14. September 2024, 14:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf kann man auf eine Fläche von 40 Hektar live erleben, wie das Leben unserer Vorfahren vor tausenden von Jahren ausgesehen haben könnte. In dem in Originalgröße nachgebauten Dorf der Mittelsteinzeit können Gäste selbst diverse Dinge ausprobieren, die für die Menschen dieser Epoche zum Alltag gehörten. TRAVELBOOK sprach mit Museumspädagoge Werner Pfeifer, der hier selbst seit Jahren wie einst unsere Ahnen lebt.
Hand aufs Herz: Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Essen dauerhaft zu sammeln oder gar zu jagen? Was in Zeiten, in denen das kapitalistische Füllhorn für Jeden von uns Jederzeit das Gewünschte bereithält, völlig absurd klingt, kann man an einem ganz besonderen Ort in Schleswig-Holstein tatsächlich erleben. Denn der Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf ist eine originalgetreue Nachbildung eines Dorfes aus dem Mesolithikum, also der Epoche vor 10.000 bis 5000 Jahren. Wer hier zu Besuch kommt, kann nicht nur alles über das Lebensdamals lernen. Man kann es hier sogar live ausprobieren.
Übersicht
Denn auf 40 Hektar Fläche finden sich im Steinzeitpark Dithmarschen insgesamt 14 Bauten aus der Mittelsteinzeit. Ob Feuer machen, Brot backen, Schmuck oder Werkzeuge herstellen oder Bogenschießen – all diese Aktivitäten kann man hier, angeleitet von Experten, selbst erleben. Ein besonders bemerkenswerter Mitarbeiter, der sich selbst auch „der Steinzeitjäger“ nennt, ist der Museumspädagoge Werner Pfeifer. Bereits seit Jahren lebt er in dem Steinzeitpark zeitweise wie einst seine Ahnen. Er fängt hier selbst Fisch, ernährt sich außerdem von gefundenem Obst und Gemüse.
Seit 30 Jahren Pädagoge aus Leidenschaft
Seine Lederkleidung fertigt er eigenhändig, lebt im Steinzeitpark Dithmarschen ohne Strom, fließendes Wasser oder gar Matratze zum Schlafen. Zu TRAVELBOOK sagt er über seinen außergewöhnlichen Lebensstil: „Ich interessierte mich schon seit meiner Jugend für das ‚woher kommen wir, wer sind wir‘, und habe mich die ersten Jahre erst einmal in diese Fragen eingelesen. Da landet man sehr schnell in der Steinzeit, da diese ja etwa 95 % der Menschheitsgeschichte ausmacht.“ Vor etwa 30 Jahren stieg er auch handwerklich in das Thema ein, baut seither viele Geräte, Kleidung und Waffen der Steinzeit nach.
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In dem 1997 gegründeten Steinzeitpark Dithmarschen arbeitet Pfeifer seit mittlerweile 11 Jahren. Schon vorher habe er aber auch Kurse und Workshops zu dem spannenden Thema angeboten. Zunächst an Schulen, nun eben in dem ungewöhnlichen Freilichtmuseum. Die größte Herausforderung sei für ihn dabei stets gewesen, dass er in diesem Feld quasi ein Pionier war, daher auch niemanden im Zweifel um Rat fragen konnte. „Ich habe mir fast alles selber beigebracht, einiges von Fachleuten abgeschaut. Aber das Lernen hört nie auf. Es ist ein immerwährender Zustand.“
Vom Studium in die Steinzeit
Zu seiner Berufung zog es ihn damals direkt nach dem Lehramtsstudium in Kiel. Seitdem arbeitet er, wie er sagt, als „selbstständiger Steinzeitpädagoge“. Den gesamten Sommer lang lebt und wirkt er heute im Steinzeitpark Dithmarschen. Über sich selbst sagt er: „Ich habe mein Leben daher auch, soweit in unserer Kultur möglich, auf Einfachheit und mehr Nachhaltigkeit umgestellt, und beschäftige mich privat viel mit alternativen und besonders nachhaltigen Gesellschaftsmodellen.“
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Viele Menschen überrasche es, im Steinzeitpark Dithmarschen einen „lebenden Steinzeitmenschen“ zu sehen. Diese Gäste spreche er dann an, lasse sie am Leben, wie es damals gewesen sein könnte, teilhaben. Bei bzw. mit Pfeifer kann man Einbaum fahren, Waffen oder Steinwerkzeuge herstellen, Feuer machen oder Schmuck kreieren. Spannend seien für ihn aber auch Besuche von Fachleuten aus der Archäologie und/oder Pädagogik. „Dann entwickeln sich oft schöne vertiefende Gespräche.“ Laut Pfeifer besuchen jährlich etwa 40.000 Menschen das wohl ungewöhnlichste „Dorf“ Deutschlands.
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Treffen der Steinzeitmenschen
Gemeinsam mit seinem jüngeren Kollegen Bastian Renk lebt und arbeitet Pfeifer also den Sommer über im Steinzeitpark Dithmarschen. Besonders spannend für ihn: „Es besuchen uns auch immer mal andere Steinzeitfreunde und leben dann auch hier für ein paar Tage oder Wochen, sodass während des Sommers eigentlich fast immer mehrere Steinzeitmenschen da sind. Das ist einmalig in Deutschland.“ Neben dem Dorf und dem Steinzeitwald, in dem sich zahlreiche originale archäologische Denkmäler befinden, nennt der Pädagoge als Highlight ein gerade 2024 erst eröffnetes neues Museumsgebäude.
Hinzu kämen mehrere jährlich stattfindende Events wie zum Beispiel das Steinzeit-Treffen, „wo bis zu 60 Steinzeitmenschen aus ganz Europa für eine Woche lang zu uns kommen“. Auch gäbe es ein europaweit einmaliges Turnier für „zeitreisende Bogenschützen“ aus allen Epochen dieser Kunst. Das Jahr 2025 soll zudem ein ganz besonderes Ereignis bringen: „Wir werden ein großes Lederkanu bauen, um damit nach Helgoland zu paddeln, wie es zur Steinzeit schon nachweislich gemacht wurde.“ Ziel sei es auch, die belebte Pädagogik im Steinzeitpark Dithmarschen noch weiter auszubauen. „Für Besucher liefert das ein viel nachhaltigeres Erlebnis und Ergebnis als die üblichen unbelebten Freilichtmuseen woanders.“
Wer jetzt einmal neugierig geworden ist, den Steinzeitpark Dithmarschen zu besuchen, hat dazu laut der offiziellen Webseite ganzjährig Gelegenheit. Vom 29.03. bis 03.11. öffnet das Gelände seine Pforten für Besucher von Dienstag bis Sonntag in der Zeit von 11 bis 17 Uhr. Den Rest des Jahres ist es nur von 11 bis16 Uhr verfügbar. Erwachsene zahlen aktuell 9,50 Euro Eintritt, das ermäßigte Ticket ist schon für vier Euro zu haben. Ab einer Gruppe von zehn Personen zahlt jeder Besucher 7 Euro. Die Familienkarte kostet 21 Euro. Alle weiteren Informationen, zum Beispiel auch zu buchbaren Workshops, finden Sie auf dem Internetauftritt.