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Kinder werden von Eltern verkuppelt

Chinas einzigartiger Heiratsmarkt im People’s Square Park in Shanghai

People’s Square Park
Im People’s Square Park in Shanghai finde jedes Wochenende ein großer Heiratsmarkt statt. Hunderte Eltern versuchen dann, einen Ehepartner für ihre Nachkommen zu finden. Foto: AFP via Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

17. März 2025, 10:41 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Seit mehr als zwei Jahrzehnten treffen sich im People’s Square Park in der chinesischen Mega-Metropole Shanghai an jedem Wochenende tausende Menschen. Nicht aber zum Spazierengehen oder Entspannen, sondern, um einen geeigneten Ehepartner für ihre Kinder zu finden. Nicht selten geschieht das ohne deren Wissen. Dass der skurrile Heiratsmarkt immer mehr boomt, hat jedoch einen traurigen Grund. Und der geht zurück auf eine fatale Entscheidung, welche die chinesische Regierung bereits vor fast 50 Jahren traf.

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Seit mehr als 20 Jahren platzt ein Ort in der chinesischen Mega-City Shanghai am Wochenende regelmäßig aus allen Nähten. Die Rede ist vom People’s Square Park, denn hier ist Chinas wohl ungewöhnlichste Datingbörse angesiedelt. Noch besser trifft es das Wort Heiratsmarkt, denn Woche für Woche kommen Eltern aus der ganzen Stadt hierher, um per Anzeige einen geeigneten Ehepartner für ihre Kinder zu finden. Nicht selten haben diese davon aber nicht die geringste Ahnung. Und dass eine Lebenspartnerschaft überhaupt auf diese ungewöhnliche Weise angebahnt werden soll, hat einen traurigen Hintergrund.

Laut diversen Quellen im Netz existiert der Heiratsmarkt im People’s Square Park bereits seit 2004. Für umgerechnet ein paar Dollar suchen hier Eltern der „Yale Review of International Studies“ für ihre Sprösslinge mit einer einfachen Anzeige auf Papier nach einem Lebensgefährten. In der „Werbung“ sind alle vermeintlich wichtigen persönlichen Daten angegeben, so zum Beispiel Alter, Größe, Gewicht und Geburtsort. Bedeutend sind auch Angaben zur Ausbildung und zum aktuellen Arbeitgeber sowie berufliche Meilensteine und nicht zuletzt das Sternzeichen des Kandidaten, in selteneren Fällen der Kandidatin. Denn auf dem Heiratsmarkt herrscht ein dramatisches „Überangebot“ an männlichen Bewerbern.

Weibliche Nachkommen wurden verstoßen oder umgebracht

People’s Square Park
Für umgerechnet ein paar Dollar kann jeder im People’s Square Park ein Ehegesuch für sein Kind stellen Foto: AFP via Getty Images

Dieser Umstand geht zurück auf eine aus heutiger Sicht fatale Entscheidung, welche die chinesische Regierung im Jahr 1979 traf. Um der drohenden Überpopulation entgegen zu wirken, legte man für die Bevölkerung die „Ein-Kind-Politik“ fest. Jede Familie, so die offizielle Vorgabe, durfte von da an nur noch einen Nachkommen haben. Da aber in der chinesischen Gesellschaft zumindest zum damaligen Zeitpunkt Jungen einen sehr viel höheren sozialen Stellenwert besaßen als Mädchen, kam es in der Folge nicht selten sogar zu Dramen, wenn Eltern ihren weiblichen Sprössling verstießen oder gar töteten. Dies ging so weit, dass die Regierung Ärzten irgendwann verbat, werdenden Eltern vorab das Geschlecht ihres Kindes mitzuteilen.

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Die Folge dieser Politik wird aber jede Woche wieder im People’s Square Park in Shanghai sichtbar. Denn heute gibt es in China ein derartiges Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen, dass viele männliche Junggesellen alleine schon statistisch gesehen niemals heiraten werden können. 2023 gab es in China 31 Millionen mehr Männer als Frauen, und wie das „Institut der deutschen Wirtschaft“ berichtet, dürfte sich diese dramatische Entwicklung bis zum Jahr 2030 noch steigern. Dann, so Schätzungen, wird ein Viertel der männlichen chinesischen Bevölkerung unverheiratet sein. Die Universität von Yale sieht dadurch perspektivisch sogar die soziale Stabilität der Gesamtbevölkerung in Gefahr.

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Dem Magazin „Vice“ zufolge hat der Erfolg des Heiratsmarktes im People’s Square Park aber auch noch einen anderen Hintergrund. So ist es in China bereits seit Jahrhunderten Tradition, dass Eltern für ihre Kinder eine Ehe anbahnen. Dies soll meist dazu dienen, sich selbst und die neue Familie finanziell abzusichern und den sozialen Status zu wahren bzw. im besten Fall natürlich noch zu erhöhen. Nicht selten treffen sich daher die Eltern potentieller Heiratskandidaten, noch bevor es deren Kinder tun. Die Autorin des „Vice“-Artikels, selbst Asiatin, beschreibt auch ihre eigenen Erfahrungen. Demnach habe ihr Vater für sie einmal mit dem Sohn eines Geschäftspartners ein gemeinsames Lunch als verkapptes Date arrangiert.

Problematisch sind die Eheanbahnungen im People’s Square Park auch aus einem anderen Grund. Denn nicht selten möchten Kinder, aufgewachsen in einer moderneren chinesischen Gesellschaft, überhaupt noch nicht heiraten. Wer jedoch mit spätestens 30 nicht unter der Haube ist, gilt in dem Land immer noch als Sonderling. Auf den Nachkommen lastet, als meist einzige Erben der Familie, ein ungeheurer Druck. Denn eine Hochzeit ist auch in den meisten Fällen noch eine Art Absicherung für die Angehörigen. Zwar beendete das chinesische Zentralkomitee 2016 offiziell die Ein-Kind-Politik. Die Folgen dieser einschneidenden Einschränkung könnten das Land aber in Zukunft trotzdem noch teuer zu stehen kommen.

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Denn natürlich bedeutet der Überschuss an männlicher Bevölkerung nicht nur einen Rückgang an Hochzeiten, sondern auch in der Gesamtpopulation des Landes. Mittlerweile gibt es daher seit 2022 sogar eine Drei-Kind-Politik und seit neustem Kindergeld für Eltern, die mehr als einen Nachkommen zeugen. Dennoch altert und schrumpft Chinas Bevölkerung so schnell und dramatisch wie keine andere auf der ganzen Welt, wie unter anderem das „Spektrum der Wissenschaft“ berichtet. Orte wie der Heiratsmarkt im People’s Square Park sind daher für viele Menschen die sprichwörtlich letzte Hoffnung für die Zukunft.

Themen Asien China
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