20. Juni 2019, 7:17 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
In einer ehemaligen Goldgräberstadt in Alaska wächst das Geld wortwörtlich auf den Bäumen: Die hellgrünen Nadelknospen, die an der Spitze von Fichtenzweigen wachsen, sind in Skagway ein Zahlungsmittel.
Der Goldrausch in Alaska fasziniert immer noch Menschen aus aller Welt: Ende des 19. Jahrhunderts strömten unzählige Glückssucher aus aller Welt in die Wildnis des heutigen Alaska, um an den Ufern des Flusses Klondike nach Goldnuggets zu suchen und damit reich zu werden. In dem Gebiet, das ehemals nur von First Nation People, den indigenen Völkern Kanadas, und Inuit besiedelt war, wurden über Nacht Siedlungen aus dem Boden gestampft, um den als „Stampedeers“ bezeichneten Goldgräbern Unterkünfte, Läden, Bars und Bordelle zu bieten.
In vielen dieser abgelegenen Dörfer haben sich bis heute kuriose Bräuche am Leben erhalten. Ein besonders skurriles Beispiel ist das kleine Nest Skagway: Hier ist es nämlich üblich, anstatt mit Geld, mit den Spitzen von Fichtenzweigen zu zahlen, oder mit den Nadeln zu tauschen.
Dabei wird nicht jede beliebige Nadel eines Fichtenasts akzeptiert, sondern nur die intensiv hellgrünen Nadelbündel an der Spitze eines Zweiges. Diese im Englischen „spruce tips“ genannten Spitzen kann man nur zwei Wochen pro Jahr im Frühling ernten – und legal auch nur im Klondike Gold Rush National Historical Park, an dessen Rand Skagway liegt.
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Aber was macht diese Nadeln überhaupt so wertvoll, dass sie als Zahlungsmittel akzeptiert werden? Die Antwort liegt in der Geschichte, und in den Inhaltsstoffen. Die BBC ging der Sache in einer aufwendigen Recherche auf den Grund.
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Ein Bier gegen ein Pfund Nadeln
Wie genau die Tradition entstand, kann man heute nicht mehr sicher nachvollziehen, aber so viel ist sicher: Die Nadeln waren schon immer ein begehrtes Gut in der Region. Der Grund: Sie enthalten sehr viel Vitamin C. So gab etwa der Entdecker James Cook seinen Matrosen, nachdem er in der Region von Klondike gewesen war, ein Bier, welches mit den Nadeln zusammen gebraut wurde, damit seine Crew nicht an der durch Vitaminmangel hervorgerufenen Krankheit Skorbut erkrankte.
Das Wissen um die Heilkräfte der Nadeln stammt von den indigenen Stämmen Alaskas, die es wiederum an die Goldgräber und Siedler weitergaben. Zusätzlich zu ihrem Vitamingehalt wirken die Nadeln antibakteriell, was sie bis heute zu einer beliebten Zutat für Handcremes, Seife und andere Kosmetika der Region macht.
In der Brauerei „Skagway Brewing Co.“ wird bis heute ein Pale Ale mit den wertvollen Zweigspitzen gebraut. Will man dort ein Bier kaufen, legt man einfach 500 Gramm von den Büscheln auf den Tisch. Die Besitzer freuen sich darüber mehr als über Geld. Denn durch die Wiedereinführung der Nadeln als Zahlungsmittel bleibt ihnen ein großer Teil der Ernte erspart: Etwa die Hälfte der verwendeten „spruce tips“ wird von den Gästen selbst mitgebracht.
Da man die Nadeln an der Spitze so selten ernten kann und die Ernte recht aufwendig ist, sind sie bis heute auch ein begehrtes Tauschprodukt in der Stadt: auf Facebook werden sie in Tausch-Threads im Austausch gegen Waren angeboten. In lokalen Läden bekommt man für die Fichtennadeln Kaffee oder Feuerholz.
Ein Reiseleiter in Stagway sagte der BBC: „Es ist eigentlich nicht anders, als in der Vergangenheit. Damals wurde eben mit Gold getauscht.“