23. Oktober 2022, 8:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Triora in der italienischen Region Ligurien ist auch bekannt als das „Salem von Europa“. Diesen Titel verdankt es einem düsteren Kapitel in seiner Geschichte. Im 16. Jahrhundert brach hier eine Hexen-Panik aus, zahllose Menschen wurden verhaftet und gefoltert. Heute geht der kleine Ort ganz offen mit dieser dunklen Vergangenheit um.
In der italienischen Region Ligurien liegt, auf 765 Metern Höhe und eingerahmt von mächtigen Gipfeln, das Bergdorf Triora. Nur 300 Einwohner leben hier heute noch, und trotzdem ist der Ort ein kleiner Touristenmagnet in der Gegend. Und das liegt nicht nur an seiner Schönheit, sondern vor allem seiner düsteren Vergangenheit. Denn Triora ist auch bekannt für einen grausamen Hexen-Wahn, der hier im 16. Jahrhundert ausbrach.
Es ist das Jahr 1587, als laut „Italy Trails“ die Hölle über das kleine Bergdorf hereinbricht. Der wohlhabende Ort, eine wichtige Verteidigungsanlage der Republik von Genua, wird von einer verheerenden Missernte heimgesucht. Diese verursacht eine Hungersnot, führt zur Verarmung zahlreicher Bürger. Schuld daran sind offenkundig das zu heiße Wetter und anhaltende Trockenheit. Doch mit dieser Erklärung wollen sich viele Bewohner der Stadt nicht zufriedengeben. Sie beschuldigen stattdessen ein paar Frauen, die in der Armen-Siedlung La Cabotina außerhalb der Stadttore leben, der Hexerei. Und treten damit eine zwei Jahre anhaltende Hysterie los.
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Hexerei und Kannibalismus
Der „Fehler“ der Frauen: Sie sind arm, und sie kennen sich zum Teil gut mit Heilkräutern aus. „Atlas Obscura“ zufolge werden zunächst einmal 20 junge „verdächtige“ Frauen zusammengetrieben. Aufgestachelt von den Messen in der Kirche, hatten Nachbarn oder andere Dorfbewohner sprichwörtlich mit dem Finger auf sie gezeigt – und damit teils unvorstellbaren Qualen ausgeliefert. Denn um noch mehr Dienerinnen des Teufels ausfindig zu machen, schreckt man in Triora auch vor Folter nicht zurück. Schon bald gibt es erste, erzwungene „Geständnisse“.
In der Folge landen 30 Frauen unter Folter in Kerkerhaft, im Laufe der Zeit wird die Zahl der der Hexerei angeklagten Personen auf 200 steigen. Man wirft ihnen (unter anderem) einen Pakt mit den Mächten der Finsternis und Kannibalismus vor. Genua schickt einen Inquisitor und einen Priester, um das teuflische Treiben in Triora zu untersuchen. Sie beginnen in der Folge mit den Prozessen gegen die vermeintlichen Hexen, die sich noch bis 1789 hinziehen sollten. Die Verurteilten schickt man in Gefängnisse in Genua. Zahlreiche von ihnen kehren nie mehr lebend zurück.
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Zahlreiche Tote
So stirbt eine Frau schon vor Beginn der „Verhandlungen“ an der Folter. Eine andere stürzt sich aus einem Fenster in den Freitod. In den Gefängnissen von Genua und Triora sterben in den nächsten zwei Jahren noch einmal insgesamt 12 Personen. Auffällig aus heutiger Sicht: Waren zunächst einmal vor allem arme Frauen der Hexerei angeklagt, verlagerte sich der Hexen-Wahn schnell auf solche, die überwiegend aus wohlhabenden Familien kamen.
Mittlerweile wird vermutet, dass einige Familien den Hexen-Hype in Triora dazu benutzten, missliebige Konkurrenten zu bekämpfen, bzw. sich an diesen zu rächen. Der Wahnsinn greift sogar auf andere Dörfer und Landstriche über, bis er 1789 dann langsam wieder abebbt. Bis dahin sind mindestens vier Frauen auf dem Scheiterhaufen gestorben, das Schicksal von zahllosen weiteren verliert sich im Dunkel der Geschichte. Umso erstaunlicher ist es, wie offen Triora heute mit seiner düsteren Vergangenheit umgeht.
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Die Hexen werden heute gefeiert
Denn hier versucht man nicht etwa, dieses Kapitel unter den Teppich zu kehren. Im Gegenteil. So kann man sich im regionalen Museum für Ethnographie und Hexerei in gleich vier Räumen über das Thema informieren. Historische Dokumente belegen, wie in Triora einst verhört und gefoltert wurde. Überall in dem Ort kann man aber auch Hexen-Souvenirs kaufen und sogar an Touren teilnehmen, die zu den früheren Häusern der Angeklagten führen. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der Berg Monte delle Forche, wo einige „Hexen“ auf dem Scheiterhaufen endeten. Und dann ist da noch der Besuch in dem ehemaligen Armenviertel La Cabotina. Dem Ort also, wo damals alles begann.
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Früher verfolgt, werden die Hexen zudem in Triora heute gefeiert. Jährlich gibt es im Sommer ein Hexenfestival, und natürlich wird auch Halloween hier ganz groß gefeiert. In Anlehnung an die weltbekannten Hexenprozesse in den USA des 17. Jahrhundert ist der Ort heute auch bekannt als das „Salem von Europa“. Mittlerweile ist Italiens ehemalige Hexen-Hauptstadt aber auch bei Freunden gastronomischer Genüsse beliebt, so ist das sogenannte Triora-Brot überregional bekannt. Und mag die Vergangenheit hier auch düster gewesen sein, ist Triora heute vor allem eines: ein wirklich schönes Bergdorf.