12. Dezember 2023, 18:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Nonnen im Druk-Amitabha-Kloster der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu sind Powerfrauen. Denn um für Gleichberechtigung in der nepalesischen Gesellschaft zu kämpfen, trainieren sie an sechs Tagen in der Woche die Kampfkunst Kung-Fu. Mittlerweile sind sie so berühmt, dass sie täglich Beitritts-Bewerbungen erhalten – und nutzen ihre Bekanntheit, um die Welt in ihrem Sinne zu verbessern.
Jeden Morgen, gegen drei Uhr, beginnt für die 350 Frauen im Druk-Amitabha-Kloster über den Hügeln der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu ein neuer Tag. Und auch ein neuer Kampf, könnte man wohl sagen. Denn die Nonnen, des Drukpa-Ordens sind keine gewöhnlichen Buddhistinnen. Sechsmal in der Woche trainieren sie die alte fernöstliche Kampfkunst Kung-Fu. Damit wollen sie ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen in einer Gesellschaft, die immer noch stark patriarchalisch strukturiert ist. Und damit sind sie mittlerweile ein leuchtendes Vorbild für Frauen auf der ganzen Welt.
Laut der „New York Times“ gehört das Kung-Fu-Training für die Nonnen im Druk-Amitabha-Kloster seit 2008 fest zu ihren alltäglichen Ritualen. Damals gab es im Kloster einen Einbruch, und die Frauen wurden von Angehörigen ihres Ordens aus Vietnam anschließend erstmals in der Kampfkunst unterrichtet. Bereits seit 30 Jahren stehen sie zudem für eine besonders fortschrittliche Auslegung und Praktizierung des buddhistischen Glaubens in Nepal: Schon seit damals setzt sich ihr oberster geistlicher Anführer Jigme Pema Wangchen, auch bekannt als 12. Inkarnation des Gyalwang Drukpa, für die Gleichstellung der Frauen in der nepalesischen Gesellschaft ein.
Der mutige Drachen-Orden
Der Name des Ordens leitet sich von dem nepalesischen Wort Drukpa ab, was übersetzt Drache bedeutet. Diese Auslegung des Buddhismus, für den die Kung-Fu-Nonnen stehen, ist je nach Lesart mindestens 800, vielleicht sogar 1000 Jahre alt. Und dennoch wurden Frauen, die sich in Nepal mit dem Thema Spiritualität auseinandersetzen, seit jeher von der Gesellschaft und ihren männlichen „Kollegen“ geächtet. Auch heute noch ist diese Ausgrenzung und Stigmatisierung gängige Praxis, gegen die sich die Powerfrauen wehren, indem sie unter anderem eben auch Kung-Fu trainieren.
An sechs Tagen die Woche praktizieren sie die Kampfkunst, wobei die Erfahreneren auch mit Waffen wie dem Schwert trainieren. Damit widersetzen sie sich der in Nepal immer noch populären Ansicht, Frauen sollten putzen, aber keine körperliche Ertüchtigung betreiben. In den Händen einer gut trainierten Kung-Fu-Nonne kann sogar ein Fächer zu einer Waffe werden. Seit 2008 haben im Druk-Amitabha-Kloster etwa 800 Nonnen die spezielle Ausbildung durchlaufen, 90 von ihnen sind heute selbst Trainerinnen. Die Mitglieder des Drukpa-Ordens kommen nicht nur aus Nepal, sondern auch Indien und anderen (asiatischen) Ländern.
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Modern in jeder Hinsicht
Und dass sie auch sonst moderne Frauen sind, zeigen die Nonnen des Druk-Amitabha-Kloster jeden Tag. So lesen sie ihre Gesangstexte von Tablets ab, lernen neben ihrer Muttersprache auch Englisch. Sie setzen sich überdies für Tier- und Umweltschutz ein. Mit ihnen im Kloster leben zahlreiche Tiere wie Gänse, Schwäne, Hunde und Kühe, die sie entweder vor dem Schlachter oder von der Straße gerettet haben. Laut ihrer eigenen Webseite, die die Frauen nebenbei auf Englisch betreiben, unternehmen sie jedes Jahr seit zwei Dekaden eine sogenannte „Öko-Pad Yatra“, also eine Pilgerreise.
Dabei legen sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad im Verlauf mehrerer Monate hunderte von Kilometern zurück, um auf die Wichtigkeit von Umweltschutz hinzuweisen. Unterwegs sammeln sie nämlich Müll ein, und unterrichten abgeschnittene Gemeinden im Himalaya über die Bedeutung eines nachhaltigeren Lebensstils. Immer mit auf den Weg nehmen sie auch ihre beiden obersten Ziele, den Kampf für den Weltfrieden und die Gleichberechtigung. Indem sie sich bewusst aus eigener Kraft fortbewegen, weisen die Kung-Fu-Nonnen auch auf „grüne“ Möglichkeiten zu reisen hin.
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Lebende Ikonen
Seit 2007 engagieren sie sich in der von ihrem Oberhaupt gegründeten „Live to Love“-Organisation, bei der sie laut „Deutschlandfunk Kultur“ zum Beispiel Müll sammeln oder Bäume pflanzen. Im Druk-Amitabha-Kloster betreiben sie nebenher ein Krankenhaus und eine Bibliothek, die jedem offenstehen. Der Tag der Nonnen beginnt um drei Uhr früh mit einer Einheit aus Gesang und Meditation. Dann geht es ans Kung-Fu-Training, sechs Tage die Woche außer Sonntags. Samstag ist zudem im Kloster groß Reinemachen angesagt, wenn die Anlage geputzt wird.
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2015 waren die Nonnen des Druk-Amitabha-Klosters unter den Ersten, die sich für die Opfer des verheerenden Erdbebens in Nepal einsetzten. Sie retteten nicht nur Menschen per Laster oder gar Helikopter, sondern brachten auch Essen und Medikamente in betroffene Regionen und bauten neue Häuser. Schon 2012 durften sie im Vorfeld der Olympischen Spiele in London ihre Kampfkünste symbolisch einem weltweiten Publikum an den Fernsehbildschirmen präsentieren. Seitdem zeigen sich die Powerfrauen immer wieder öffentlich, um für ihre Ziele einzustehen.
Das hat sie rund um den Globus längst zu Ikonen gemacht, wie auch die „New York Times“ betont. Demnach erhalten die Kung Fu-Nonnen des Druk-Amitabha-Klosters jeden Tag Beitritts-Bewerbungen von Frauen auf der ganzen Welt, darunter auch aus Deutschland. Klempner, Elektriker, Maurer, Maler – die Aufgaben dieser in Nepal immer noch vor allem von Männern ausgeübten Berufe verrichten sie bei ihrer täglichen Arbeit wie selbstverständlich. Die Anfeindungen, die sie dabei leider immer noch erdulden müssen, scheinen sie nur noch stärker zu machen. Bleibt zu hoffen, dass der Kampf der mutigen Kung-Fu-Nonnen um Gleichberechtigung zukünftig noch mehr Menschen inspiriert.