Direkt zum Inhalt wechseln
logo Deutschlands größtes Online-Reisemagazin
Grausame Verfolgungen

Triora – die italienische Hexen-Hauptstadt

Triora
Triora ist heute vor allem eines: ein sehr schönes Bergdorf. Doch hier spielte sich einst ein düsteres Kapitel in Italiens Geschichte ab. Foto: dpa Picture Alliance/Bildagentur-online/AGF-Foto | francesco tomasinelli
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

23. Oktober 2022, 8:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Triora in der italienischen Region Ligurien ist auch bekannt als das „Salem von Europa“. Diesen Titel verdankt es einem düsteren Kapitel in seiner Geschichte. Im 16. Jahrhundert brach hier eine Hexen-Panik aus, zahllose Menschen wurden verhaftet und gefoltert. Heute geht der kleine Ort ganz offen mit dieser dunklen Vergangenheit um.

Artikel teilen

In der italienischen Region Ligurien liegt, auf 765 Metern Höhe und eingerahmt von mächtigen Gipfeln, das Bergdorf Triora. Nur 300 Einwohner leben hier heute noch, und trotzdem ist der Ort ein kleiner Touristenmagnet in der Gegend. Und das liegt nicht nur an seiner Schönheit, sondern vor allem seiner düsteren Vergangenheit. Denn Triora ist auch bekannt für einen grausamen Hexen-Wahn, der hier im 16. Jahrhundert ausbrach.

Es ist das Jahr 1587, als laut „Italy Trails“ die Hölle über das kleine Bergdorf hereinbricht. Der wohlhabende Ort, eine wichtige Verteidigungsanlage der Republik von Genua, wird von einer verheerenden Missernte heimgesucht. Diese verursacht eine Hungersnot, führt zur Verarmung zahlreicher Bürger. Schuld daran sind offenkundig das zu heiße Wetter und anhaltende Trockenheit. Doch mit dieser Erklärung wollen sich viele Bewohner der Stadt nicht zufriedengeben. Sie beschuldigen stattdessen ein paar Frauen, die in der Armen-Siedlung La Cabotina außerhalb der Stadttore leben, der Hexerei. Und treten damit eine zwei Jahre anhaltende Hysterie los.

Auch interessant: Beliebte italienische Stadt führt Einbahnstraße für Fußgänger ein

Hexerei und Kannibalismus

Maps4News Platzhalter
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Maps4News
Um mit Inhalten aus Maps4News zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Der „Fehler“ der Frauen: Sie sind arm, und sie kennen sich zum Teil gut mit Heilkräutern aus. „Atlas Obscura“ zufolge werden zunächst einmal 20 junge „verdächtige“ Frauen zusammengetrieben. Aufgestachelt von den Messen in der Kirche, hatten Nachbarn oder andere Dorfbewohner sprichwörtlich mit dem Finger auf sie gezeigt – und damit teils unvorstellbaren Qualen ausgeliefert. Denn um noch mehr Dienerinnen des Teufels ausfindig zu machen, schreckt man in Triora auch vor Folter nicht zurück. Schon bald gibt es erste, erzwungene „Geständnisse“.

In der Folge landen 30 Frauen unter Folter in Kerkerhaft, im Laufe der Zeit wird die Zahl der der Hexerei angeklagten Personen auf 200 steigen. Man wirft ihnen (unter anderem) einen Pakt mit den Mächten der Finsternis und Kannibalismus vor. Genua schickt einen Inquisitor und einen Priester, um das teuflische Treiben in Triora zu untersuchen. Sie beginnen in der Folge mit den Prozessen gegen die vermeintlichen Hexen, die sich noch bis 1789 hinziehen sollten. Die Verurteilten schickt man in Gefängnisse in Genua. Zahlreiche von ihnen kehren nie mehr lebend zurück.

Auch interessant: Salem: Die einstige Hexen-Hauptsadt der USA

Zahlreiche Tote

So stirbt eine Frau schon vor Beginn der „Verhandlungen“ an der Folter. Eine andere stürzt sich aus einem Fenster in den Freitod. In den Gefängnissen von Genua und Triora sterben in den nächsten zwei Jahren noch einmal insgesamt 12 Personen. Auffällig aus heutiger Sicht: Waren zunächst einmal vor allem arme Frauen der Hexerei angeklagt, verlagerte sich der Hexen-Wahn schnell auf solche, die überwiegend aus wohlhabenden Familien kamen.

Mittlerweile wird vermutet, dass einige Familien den Hexen-Hype in Triora dazu benutzten, missliebige Konkurrenten zu bekämpfen, bzw. sich an diesen zu rächen. Der Wahnsinn greift sogar auf andere Dörfer und Landstriche über, bis er 1789 dann langsam wieder abebbt. Bis dahin sind mindestens vier Frauen auf dem Scheiterhaufen gestorben, das Schicksal von zahllosen weiteren verliert sich im Dunkel der Geschichte. Umso erstaunlicher ist es, wie offen Triora heute mit seiner düsteren Vergangenheit umgeht.

Auch interessant: Ordnen Sie diese 10 deutschen Städte den richtigen Buchstaben zu!

Mehr zum Thema

Die Hexen werden heute gefeiert

Triora
Eine Frau streicht als Hexe gekleidet durch das historische Dorf Triora, das wegen der Hexenprozesse im Mittelalter auch das „Salem von Europa“ genannt wird Foto: dpa Picture Alliance/La Presse

Denn hier versucht man nicht etwa, dieses Kapitel unter den Teppich zu kehren. Im Gegenteil. So kann man sich im regionalen Museum für Ethnographie und Hexerei in gleich vier Räumen über das Thema informieren. Historische Dokumente belegen, wie in Triora einst verhört und gefoltert wurde. Überall in dem Ort kann man aber auch Hexen-Souvenirs kaufen und sogar an Touren teilnehmen, die zu den früheren Häusern der Angeklagten führen. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der Berg Monte delle Forche, wo einige „Hexen“ auf dem Scheiterhaufen endeten. Und dann ist da noch der Besuch in dem ehemaligen Armenviertel La Cabotina. Dem Ort also, wo damals alles begann.

Auch interessant: Schloss Moosham: Österreichs grausige Hexenburg

Früher verfolgt, werden die Hexen zudem in Triora heute gefeiert. Jährlich gibt es im Sommer ein Hexenfestival, und natürlich wird auch Halloween hier ganz groß gefeiert. In Anlehnung an die weltbekannten Hexenprozesse in den USA des 17. Jahrhundert ist der Ort heute auch bekannt als das „Salem von Europa“. Mittlerweile ist Italiens ehemalige Hexen-Hauptstadt aber auch bei Freunden gastronomischer Genüsse beliebt, so ist das sogenannte Triora-Brot überregional bekannt. Und mag die Vergangenheit hier auch düster gewesen sein, ist Triora heute vor allem eines: ein wirklich schönes Bergdorf.

Themen Europa Italien
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.