16. Dezember 2020, 6:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In den Katakomben von Paris lagern seit mehr als 200 Jahren die Knochen von mehr als sechs Millionen Menschen in unterirdischen Gängen. Der Ort ist mittlerweile ein echter Touristenmagnet. TRAVELBOOK erzählt, wie es dazu kam.
Im Jahr 1777 stinkt die Stadt Paris zum Himmel – und zwar sprichwörtlich. Verwesungsgeruch weht durch die Straßen, macht das Atmen schwer. Immer wieder sterben sogar Menschen an giftigen Faulgasen, die an einer ganz bestimmten Stelle der Stadt austreten: dem Cimetière des Innocents, dem sogenannten Friedhof der Unschuldigen. Dieser ist damals der größte und bedeutendste der Stadt, Menschen aus 22 Gemeinden betten ihre Toten hier zur Ruhe.
Der Friedhof ist dermaßen überbelegt, dass er im Laufe der Jahrhunderte seiner Benutzung um 2,5 Meter in die Höhe gewachsen war, wie die „Süddeutsche Zeitung” berichtet. Schätzungsweise liegen hier zwei Millionen Menschen begraben, viele weitere, die aus Platzmangel nicht standesgemäß bestattet werden können, sind zu wahren Bergen aufgeschichtet. Ein unhaltbarer Zustand, der zu einer ungewöhnlichen Maßnahme führt: 1780 ordnet die Polizeipräfektur an, dass sämtliche Toten in Paris umgebettet werden müssen – und ihre letzte Ruhestätte fortan unterirdisch haben sollen, in den Katakomben der Stadt.
Millionen Menschen in den Katakomben begraben
Das mehrere hundert Kilometer lange Tunnelsystem war entstanden und gewachsen, als man im 12. Jahrhundert damit begann, hier unter der Erde Kalkstein als Baumaterial aus dem Fels zu hauen – das Resultat waren die gewaltigen Stollen, die sich auch heute noch unter den Straßen von Paris befinden. Hierhin werden ab 1786 die Toten der Stadt gebracht, insgesamt kommen auf diese Weise die sterblichen Überreste von sechs Millionen Menschen zusammen, wie auf der offiziellen Seite der „Catacombes” nachzulesen ist. Unglaublich, aber wahr: Die Massen an Knochen werden zu Stützmauern aufgeschichtet, denn einige Stollen waren akut einsturzgefährdet, immer wieder sacken deshalb in der Stadt ganze Gebäude ab.
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Doch nicht nur stapelte man schon bald die Gebeine zu wahren Mauern, mitunter sind die Knochen und Schädel zu Mustern angeordnet, zum Beispiel Herzformen. Über dem Eingang der Stollen prangt, in Stein gemeißelt, eine Inschrift: „Halte ein, dies ist das Reich des Todes”. Trotzdem oder gerade deswegen übt der Ort aber bereits seit Langem eine morbide Faszination aus: Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts kann man das sogenannte Ossarium, also das Gebeinhaus, besuchen. Tatsächlich hat es sich zu einem Besuchermagneten entwickelt.
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Schmuggler, Diebe und Goldschätze unter den Straßen von Paris
Das mag daran liegen, dass die Katakomben auch sonst noch so manch interessante Geschichte zu erzählen haben, wie „ntv” berichtet: Demnach wurden die Tunnel auch von Schmugglern genutzt, Diebe versteckten sich hier – eine wahre Unterwelt war also entstanden. Angeblich soll sich irgendwo in den Stollen das französische Fort Knox befinden, wo der Goldschatz der Nationalbank lagert. Sowohl Alliierte als auch Nazis nutzten die Katakomben zudem als Bunker, doch heute steigen vor allem Touristen am Place Denfert-Rochereau unter die Erde, um eine Gruseltour zwischen den Knochen zu machen.
Regelmäßig muss laut WELT jedoch auch die Polizei hier auf Streife gehen, denn die endlosen Tunnelsysteme sind auch bei den Einheimischen nach wie vor sehr beliebt. Zum Beispiel bei Sprayern, Hobbyforschern oder Menschen, die hier Partys veranstalten. Die Ordnungshüter müssen nicht selten Menschen retten, die sich verirrt haben, zudem sind einige der ehemaligen Stollen auch einsturzgefährdet. Das Betreten ist daher nur mit einem offiziell lizensierten Guide genehmigt.