19. August 2023, 14:25 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Normalerweise verkehren Fähren ja auf dem Wasser. Doch die Schwebefähre Rendsburg in der gleichnamigen Kleinstadt in Schleswig-Holstein gleitet majestätisch durch die Luft. Und das bereits seit über 100 Jahren. Erst seit März 2022 ist sie nach einem schweren Unfall und sechsjährigen Reparaturen wieder in Betrieb.
Man kann wohl mit Recht sagen, dass sich jeder Ort auf der Welt über eine Art Wahrzeichen definiert. Berlin hat das Brandenburger Tor, Rio de Janeiro seine Christus-Statue, Paris den Eiffelturm. In der Kleinstadt Rendsburg in Schleswig-Holstein ist man seit über 100 Jahren stolz auf Deutschlands wohl ungewöhnlichstes und skurrilstes Verkehrsmittel: die Schwebefähre Rendsburg. Denn statt über das Wasser zu gleiten wie eine gewöhnliche Fähre, schwebt sie elegant darüber hinweg.
Laut der offiziellen Seite der Stadt ist die Schwebefähre Rendsburg bereits seit 1913 in Betrieb. Nach zwei Jahren Bauzeit durch den Ingenieur Friedrich Voss transportiert sie seitdem Menschen, Autos und Waren. Sie bringt Schüler schneller zu ihren Schulen und Pendler an ihren Arbeitsplatz. Und obwohl die etwa 125 Meter lange Strecke mit der Schwebefähre nur anderthalb Minuten dauert, hat sie so eine ganze Region verändert und bereichert. Längst ist das skurrile Transportmittel auch eine der größten Touristenattraktionen der Gegend.
Schwerer Unfall
Die Schwebefähre Rendsburg verkehrt, von Stahlseilen gehalten, unter der 68 Meter hohen Eisenbahnbrücke, die Ingenieur Voss damals baute. Noch heute fahren hier, bei Kilometer 63 des Nord-Ostsee-Kanals, auch Züge über die Brücke. Mit ihrer Höhe und 2,5 Kilometern Länge gehört sie dem „NDR“ zufolge zu den größten Brücken Europas. Sicher, es gibt rund um Rendsburg zahlreiche andere Möglichkeiten, den Nord-Ostsee-Kanal zu überqueren, unter anderem eine Autobahnbrücke und gleich drei andere Fähren, die zu Wasser verkehren. Doch keine von ihnen ist so originell und liebenswürdig wie die Schwebefähre Rendsburg.
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Zudem hat ein solches Verkehrsmittel zahlreiche Vorteile: Auch bei starker Strömung, niedrigem Wasserstand oder Eisbildung kann sie fahren und verbraucht zudem weniger Energie als eine klassische Fähre. Umso schmerzhafter war es für die Rendsburger, dass ihr geliebtes Wahrzeichen bis März 2022 sechs Jahre lang außer Betrieb war. Anfang 2016 war die Schwebefähre Rendsburg mit einem Frachter kollidiert. Sie wurde dabei derart schwer beschädigt, dass sie in Reparatur gehen musste.
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Die Welterbe-Bewerbung scheiterte
Am 4. März 2022 war es dann aber nach langer Arbeit so weit, dass die Schwebefähre Rendsburg ihren Betrieb wieder aufnehmen konnte. 13 Millionen Euro kosteten die Reparaturen, weshalb man die Wieder-Einweihung umso enthusiastischer feierte. Passten auf die alte Fähre 60 Menschen und sechs Autos, kann die neue nun 100 Passagiere transportieren, wenn auch nur noch vier Fahrzeuge.
Die Schwebefähre Rendsburg verkehrt seitdem wieder täglich ab 5 Uhr morgens im 15-Minuten-Takt. Im Sommer geht der Betrieb bis 23 Uhr, im Winter eine Stunde kürzer. Nachts wird die Fähre mittlerweile von einer Lichtinstallation beleuchtet, die die Stadt Rendsburg gemeinsam mit dem Künstler Till Nowak plante. Sobald sie ihre Fahrt aufnimmt, wird sie nun farbig angestrahlt.
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Ein kleiner Wermutstropfen dürfte für die Einheimischen aber die gescheiterte Bewerbung ihrer Schwebefähre Rendsburg um den Status als Unesco-Welterbe sein. Gemeinsam mit sechs weiteren Schwebefähren hatte man sich beworben, laut Stadt bereits seit 2008 auf den Antrag vorbereitet, hoffte auf eine Bewilligung im Jahr 2017. Dazu kam es nicht, und so wurde die Bewerbung im Februar 2022 ganz gestoppt. Doch Welterbe-Status hin oder her, die Fähre ist und bleibt Deutschlands vielleicht liebenswertestes Verkehrsmittel.