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Stabiler als die offizielle Währung

Warum man auf Papua-Neuguinea mit Muschelgeld zahlen kann

Muschelgeld Papua Neuguinea
Ja, das ist echtes Geld. Zumindest bei den auf Papua-Neuguinea lebenden Tolai. Sie zahlen vermutlich bereits seit Jahrtausenden mit Muschelgeld. Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

8. September 2024, 7:05 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Auf der mikronesischen Insel Papua-Neuguinea gibt es neben der offiziellen Währung Kina mitunter auch die Möglichkeit, Dinge mit traditionellem Muschelgeld zu bezahlen. Die als „Tabu“ bekannte Parallel-Währung ist in ihrer Wertentwicklung sogar stabiler als das reguläre Geld. Alle Versuche, das skurrile Zahlungsmittel zu verbieten, scheiterten bislang. Heute kümmert sich sogar eine Stiftung um deren Erhalt.

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Stellen Sie sich einmal kurz folgendes Szenario vor: Sie gehen in ihrer Heimatstadt auf den Wochenmarkt und bezahlen ihre gewünschten Waren nicht etwa in bar, sondern mit Muscheln. Kling absurd? Nicht auf Papua-Neuguinea, denn hier lebt das Volk der Tolai. Und dieses ist dafür berühmt, dass sie neben der offiziellen Landeswährung, dem Kina, eben auch Muschelgeld als legitimen Wert anerkennen. Die als „Tabu“ bekannte Parallel-Währung hat vermutlich auf der Insel bereits eine jahrtausendelange Tradition – und ist in ihrer Wertentwicklung sogar stabiler als Euro und Dollar.

Laut dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ wird das „Tabu“ gemacht aus den Schalen der Meerschnecke Nassarius arcularius. Zu Deutsch heißt sie Sarg-Schnecke oder auch Kleine Hundeschnecke. Zu an vielen Orten auf Papua akzeptiertem Muschelgeld wird sie, indem man sie auf eine Schnur aus Pflanzenfasern fädelt. Eine solche Kette, Param genannt, ist 1,80 Meter bis zwei Meter lang und umfasst 300-400 Muschelstücken. Ein Param hat einen Gegenwert von sechs Kina, was aktuell 1,41 Euro entspricht.

Uralte Tradition

Die 100.000 Mitglieder der Tolai akzeptieren das Muschelgeld als inoffizielles Zahlungsmittel. Dass sie damit eine uralte Tradition bewahren, ist aber nur einer der Gründe für den Erfolg von „Tabu“. Denn manche Regionen auf der Insel sind derart abgelegen, dass sich die Menschen dort vollständig selbst versorgen müssen. Für uns alltägliche Waren oder eben offizielles Geld kommen dort wenn überhaupt nur sehr selten und unregelmäßig an. Und so sind eben die Meeresschnecken als zweite Währung hier stets erhalten geblieben. Nicht nur das, im Vergleich sind sie im Wert sogar massiv gestiegen. Kostete Mitte der 1990er Jahre ein Param noch einen Kina, ist er heute schon sechs Kina wert.

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Dabei gab es bereits früh Versuche, das Muschelgeld der Tolai zu verbieten. 1885 bis 1918 befand sich Papua-Neuguinea unter deutscher Kolonialherrschaft, das „Tabu“ sollte durch Bargeld ersetzt werden. Ab 1914 war sogar jeglicher Handel damit offiziell verboten. Ein Experiment, das allerdings genauso scheiterte wie später die Bemühungen der australischen Mandatsmacht, die zweite Währung abzuschaffen. Seitdem das Land im Jahre 1975 endgültig unabhängig wurde, ist „Tabu“ nun auch seitens der Regierung akzeptiert. Papua-Neuguinea ist damit das einzige Land weltweit, in dem ein solches traditionelles Zahlungsmittel neben dem Bargeld im Umlauf ist.

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60 Millionen Kilo Muschelgeld

Manache Händler tauschen sogar bei Bedarf das Muschelgeld gegen Kina ein. Für weltweites Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang die 2002 gegründete Tolai Echange Bank, die mittlerweile aber nicht mehr operiert. Das Muschelgeld ist für die Tolai aber viel mehr als nur ein Zahlungsmittel. Man kann es zum Beispiel entrichten, um Brautpreise, Hochzeiten oder Trauerfeiern zu finanzieren. Auch Steuern oder „Geldstrafen“ kann man damit begleichen. Laut aktuellen Schätzungen kursiert im Tolai-Gebiet ein Volumen an „Tabu“, das einem monetären Gegenwert von zwei Millionen Euro entspräche.

Und noch eine Besonderheit hat das Muschelgeld: Je häufiger es nämlich getauscht wird, desto wertvoller ist es. Daher genießt die inoffizielle Währung bei der Bevölkerung einen Vertrauensstatus, von dem der instabile und von Wertverfall betroffene Kina nur träumen kann. Mittlerweile erfasst und kontrolliert die staatliche Stiftung East New Britain Shellmoney Foundation (ENBSF) den Gesamtwert des sich im Umlauf befindlichen Muschelgeldes. Laut einer erst 2023 durchgeführten Erhebung sind demnach aktuell 60 Millionen Kilogramm „Tabu“ auf dem Markt.

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Und jedes Jahr kommen zu dieser „Summe“ 4800 Kilogramm dazu. Das lässt sich so genau sagen, da Nassarius arcularius auf Papua-Neuguinea überhaupt nicht mehr existiert. So muss man das „Geld“ von den mehr als 1000 Kilometer entfernten Salomonen-Inseln importieren. Obacht allerdings, sollten Sie einmal auf Papua-Neuguinea Urlaub machen: Das Muschelgeld kommt quasi nur auf lokalen Märkten als Zahlungsmittel zum Einsatz. Für alle offiziellen Zwecke wie in Supermärkten, Restaurants, in Tankstellen oder für Taxifahrten muss dann wieder ganz offiziell die Landeswährung Kina ran. Schade eigentlich.

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