge endlich getrennt.
Kampf um Irlands Unabhängigkeit
Und sind die meisten Insassen im Kilmainham Gaol kleine Verbrecher, so dient das Gefängnis von Anfang an auch als Sammelbecken für politische Gefangene. Bereits 1798 wird hier Henry Joy McCracken, einer der frühen Kämpfer für die Unabhängigkeit Irlands von der britischen Krone, nach einem niedergeschlagenen Aufstand hingerichtet. 1803 stirbt Rebellenführer Robert Emmet in dem Gefängnis, auch er ein Verfechter der irischen Sezession. Zuvor hatte er mit seinen Gefolgsleuten erfolglos versucht, Dublin Castle zu besetzen, den damaligen Sitz der britischen Regierung in Irland.
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Die prägendsten Jahre für das Kilmainham Gaol sind wohl aber jene von 1910 bis 1924. Aus ökonomischen Gründen wird das Gefängnis 1911 vorerst geschlossen und an die Britische Armee übergeben. Diese nutzt es zunächst als Lager für Rekruten im Ersten Weltkrieg, aber auch wieder als Strafanstalt, diesmal für Soldaten. 1916 dann kommt es zum sogenannten „Oster-Aufstand“, bei dem irische Separatisten strategische Schlüsselstellen in Dublin besetzen und eine eigene Republik ausrufen. Nach sechstägigen Kämpfen schließlich gelingt es der britischen Armee jedoch, die Aufrührer zu besiegen.
Die gewaltsame Geburt einer Nation
Für deren Anführer ist es das Todesurteil, und so werden 14 von ihnen im Kilmainham Gaol zwischen dem 3. und 12.Mai 1916 erschossen. Joseph Plunkett, einer der Rebellen, heiratet in der Gefängniskapelle noch in der Nacht vor seiner Hinrichtung seine Freundin Grace Gifford. Englands gnadenloses Vorgehen gegen die Aufständischen lässt die öffentliche Stimmung jedoch schnell kippen.
1918 erringt die irisch-nationalistische Partei Sinn Féin daher bei den General-Wahlen eine Vielzahl der Stimmen in der irischen Bevölkerung. Statt jedoch wie vorgesehen ihre Abgesandten im britischen Parlament in Westminster einzusetzen, gründet man mit dem Dáil im Juni 1919 eine eigene Regierung. Es folgt fast zwangsläufig eine neue Unabhängigkeitserklärung und auf diese ein Sezessions-Krieg, in dessen Folge Irland 1921 schließlich seine Souveränität erhält. Daraufhin bricht bereits 1922 ein Bürgerkrieg in dem neuen Staat aus, weswegen auch das Kilmainham Gaol als Gefängnis reaktiviert wird.
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Heute eine Gedenkstätte
1924 dann schließt der berüchtigte Knast für immer seine Pforten als Besserungsanstalt. Mit Eamon de Valera verlässt in diesem Jahr der letzte Häftling überhaupt das Kilmainham Gaol. 42 Jahre später wird er es, mittlerweile Präsident von Irland, wieder eröffnen. Dieses Mal allerdings nur als Gedenkstätte für den Ort, an dem die Unabhängigkeit seines Landes den wohl wichtigsten Impuls bekam. Bis heute werden an dem historischen Ort regelmäßig Gedenkveranstaltungen abgehalten.
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Wer Irlands wohl berühmtestes Gefängnis besuchen will, muss dafür vorab eine geführte Tour buchen. Erwachsene zahlen aktuell 8 Euro Eintritt, Kinder ab 12 Jahren und Studenten 4 Euro, Senioren ab 60 Jahren 6 Euro fällig. Der Veranstalter weist darauf hin, dass es besonders in den Wintermonaten sehr kalt in dem Gebäude ist. Ein Gefängnis-eigenes Museum gibt Aufschluss über die Geschichte des Ortes. Laut der offiziellen Seite der irischen Regierung besuchen jährlich mehrere hunderttausend Menschen das Kilmainham Gaol. Den Ort, der maßgeblich mitverantwortlich ist für die Unabhängigkeit eines ganzen Landes.