31. Dezember 2022, 8:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vor der Küste des US-Bundesstaates Florida liegt einer der skurrilsten Friedhöfe der Welt. Denn das Neptune Memorial Reef ist nicht nur letzte Ruhestätte, sondern auch ein stetig wachsendes Korallenriff. Und nicht zuletzt auch eine Touristenattraktion, denn die Macher wollten damit nicht zufällig an eine legendäre versunkene Stadt erinnern.
Etwa fünf Kilometer vor der Küste des kleinen Ortes Key Biscayne im US-Bundesstaat Florida liegt eines der ungewöhnlichsten Tauchreviere der USA. Manche würden wohl auch sagen: das makaberste. Denn beim Neptune Memorial Reef, das 12 Meter unter dem Meeresspiegel liegt, handelt es sich tatsächlich um einen Friedhof. Einen Unterwasser-Friedhof eben. Allerdings ist der Ort auch in anderer Weise einzigartig. Denn Leben endet hier nicht nur, es entsteht auch wieder neu. Die ungewöhnliche Ruhestätte ist nämlich gleichzeitig ein künstliches Riff, in dem sich immer mehr Fische und Korallen ansiedeln.
Die Erfolgsgeschichte des Neptune Memorial Reef beginnt laut „Visit the USA“, dem offiziellen Tourismusportal der Vereinigten Staaten, im Jahr 2007. Damals entwarf und eröffnete der Künstler Kim Brandell den wahrhaft einzigartigen Gedenkort. Und der erinnert nicht zufällig an die legendäre versunkene Stadt Atlantis. So gibt es antik anmutende Statuen, verwittert wirkende vermeintliche Gebäudereste und sogar Straßen unter Wasser. Diese Strukturen sind allerdings nicht wirklich Überreste einer untergegangenen Kultur, sondern wurden absichtlich hier versenkt.
Ein Paradies für Fische und Korallen
Das Ziel: Nicht nur einen wirklich einmaligen Friedhof zu kreieren, sondern mit ihm auch ein ganz neues Ökosystem. Unter dem Motto „Leben nach dem Leben schaffen“ wächst und gedeiht hier seitdem in dem flachen warmen Wasser tatsächlich ein künstlich angelegtes Riff. Bei zuletzt 2012 durchgeführten Studien ergab sich, dass bereits damals 56 Arten von Fischen und 14 Spezies mit insgesamt 195 Kolonien von Korallen im Neptune Memorial Reef heimisch geworden waren. Wie viele es mittlerweile sind, ist leider nicht bekannt. Die Betreiber des Ortes sprechen aber auf ihrer offiziellen Seite davon, dass man bereits sämtliche Hoffnungen und Ziele übertroffen habe.
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Das liegt vor allem daran, dass die Natur den künstlich geschaffenen Ort viel schneller angenommen hat als erwartet. Und seitdem breitet sie sich um und auch auf den unter Wasser liegenden Gräbern ungehindert aus. Bei diesen handelt es sich zumeist um Statuen oder andere Monumente aus Beton, die die Asche der Verstorbenen enthalten. An Land hergestellt, werden diese Strukturen schließlich gezielt versenkt, so ein Teil des Neptune Memorial Reef und damit neuen Lebens. Aber auch auf den künstlich hergestellten Ruinen des Atlantis der Toten sind die Korallen offenbar hervorragend angewachsen, wie Bilder des Ortes belegen.
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Miamis beliebtester Tauchspot
Auf einer Fläche von 6,5 Hektar sollen hier so einmal 250.000 Denkmäler für Verstorbene entstehen. 250.000 Möglichkeiten für das Leben, sich neu anzusiedeln, würden die Betreiber des Neptune Memorial Reef wohl eher sagen. Das erste von ihnen wurde damals einem jungen Mann gewidmet, der als Unbeteiligter bei einer Schießerei ums Leben gekommen war. Die Familien können sich selbst Form und Größe für das Denkmal an ihre geliebte Person auswählen. Bei der Entstehung ihres ganz individuellen Grabmals können sie sich auch beteiligen und eigene Ideen einbringen. Und auch die Beisetzung dürfen Hinterbliebene aktiv begleiten – wer tauchen kann, darf sogar mit unter Wasser. An jeden der Verstorbenen erinnert nicht zuletzt ganz konkret eine Kupferplakette mit deren Namen und Lebensdaten.
Und so kann natürlich jeder, der dazu körperlich in der Lage ist, seine Lieben unter Wasser jederzeit besuchen. Auch dieser Umstand hat das Neptune Memorial Reef in den letzten Jahren laut Aussage der Betreiber zum beliebtesten Tauchspot in der Gegend rund um Miami gemacht. Auf der Webseite des Friedhofs finden sich zahlreiche Links zu Veranstaltern, die Besucher regelmäßig mit zu dem ungewöhnlichen Revier nehmen. Mittlerweile ist das Riff auch der Ort, an dem die meisten Tauchschüler in Miami ihre Abschlussprüfung ablegen. Und wo sonst auf der Welt kann man schon sagen, man habe das Tauchen auf einem Friedhof gelernt?