31. August 2023, 18:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Mitten im Nirgendwo von Brandenburg liegt die größte Wüste Deutschlands. Ganz recht: Deutschland. Denn nahe Cottbus befindet sich die Lieberoser Wüste. Das 500 Hektar große Areal konnte allerdings nur durch ein Unglück entstehen. Und Panzer trugen auch eine ganze Menge dazu bei.
Man kann wohl zurecht sagen, dass Deutschland über eine einzigartige Natur verfügt. Hohe Berge, zahlreiche Mittelgebirge, Nationalparks, tiefe Wälder, die Nord- und Ostsee. Und ja, auch eine Wüste gibt es. Und zwar die sogenannte Lieberoser Wüste bei Cottbus in Brandenburg. Sie ist sozusagen die kleine Sahara von Deutschland, hat sich hier auf einem ehemaligen Truppenübungsgelände in Jahrzehnten gebildet. Doch ganz am Anfang stand zunächst einmal ein Unglück.
Ein Unglück, das sich für die Natur langsam zu einem einzigartigen Glücksfall entwickelte. Denn laut der offiziellen Seite des Wildnisgebietes Lieberose, zu der die Lieberoser Wüste gehört, begann alles mit einem Brand. 1942 stand hier demnach der Kiefernwald in Flammen, ein riesiges Areal wurde verwüstet. In der Folge baute die Waffen-SS das Gelände zum Truppenübungsplatz „Kurmark“ aus. 1945-47 befand sich hier eine Außenstelle des KZ Sachsenhausen, in der sowjetische Kriegsgefangene untergebracht waren.
Die größte Wüste Deutschlands
Doch erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand langsam die Lieberoser Wüste. Denn auch die Sowjets nutzten den Ort als Truppenübungsgelände, ließen hier ihre schweren Panzer fahren. Dafür wurden sogar ganze Siedlungen „zurück gebaut“. Vom Feldherrenhügel aus beobachteten ranghohe Militärs die zahlreichen Manöver. Wie der Autor Daniel Wiechman in seinem Buch „Der verrückteste Reiseführer Deutschlands“ berichtet, wurde durch die Last der Fahrzeuge der Boden derart verdichtet, das fortan hier nichts mehr wachsen konnte. Zugleich sank auch die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, und so bildete sich sukzessive die Lieberoser Wüste, die heute die größte Wüste Deutschlands ist.
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Und das 500 Hektar große Areal macht seinem Namen wirklich alle Ehre, denn im Sommer kann es hier bis zu 60 Grad heiß werden – Bodentemperatur, wohlgemerkt. Schatten Fehlanzeige, ganz wie in einer „richtigen“ Wüste eben. Kaum zu glauben also, dass sich rund um die Lieberoser Wüste eines der erstaunlichsten Naturschutzgebiete Deutschlands befindet. Denn der offiziellen Seite des Ortes zufolge leben im Wildnisgebiet Lieberose heute Wolf, Fischotter, Seeadler und Biber. Das insgesamt gut 3100 Hektar große Areal, dass die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg im Jahr 2000 übernommen hat, ist durchzogen von Wäldern, Mooren und Heiden.
Es lagert noch tonnenweise Munition im Boden
Das ist auch dem Umstand zu verdanken, dass das insgesamt 25.000 Hektar große Areal bereits seit der Wende nicht mehr als Truppenübungsplatz genutzt wird. Seit 1994 befindet es sich im Besitz des Landes Brandenburg. Laut der offiziellen Seite der Stadt Berlin entwickelt sich die Lieberoser Wüste mittlerweile zu einer Steppe. Der Boden, seit nunmehr gut 30 Jahren nicht mehr beansprucht, macht wieder einen zumindest zarten Bewuchs möglich.
Und wo früher Panzer fuhren, kann man heute wandern. Die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg bietet Führungen über das Gelände an. Dabei ist unbedingt das strikte Wegegebot zu beachten, denn niemand weiß, wie viele Munitions-Rückstände aus Sowjet-Zeiten noch im Boden liegen. Der „Lausitzer Rundschau“ nach wurden allein zwischen 2010 und 2015 hier 480 Tonnen alte Munition eingesammelt. Doch dass Deutschlands Lieberoser Wüste nun langsam wieder zu verschwinden droht, passt nicht allen. So forscht die Technische Universität Cottbus-Senftenberg hier zu Mikororganismen, die im Wüstensand zu finden sind.
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Gezielt angelegte Wüste soll vor Feuer schützen
Ein Biologe der Uni schlug daher 2017 „Deutschlandfunk“ zufolge vor, den geringen Bewuchs in der Lieberoser Wüste von Schafen wieder abfressen zu lassen. Und erwog sogar den Vorschlag, künftig für die Erhaltung der Wüste wieder Panzer einzusetzen. Dabei ist hier in den vergangenen Jahren sogar noch eine zweite Wüste entstanden. Beziehungsweise gezielt angelegt worden, und zwar von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg. Der 50 Meter breite und knapp sechs Kilometer lange, vegetationslose Streifen soll allerdings lediglich dazu dienen, im Ernstfall ein Feuer auf dem Areal aufzuhalten.