2. Dezember 2021, 12:34 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In der US-Stadt Denver steht die wohl ungewöhnlichste Kirche der Welt: In der International Church of Cannabis wird die Marihuana-Pflanze verehrt. Dafür riefen die Gründer sogar eine offiziell anerkannte Glaubensbewegung ins Leben.
Sicher, viele von uns kennen das Ritual noch von einem Kirchenbesuch. Bei manchen Messebesuchen wird zeremoniell Weihrauch verbrannt, weil er im christlichen Glauben eine Rolle spielt. In der International Church of Cannabis in Denver, USA, halten sie das mit dem Glauben, nun ja, etwas anders. Beziehungsweise, man hat dort einfach einen neuen, eigenen Glauben ins Leben gerufen. Denn die Anhänger der ungewöhnlichen Kirche verbrennen rituell Cannabis.
Die International Church of Cannabis wurde am 4. April 2017 von zwei Männern namens Steve Berke und Lee Molloy ins Leben gerufen. Das berichtet die offizielle Seite des Ortes. Die beiden hatten vorher selbst in dem über 100 Jahre alten Kirchengebäude gelebt, das rechtlich Berkes Eltern gehört. Demnach hatten diese, beide Immobilienmakler, eigentlich geplant, das Gotteshaus abzureißen, um an seiner Stelle Appartements zu bauen.
Jeder Mensch ist hier willkommen
Berke und Molloy konnten sie jedoch von ihrer eigenen Vision überzeugen und gründeten so in dem Gebäude die International Church of Cannabis. Deren Mitglieder nennen sich selbst „Elevationists“, also etwa „die Erhobenen“. Und so skurril es klingt, die Kirche ist vom Staat Colorado als offizielle Glaubensgemeinschaft anerkannt. Vielleicht auch wegen ihrer beispielhaften Grundsätze: Man heißt hier Menschen jeder Art und Glaubensrichtung willkommen, sieht die Cannabis-Kirche eher als eine Ergänzung zu den bereits bestehenden Religionen.
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Jeder ist in der International Church of Cannabis willkommen, sofern er sich an eine Regel hält: Behandele andere mit dem gleichen Respekt, mit dem auch du behandelt werden möchtest. Jeden Freitag finden sich Mitglieder der Kirche hier zum einzigen offiziellen „Gottesdienst“ zusammen, wobei auch das rituelle Verbrennen von Marihuana dazu gehört. Die „Erhobenen“ bezeichnen Cannabis als die „Heilige Pflanze“ und glauben, deren Effekte würden bei der Selbstfindung helfen.
Wer rauchen will, braucht eine Einladung
Wer jetzt aber denkt, die International Church of Cannabis wäre ein Paradies für Hippies und Kiffer, liegt falsch. Denn laut den Gesetzen des Staates Colorado ist der Konsum von Marihuana zwar legal, aber nicht in öffentlichen Räumen. Daher darf man in der Kirche, wenn überhaupt, nur auf Privatveranstaltungen rauchen. Und zu denen braucht man eine offizielle Einladung. Und natürlich findet in dem besonderen Gotteshaus auch kein Handel mit Kräutern statt.
Dennoch lohnt sich ein Besuch hier schon alleine wegen „Innenausstattung“. Denn wo andere Kirchen vielleicht Fresken und Altare zeigen, ist die International Church of Cannabis noch sehr viel bunter. Wände und Decke ziert eine Art Kaleidoskop in allen Regenbogen-Farben, gestaltet von dem bekannten spanischen Künstler Okuda San Miguel. Die Außenfassade schmücken Wandgemälden des amerikanischen Graffiti-Künstlers Kenny Scharf.
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Kampf gegen Stereotype
Immer von Donnerstag bis Montag öffnet die International Church of Cannabis von 12 bis 20 Uhr ihre Türen für Besucher. Dienstags und donnerstags gibt es hier jeweils von 16 bis 20 Uhr die Lasershow „Beyond“, laut Beschreibung auf der Kirchen-Webseite eine „angeleitete Meditation“. Während der Messen jeweils freitags haben Personen unter 21 Jahren allerdings keinen Zutritt. Wer möchte, kann auf der Homepage der Kirche eine Mitgliedschaft beantragen oder für die gute Sache spenden.
Kritikern, die die ernsthafte Motivation hinter der Gründung der International Church of Cannabis anzweifeln, halten die Macher durchaus ironisch den Spiegel vor. So fragen sie auf ihrer Webseite: „Sollte man uns genauso ernst nehmen wie Menschen, die glauben, Jonas habe in einem Fischbauch gelebt? Oder die Frau von Lot habe sich in eine Salzsäule verwandelt?“ Es ginge ihnen vielmehr darum, das Image des Marihuana-Konsumenten in der Öffentlichkeit zu verbessern. „Unsere Mitglieder sind nicht einfach Kiffer, sondern ernsthafte und talentierte Mitglieder einer Gemeinde.“