2. Februar 2023, 15:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
1946 gründete eine Gruppe von Geschäftsleuten nahe Los Angeles einen ganz besonderen Ort. Pioneertown sollte dabei ursprünglich nur eine Filmkulisse sein, nachempfunden einer Stadt aus dem alten Wilden Westen. Doch tatsächlich wurden hier seitdem so viele Filme gedreht, dass Pioneertown mittlerweile dauerhaft bewohnt ist.
Nicht mehr so sehr im Computerzeitalter vielleicht, doch früher wurden Kulissen für zahllose Film-Produktionen aufwendig und liebevoll von Hand gebaut. Einmalig dabei dürfte wohl die Geschichte von Pioneertown nahe der US-Stadt Los Angeles sein. Denn ursprünglich nur als Drehort für Westernstreifen vorgesehen, wurde der Ort im Laufe von Jahrzehnten zu einer echten, dauerhaft bewohnten Kleinstadt.
Es ist das Jahr 1946, als laut der offiziellen Seite von Pioneertown eine Gruppe von insgesamt 18 Geschäftsleuten einen eigenwilligen Traum verwirklichen will – ein „lebendiges, atmendes Filmset“, so drückt es der Schauspieler Dick Curtis aus, einer von Hollywoods ersten Westernschurken. Zu jener Zeit wächst Los Angeles rapide, was es für Produzenten immer schwerer macht, ungestörte Drehorte zu finden. Ungewollter Lärm auf Filmaufnahmen macht zahllose Stunden Material wertlos und treibt damit die Kosten für neue Kassenschlager in ungeahnte Höhen. Curtis und seine Mitstreiter träumen daher von einem abgelegenen Ort, an dem sie sprichwörtlich in Ruhe drehen können.
Viel mehr als ein Drehort
Sie finden ihn schließlich in einem Tal, das mit Bergen, Canyons und vor allem Stille die perfekte Location bietet. Jeder der Partner investiert nun 500 Dollar in das Projekt, und für die Summe von 8500 Dollar kaufen sie schließlich das gesamte Tal mit einer Fläche von fast 13.000 Hektar. Die Vision: Hier wollen sie eine originalgetreue Stadt errichten, wie es sie im alten Wilden Westen der 1880er-Jahre gab. Sie erträumen sich nicht nur eine Kulisse für Filme, sondern auch ein Feriendomizil und einen Wohnort für Menschen aus der Unterhaltungsindustrie. Das ist die Geburtsstunde von Pioneertown.
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Am 1.September 1946 schließlich beginnen die Bauarbeiten. Pioneertown wird in der Folge tatsächlich zu so etwas wie eine echte Stadt, bietet Filmschaffenden und Besuchern unter anderem ein Lebensmittelgeschäft, ein Motel, einen Saloon, ein Restaurant und sogar eine Eisdiele. Zeitungen berichten großformatig, ein eigens geschriebener Song namens „Out in Pioneertown“ sorgt für weitere Reklame und damit Investoren. Etwa ein halber Hektar Land wird zum Kaufpreis von 900 Dollar angeboten. 1948 dreht Hollywood hier mit „The Valiant Hombre“ den ersten von unzähligen Westernfilmen und -serien ab.
Große Träume, schnell ausgeträumt
Filmproduzent Philip N. Krasne verliebt sich gar derart in Pioneertown als Drehort, dass er aus dem Stand 16 Hektar Land erwirbt und die gesamte Fläche des Tales auf einen Zeitraum von 25 Jahren quasi exklusiv pachtet. Er beginnt, hier seine beliebte Serie „Cisco Kid“ zu drehen. Die insgesamt 156 halbstündigen Episoden locken im Wochentakt unzählige Menschen in die Kinos überall in den USA. Country-Superstar und Schauspieler Gene Autrey lässt von 1950 bis 1955 seine beliebte Show in der authentischen Westernstadt abdrehen. Es folgen bis heute über 200 verschiedene Produktionen.
Auch die ersten Touristen beginnen, sich für den ungewöhnlichen Ort zu interessieren. Die Gründerväter von Pioneertown fantasieren in der Folge von noch viel mehr. „Ihre“ Filmset-Stadt, in der jetzt schon zahlreiche Menschen permanent wohnen, soll weiter wachsen. Die Rede ist von einem Shoppingcenter, einem Golfplatz und gar einem eigenen Flughafen. Doch die Lage in einem Wüsten-Tal machen diese Visionen schnell zunichte. Nicht einmal eine stabile und sichere Trinkwasserversorgung kann man zu diesem Zeitpunkt für die Bewohner garantieren. Keine zehn Jahre nach Gründung von Pioneertown sind all die Träume daher bereits ausgeträumt.
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Pioneertown lebt weiter
Die Gesellschaft, die den Ort verwaltet, wird von horrenden Schulden gedrückt, zudem nimmt das Interesse des amerikanischen Publikums an Western stetig ab. So wird die „Film-Stadt“ laut der Seite „Pioneertown Sun“ schließlich 1953 für die Summe von gut 80.000 Dollar versteigert. Gedreht wird hier in der Folge immer weniger. Auch, weil es bereits seit Jahren starke Konkurrenz durch andere Film-Ranches gibt. Es sind die wenigen permanenten Bewohner von Pioneertown, die den Ort all die Jahre bis heute am Leben gehalten haben. „Atlas Obscura“ zufolge sind das heute schätzungsweise 30 Menschen.
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Doch auch wenn der ganz große Boom lange vorbei ist: Pioneertown ist immer noch monatlich Schauplatz für Produktionen aus Film, Musik und Werbung. Zudem bietet der Tourismus eine nicht unerhebliche Einnahmequelle. So kann man noch immer im örtlichen Motel übernachten, und auch über zahlreiche Portale lassen sich Unterkünfte hier buchen. Vor allem am Wochenende ersteht dann laut der offiziellen Webseite der Wilde Westen als Show wieder auf, (fiktive) Pistolenduelle auf der Hauptstraße inklusive. 2016 spielte sogar Superstar Paul McCartney für 300 begeisterte Fans ein exklusives Konzert im örtlichen „Pioneertown Palace“. Der Ex-Beatle ist damit nur eine von vielen Musikgrößen, die schon hier waren.
Und in einem Punkt ist Pioneertown immer noch so wie der alte Westen aus den zahllosen Filmen. Autos sind hier verboten, stattdessen müssen Besucher Rücksicht auf den Pferde-Verkehr nehmen. Die Tiere haben hier strikte „Vorfahrt“. Alle anderen Touristen müssen sich zu Fuß durch die wohl lebendigste Filmkulisse aller Zeiten bewegen. Neben einigen Restaurants und einem Saloon bietet die Location zahlreiche Läden für zum Beispiel Töpfer- oder Lederwaren. Und sogar heiraten kann man hier. Ziemlich beeindruckend für einen Ort, der ursprünglich mal ein Filmset war.