13. März 2023, 5:55 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Mitten im Berliner Ortsteil Schöneberg steht eines der skurrilsten Denkmäler seiner Zeit. Mit dem sogenannten Schwerbelastungskörper sollten Tests für den Bau von Hitlers Wahn-Hauptstadt Germania durchgeführt werden. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte des gut 12.000 Tonnen schweren Klotzes.
Wer im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg durch die General-Pape-Straße läuft, dessen Blick wird unweigerlich an einem gewaltigen Betonklotz hängen bleiben. Ein unförmiges, 14 Meter hohes Trumm, vor dem wohl tagtäglich so mancher Tourist stehen bleibt und sich verwundert fragt, was das denn nun darstellen soll. Die wenigsten würden wohl vermuten, dass es sich bei dem sogenannten Schwerbelastungskörper um das einzige sichtbare Relikt der nationalsozialistischen Stadtplanung handelt.
Der Schwerbelastungskörper war ein Teil von Hitlers größenwahnsinnigem Stadt-Projekt Germania. Aus Berlin sollte eine neue Hauptstadt der Superlative werden, laut „Visit Berlin“ komplett mit einer 300 Meter hohen „Großen Halle“ für 180.000 Besucher und zwei gewaltigen Straßen-Achsen, die die Stadt von Ost nach West und von Nord nach Süd durchschneiden. Das Prunkstück in Hitlers Planung sollte aber ein selbst entworfener Triumphbogen werden. Ähnlich dem in Paris, in den Dimensionen aber etwas, nun ja, gigantischer.
Testobjekt für Hitlers Größenwahn
120 Meter hoch und 170 Meter breit soll er sein, auf ihm eingraviert die Namen aller im Ersten Weltkrieg für Deutschland gefallenen Soldaten. Bis zum Jahr 1950, so malt sich Hitler aus, solle der Triumphbogen, solle Germania, dann fertig sein. Generalbauinspektor Albert Speer wird also mit der Realisierung des Größt-Projekts betraut, und der sieht im sandigen märkischen Boden unter Berlin ein potenzielles Risiko für die Visionen Hitlers. Das ist die Geburtsstunde des Schwerbelastungskörpers.
Auch interessant: Die besten Touren und Aktivitäten in Berlin
Denn mit diesem gut 12.000 Tonnen schweren Monster soll getestet werden, ob der Boden einer Belastung wie der durch einen gigantischen Triumphbogen überhaupt standhalten würde. Die Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik (Degebo) stellt also im Jahr 1941 in unmittelbarer Nähe zu der geplanten Stelle für das Denkmal den Schwerbelastungskörper auf, um genau dies heraus zu finden. Noch bis 1944 werden hier also Messungen durchgeführt. Da ist der Zweite Weltkrieg längst verloren und klar, dass Germania eine Illusion bleiben wird. Einzig der Flughafen Tempelhof ist zum damaligen Zeitpunkt bereits fertig.
Eine Tour des Scheiterns Die schönsten Pleiten Berlins – und ihre Orte
Lost Place in Berlin Die geheimen Verstecke im Keller des Flughafens Tempelhof
Touristenmagnet in der Hauptstadt Der Reichstag in Berlin – die Geschichte des ikonischen Regierungsgebäudes
Heute unter Denkmalschutz
Eine spätere Auswertung der Tests zeigt dann, dass es ohnehin nichts geworden wäre mit Hitlers Arc de Triomphe. Zu stark ist der Schwerbelastungskörper in den sandigen Boden eingesunken. Jedem Monument von ähnlicher Größe und Gewicht wäre es also genauso ergangen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Test-Gigant daher nutzlos, und soll eigentlich gesprengt werden. Dies hätte aber die umliegenden Wohngebiete zu stark gefährdet, und so bleibt der Schwerbelastungskörper (bis heute) einfach stehen.
Bis 1977 nutzt ihn die Degebo noch für ihre Messungen, 1983 ziehen sich die Wissenschaftler laut der offiziellen Seite des Schwerbelastungskörpers dann endgültig zurück. 1995 wird er vom Landesdenkmalamt in die Liste der Berliner Denkmäler aufgenommen, steht seitdem unter besonderem Schutz. Seit 2002 ist der Bezirk Tempelhof-Schöneberg im Besitz des Ortes, seit 2009 ist er für Besucher geöffnet. Die können an Führungen teilnehmen und von der Aussichtsplattform einen Blick auf die Stadt werfen.
Im zum Schwerbelastungskörper gehörigen Pavillon finden heute Seminare und Jugendprojekte statt. Von April bis Oktober führt der Verein Berliner Unterwelten jeden Sonntag um 15 Uhr eine etwa einstündige Führung durch. Die Teilnahme ist laut Betreiberwebseite kostenlos. Individuelle Führungen oder Gruppentermine kann man vorab per Mail buchen. Für normale Besuche ist der Ort Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet.