22. Juli 2021, 6:19 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Der kleine Ort Doel in Belgien sollte schon ein paar Mal zerstört werden, um dem wachsenden Hafen von Antwerpen Platz zu machen. Die wenigen verbleibenden Einwohner konnten das bislang verhindern. Irgendwann kamen sie auf eine Idee, die ihre Heimat vielleicht doch retten könnte…
Wer durch Doel, einem Teil der belgischen Gemeinde Beveren in der Nähe von Antwerpen läuft, dem begegnet Kunst auf Schritt und Tritt. Straßenkunst, um genau zu sein. Denn die Häuser von Doel, viele von ihnen mittlerweile zerfallen, sind über und über verziert mit Graffitis. Und so skurril es klingt, diese Bilder, die anderorts als Vandalismus betrachtet werden, haben Doel vorerst vor der Zerstörung bewahrt.
Denn der Ort, laut „Guardian“ bereits 400 Jahre alt, sollte schon ein paar Mal dem Erdboden gleich gemacht werden. Doel sollte Platz machen für den immer weiter wachsenden Hafen von Antwerpen, der einer der größten der Welt ist. Schon vor Jahrzehnten gab es deshalb Pläne, Doel zu zerstören, seine Einwohner umzusiedeln. Viele von ihnen nahmen das Geld, das ihnen die staatliche Baufirma anbot, und zogen weg. Lebten in den 70er-Jahren noch 1300 Menschen in Doel, sind es heute noch um die 20.
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Doel wird zur Open-Air-Galerie
Die Verbleibenden weigern sich beharrlich, ihre Heimat zu verlassen. Hier stand die erste Steinmühle Belgiens, besaß die Familie des berühmten flämischen Malers Peter Paul Rubens einst ein Haus. Die Stadt ist außerdem Heimat einer der größten Schwalbenkolonien Europas, weshalb man die geplante Zerstörung schon einige Male unter Hinweis auf die Bedeutung des Ortes für die Umwelt abwehren konnte.
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2007 lebten noch 350 Menschen in Doel, und die kamen schließlich auf eine Idee, die den Ort zu einer großen Touristenattraktionen in Belgien gemacht hat. Sie riefen die Initiative „Doel 2020“ ins Leben, die unter anderem vorsah, Doel in ein Paradies für Straßenkünstler zu verwandeln. Und so geschah es auch, schnell kamen die berühmtesten Köpfe dieses Genres in den kleinen Ort und verwandelten ihn in eine riesige Open-Air-Galerie.
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Die Touristen werden zum Problem
An fast jedem Haus prangen jetzt riesige, teils dystopische Bilder – nur die noch bewohnten Häuser und das Rubens-Haus bleiben unangetastet. Die Graffiti ziehen mittlerweile sehr viele Touristen an, so dass Doel bislang seine endgültige Zerstörung weiterhin abwenden konnte.
„Doel 2020“ bleibt unterdessen aktiv, auf der offiziellen Webseite des Projekts findet man zahlreiche aktuelle Artikel zu dem Ort. Laut der belgischen Nachrichtenseite „VRT“ könnte Doel doch noch gerettet werden – indem es anderswo einfach wieder aufgebaut wird. Unterdessen hat der Ort in der Corona-Krise noch einmal einen weiteren, ungeahnten Touristenboom erlebt, wie die belgische Nachrichtenseite „GVA“ schreibt.
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Nachdem Reisen ins Ausland nicht mehr möglich waren, besuchten immer mehr Menschen Doel. Das ging sogar so weit, dass der Bürgermister der Region die Menschen dazu aufrief, nicht mehr zu kommen. Auch beschwerten sich die wenigen Einwohner Doels über respektlose Touristen. Im April 2021 musste die Polizei den Ort daher sogar erstmals für Besucher schließen. Bleibt abzuwarten, wie es mit Doel in Zukunft weitergeht…