9. Januar 2020, 6:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Hyde Park in London ist das Heim zahlreicher toter Tiere. Am Eingang Victoria Gate befindet sich der gut versteckte Hyde Park Dog Cemetery, ein Tierfriedhof aus dem 19. Jahrhundert. TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel hat ihn gesucht.
Verschnörkelte schwarze Eisentore sichern das Victoria Gate an der Baywater Road in London. Gleich dahinter befindet sich laut Google Maps auf der rechten Seite der Hyde Park Dog Cemetery. Ich sehe nur Büsche. Und Bäume. Und Blumen. Und Gras. Wenn man ganz genau hinschaut, lässt sich an einer Stelle hinter dem Grün der Hecke ein kleiner Grabstein erahnen. Ein Mann läuft an mir vorbei, schaut mich offensichtlich irritiert an. Vielleicht fragt er sich, wieso ich so konzentriert in die Büsche starre, ist doch hier nichts offensichtlich Spannendes zu sehen.
Ein Mensch nach dem anderen läuft vorbei. Keiner würdigt dem versteckten Friedhof auch nur einen Blick. Vermutlich, weil kaum ein Mensch weiß, dass sich hier ein Friedhof befindet. Der Tierfriedhof am Rand des Hyde Parks ist ein beinahe gut gehütetes Geheimnis. Beinahe, weil er längst entdeckt wurde und als einer der Spukorte der Londoner Hauptstadt gelistet wird. Geheimnis, weil er nicht nur von außen kaum einsehbar ist, sondern auch nicht ohne Weiteres betreten werden kann. Wer den Tierfriedhof sehen möchte, kann ein paar Mal im Jahr eine Tour buchen und dafür 10 Britische Pfund (umgerechnet knapp 12 Euro) zahlen.
Die Geschichte des Tierfriedhofs
Den Hyde Park Dog Cemetery gibt es bereits seit 1881. Er gilt als ältester öffentlicher Tierfriedhof Großbritanniens. „Cherry“ war der erste tote Hund, der hier begraben wurde. Wie verschiedene Medien, unter anderem der britische „Telegraph“, berichten, beerdigte der damalige Pförtner Mister Winbridge das Tier nach seinem altersbedingten Tod im April des Jahres im Garten der Victoria Lodge. Cherry gehörte Freunden des Pförtners, die ihn zu Lebzeiten regelmäßig im Hyde Park ausgeführt hatten.
Auf „Poor Cherry“ – wie es auf dem Grabstein des Maltesers geschrieben steht – folgte der zweite Bewohner des neuen Tierfriedhofs: „Prince“. Der Yorkshire-Terrier hatte Sarah „Louisa“ Fairbrother gehört, der Frau von Prinz George, dem zweiten Herzog von Cambridge. „Prince“ war buchstäblich unter die Räder einer Pferdekutsche gekommen, sein Todesurteil.
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Kleine Gräber, große Namen
Auf „Cherry“ und „Prince“ folgten Hunderte weitere Hunde und mindestens eine Katze. Laut „The Royal Parks“ liegen heute mehr als 1000 Tiere auf dem kleinen Stück des Hyde Parks begraben. Andere Quellen berichten von rund 300 Gräbern. Die beherbergen große Namen wie „King John“, „Plato“ oder „Duchess“, lustige wie „Whiskey“, „Pomme de Terre“, „Curly“ und „Dear Tiny“ sowie mitunter verstörende wie der (damals sicher nicht anstößig verstandene) „A King of Pussies“ oder „Scum“ und „Scamp“, deren Namensgebung schon die Frage aufwirft, ob ihre Besitzer die Vierbeiner wirklich leiden konnten. Sehr viel eindeutiger ist das bei Grab-Inschriften wie „Darling Cupid“, „Sandy. A faithful friend for 12 years” oder „In loving memory of Muffin, aged 15 years”, die vermuten lassen, dass die Tiere ein weitaus besseres Leben gelebt hatten als das Durchschnittstier Ende des 19. Jahrhunderts.
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Bereits 1903 wurde der Friedhof für weitere tote Tiere geschlossen. Allerdings soll erst 1967 das letzte Tier dort begraben worden sein: ein Maskottchen der Royal Marines. Heute gilt der Tierfriedhof im Hyde Park als ein von Geistern heimgesuchter Ort, vermutlich auch wegen seiner Nähe zum einstigen Hinrichtungsplatz Tyburn, auf dem Tausende Menschen erhängt wurden. Der Schriftsteller George Orwell soll den Tierfriedhof übrigens einst als „vermutlich schrecklichstes Spektakel in London“ beschrieben haben.
Weitere Infos zur „Hidden Stories of Hyde Park”-Tour, in deren Rahmen der Tierfriedhof besichtigt werden kann, gibt es auf der offiziellen Website The Royal Parks.