20. Mai 2023, 7:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im Kanalisationsmuseum in Paris erfahren Besucher alles über die Geschichte der Abwasserkanäle der Stadt. Zum Beispiel, warum erst sie die Metropole zu der modernen Weltstadt machten, die sie heute ist. Bereits seit fast 150 Jahren sind die unterirdischen Gänge nun schon eine der ungewöhnlichsten Touristenattraktionen der Stadt.
Es gibt wohl nur wenige Metropolen auf der Welt, die an Sehenswürdigkeiten und Charme so reich sind wie Paris. Der Eiffelturm, Notre Dame, der Louvre, das sind nur einige der berühmten Wahrzeichen der legendären Lichterstadt. Und neben den Attraktionen, die hier sprichwörtlich quasi auf der Straße liegen, gibt es auch unzählige Museen, die jedes Jahr Besucher in Scharen anlocken. Doch das Ungewöhnlichste von ihnen ist nicht so leicht zu finden, denn es liegt unter der Erde. Die Rede ist vom Kanalisationsmuseum in Paris.
Wer jetzt die Nase rümpft, sollte eines wissen: Ohne seine Abwasserkanäle hätte Paris niemals zu der modernen Millionenstadt werden können, die es heute ist. Und im Kanalisationsmuseum in Paris wird die Geschichte genau dieser Röhren und Tunnel erzählt, die sich auf mehr als 2000 Kilometern Länge unter der Metropole erstrecken. Denn es war erst diese Kanalisation, die überhaupt den Grundstein legte für die rasche Expansion, die die City an der Seine im Verlauf der letzten zwei Jahrhunderte durchlebt hat. Und genau deshalb ist sie auch eine der ungewöhnlichsten Touristenattraktionen vor Ort. Und das nun bereits seit fast 150 Jahren.
Krankheiten und Epidemien
Laut der offiziellen Seite des Kanalisationsmuseums in Paris (Musée des Égouts) startet die Erfolgsgeschichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1800 ist Paris eine rasch wachsende Metropole, 500.000 Menschen sind hier zu Hause. Sie alle entsorgen ihre Abwässer in einem Kanalsystem, das gerade einmal 16 Kilometer lang ist – viel zu wenig für diese damals immense Einwohnerzahl. In der Folge grassieren Krankheiten und Epidemien. Noch über das gesamte Jahrhundert schlägt vor allem die Cholera immer wieder gnadenlos zu.
Auch interessant: Die Kanalisation von Barcelona ist eine Touristenattraktion
Nicht selten, wie zum Beispiel 1802, läuft die stinkende Kloake auch über und flutet die Stadt. Ein Ereignis, das so traumatisch gewesen sein muss, dass sogar der Schriftsteller Victor Hugo es in seinen Erinnerungen festhielt. Zudem entsorgen die Pariser ihr Schmutzwasser und ihre Fäkalien auch häufig einfach in den Straßen oder der Seine. Dies führt zu einer zunehmenden Verseuchung des Trinkwassers. Dennoch sollte es bis 1833 dauern, bis Paris seine erste wirklich funktionierende Kanalisation bekommt. Dank dieser kann man Abwässer nun nicht nur konzertiert sammeln, sie werden auch als flüssiger Dünger auf die Felder um die Stadt weitergeleitet.
Die Abwasserkanäle als Touristenattraktion
Ab 1865 beginnt man, über das Kanalsystem die Stadt auch mit Frischwasser zu versorgen. Zudem wird hier auch jenes Wasser weitergeleitet, das zur Bewässerung der Parks und zum Reinigen der Straßen gedacht ist. Pünktlich zur Weltausstellung im Jahr 1867 in Paris wird die Kanalisation dann das erste Mal zu einer Touristenattraktion. Zahllose Menschen wollen plötzlich den Untergrund besuchen, der zuvor schon zahlreichen Künstlern und Schriftstellern als Inspiration für ihre Werke gedient hat. Und genau hier wird der Grundstein gelegt für das heutige Kanalisationsmuseum in Paris.
In Begleitung der Kanalarbeiter waren es zunächst vor allem Reiche und Adlige, die sich zu einem Besuch in den Abwasserkanälen, nun ja, herabließen. Die Frauen wurden dabei zunächst auf einem Boot durch die Tunnel gezogen, die Männer durften erst nach einer Strecke zu Fuß etwas später zusteigen. Nur 30 Jahre später war die Tour bereits derart populär, dass elektrische Züge bis zu 100 Gäste auf einmal durch die Kanalisation zogen. Diese wurden zu diesen Anlässen beleuchtet und so gereinigt, dass sie laut offizieller Webseite „fast geruchlos“ waren.
Sie stammt teils noch aus der Römerzeit Die Kanalisation von Barcelona – eine ungewöhnliche Touristen-Attraktion
Nach fast 100 Jahren wiederentdeckt Kölns Kronleuchter in der Kanalisation ist eine Sehenswürdigkeit
Das meisbesuchte Museum der Welt Der Louvre – Frankreichs legendärer Kunst-Tempel
Geführte Touren im Kanalisationsmuseum
Ab 1913 dann stiegen erstmals junge Ingenieure zu Weiterbildungszwecken in die Kanalisation hinab. Aber auch Laien konnten sich nun die Funktionsweise der Anlagen erklären lassen. Doch es sollte noch bis 1975 dauern, bis das Kanalisationsmuseum in Paris gegründet wurde. Auf einer 500 Meter langen Strecke können Besucher hier seitdem die Kanäle selbst besichtigen. Auch alle für die Funktion wichtigen Anlagen und Maschinen werden erklärt. Neben einer festen Ausstellung kann man auch eine geführte Tour buchen. Eine Attraktion, die pro Jahr immerhin etwa 100.000 Menschen sehen wollen.
Auch interessant: Köln Kronleuchter in der Kanalisation
Und auch auf dem Portal Tripadvisor zeigen sich die User begeistert von dem Kanalisationsmuseum in Paris. Einer schreibt „Ich hatte gehofft, dass es interessant sein würde, aber ich hatte keine Vorstellung, wie großartig es wirklich ist.“ Ein Zweiter fügt hinzu: „Es ist bestimmt nicht für Jeden, aber es ist spannend zu sehen, wie Paris mit seinem Abwasser umgeht“. Ein Dritter ergänzt: „Es war hochinteressant, die Bedeutung und Funktionsweise dieses Abwassersystems kennenzulernen.“ Das Museum ist dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt pro Person beträgt aktuell 9 Euro.