14. Mai 2023, 15:09 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In der japanischen Stadt Osaka steht der wohl ungewöhnlichste Wolkenkratzer des Landes. Denn durch das 16 Stockwerke hohe Gate Tower Building verläuft eine Autobahn. Was zunächst klingt wie stadtplanerischer Wahnsinn, ist in Wirklichkeit das Ergebnis eines jahrelangen Streits. Der dann mit einem verblüffenden Kompromiss endete.
Stellen Sie sich einmal kurz vor, Sie würden direkt an einer Autobahn wohnen. Nicht etwa getrennt durch eine Schallschutzmauer, sondern direkt und unmittelbar an der Straße, auf der jeden Tag unzählige Autos vorbeirauschen. Was für die meisten klingen dürfte wie ein Alptraum, ist für die Bewohner des Gate Tower Buildings in der japanischen Stadt Osaka tatsächlich Realität. Doch es kommt noch skurriler: Denn der 16-stöckige Wolkenkratzer liegt nicht etwa an einer Autobahn, sondern sie verläuft durch ihn hindurch. Noch erstaunlicher als diese Tatsache ist nur die Geschichte, wie es zu dem unorthodoxen Arrangement überhaupt kommen konnte. Es ist eine Geschichte von menschlicher Sturheit und einem erstaunlichen Kompromiss.
Wie die Seite „Atlas Obscura“ berichtet, geht sie zurück bis in das Jahr 1983. In Fukushima-ku, einem Bezirk von Osaka, trägt man sich mit Plänen für einen Neuaufbau, um der immer mehr verfallenden Nachbarschaft wieder Leben einzuhauchen. Eine lokale Firma, die mit Holz und Kohle handelt, hat bei der Stadt den Bau eines neuen Hochhauses beantragt: das heutige Gate Tower Building. Es gibt da nur ein Problem. Denn zur selben Zeit plant die Stadt ihrerseits die Erweiterung der Autobahn Hanshin Expressway. Und der würde genau durch die Gegend führen, wo auch der Wolkenkratzer entstehen soll.
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Ab durch die Mitte
Was nun folgt, ist ein fünf Jahre währender Rechtsstreit zwischen beiden Parteien. Denn weder die Planer des Gate Tower Buildings noch die Stadtväter sind anfänglich bereit, von ihren Visionen abzuweichen. Dann gelangt man schließlich doch noch zu einem wahrhaft salomonischen Urteil. Und entschließt sich, einfach beides wie geplant zu bauen. So, dass eine Abfahrt des Hanshin Expressway mitten durch den fünften, sechsten und siebten Stock des Gebäudes verläuft. Ohne dieses jedoch zu berühren. Dafür erklärt sich die Autobahn-Gesellschaft bereit, den Betreibern des Gebäudes fortan Miete zu entrichten.
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Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist der Bau des Gate Tower Buildings mit der Autobahn in seinem „Bauch“ dann doch nicht. Denn wenig verwunderlich handelt es sich bei dem visionären Plan um einen Präzedenzfall, für den erst einige Gesetze geändert bzw. angepasst werden müssen. Von 1989 bis 1992 wird der wohl ungewöhnlichste Wolkenkratzer Japans dann aber tatsächlich gebaut. Seitdem rauschen jeden Tag Tausende von Autos durch ihn hindurch. Dass die Angestellten der Büros, die sich in dem Turm befinden, dabei nicht durchdrehen, liegt an seinen schallisolierten Wänden und Böden. Zahlreichen Quellen im Netz zufolge lassen sie kaum Verkehrsgeräusche durchdringen. Zudem ist der Highway an der Stelle, an der er das Gebäude durchläuft, mit einer Art Schallhülle ummantelt.
Seit seiner Eröffnung ist das Gate Tower Building natürlich auch zu einer beliebten Touristenattraktion in Osaka geworden. Das liegt mitunter an den Fahrstühlen, die an der Fassade des Gebäudes fahren, und bei denen der fünfte, sechste und siebte Stock fehlt. Und auch aus dem Inneren des Gebäudes ist es natürlich unmöglich, die Autobahn zu betreten. Wenn Sie sich also das nächste Mal mit jemandem uneinig darüber sind, wie Sie sich in einer Sache entscheiden sollen, denken Sie an Japans skurrilen Wolkenkratzer. Denn vielleicht müssen Sie gar nicht zwischen A und B wählen. Vielleicht geht ja auch beides.