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Gesamtkunstwerk aus sterblichen Überresten

St. Ursula ist die unheimliche Knochenkirche von Köln

St.Ursula
Die sogenannte „Goldene Kammer“ in der Kölner Basilika St.Ursula ist eine der wichtigsten Reliquiensammlungen der Welt. Hier werden Knochen aufbewahrt, die man der Schutzpatronin der Stadt und ihren Jüngerinnen zuschreibt. Foto: dpa picture alliance/Artcolor | -
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

2. Juni 2024, 14:24 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

In der Kölner Basilika St.Ursula befindet sich das größte Beinhaus nördlich der Alpen. Die sterblichen Überreste von mehr als 10.000 Menschen sind hier, zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk arrangiert, in der sogenannten „Goldenen Kammer“ seit fast 400 Jahren ausgestellt. Der Kult geht auf die Legende um die Patronin der Stadt zurück – und vermutlich auch einen folgenschweren Übersetzungsfehler.

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Nur etwa 700 Meter entfernt vom legendären Kölner Dom liegt in der deutschen Stadt am Rhein ein anderes berühmtes Gotteshaus: die Basilika St. Ursula. Nach der weltbekannten Kathedrale die am meisten besuchte Kirche der Stadt, befindet sich in ihr eine wahrhaft einzigartige und für manche sicher schaurige Sehenswürdigkeit: die sogenannte „Goldene Kammer“, das größte Beinhaus nördlich der Alpen. Erbaut bereits vor fast 400 Jahren, sollen sich hier die sterblichen Überreste der Heiligen Ursula befinden, die die Schutzpatronin Köln ist. Doch an der Legende gibt es immer wieder Zweifel.

Fest steht laut „Süddeutscher Zeitung“, dass in der „Goldenen Kammer“ die Knochen von mehr als 10.000 Menschen ruhen. Sie sind, teilweise meterhoch gestapelt, an den Wänden zu einem makabren Gesamtkunstwerk arrangiert, das seinesgleichen sucht. Neben den Knochen, die Muster und teilweise sogar Schriftzüge formen, finden sich in der Katakombe auch 600 menschliche Schädel. Bekannt ist zudem, dass an der Stelle der heutigen Basilika St. Ursula bereits im 4. Jahrhundert ein Gotteshaus stand. Später entstand der Kult um die frühe christliche Märtyrerin – auch dank einer hollywoodreifen Geschichte.

Riesiges Gräberfeld

Demnach war die Heilige Ursula eine bretonische oder englische Prinzessin, die während ihres Lebens im 4. Jahrhundert ein gottesgläubiges Leben suchte. Ihrer Heirat mit einem heidnischen Königssohn stimmte sie nur unter der Voraussetzung zu, davor auf eine dreijährige Pilgerreise gehen zu dürfen. Bei ihrer Rückkehr dann erwartete sie und ihre Gefährtinnen in Köln der Tod. So sollen sie und insgesamt elf Freundinnen von den Hunnen niedergemetzelt worden sein. Bereits seit dem 6. Jahrhundert gibt es den St. Ursula-Kult, der die Heilige verehrt. Und in der „Goldenen Kammer“ in Köln sollen angeblich die sterblichen Überreste von ihr und ihren Leidensgenossinnen liegen.

St.Ursula
Die „Goldene Kammer“ wurde 1643 errichtet und überstand sogar den Zweiten Weltkrieg unbeschadet Foto: dpa picture alliance/Artcolor | –

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Und diese trugen dazu dabei, Köln im Mittelalter zu einem der wichtigsten Pilgerziele in der christlichen Welt zu machen. Denn als im Jahr 1106 die Stadtmauern versetzt werden mussten, weil die Metropole wachsen wollte, entdeckte man bei Aushebungen ein riesiges Gräberfeld. Heute ist klar, dass die Knochen von Menschen stammen, die bereits vor 2000 Jahren, also lange vor der legendären St. Ursula, gestorben sind. Doch zur damaligen Zeit deutete man die Entdeckung nur allzu bereitwillig als Sensationsfund der letzten Ruhestätte der Heiligen und ihrer Gefolgschaft.

Legendärer Übersetzungsfehler

Und dabei half wohl auch ein skurriler Übersetzungsfehler antiker Schriften. Denn irgendwie wurden im Laufe der Zeit aus den elf Jüngerinnen von Ursula stolze 11.000. Als man dann auf das riesige Gräberfeld stieß, sah man das quasi als Bestätigung der St. Ursula-Legende. Eine Legende, aus der man in der Folgezeit trefflich Profit schlug. Denn natürlich wurden die unzähligen Knochen fortan als Überreste der Heiligen und ihrer Gefolgschaft höchstselbst angepriesen. 1643 erreichte der Ursula-Kult dann mit der Errichtung der „Goldenen Kammer“ einen neuen Höhepunkt.

Das führte zum Aufblühen eines wahrhaft makabren Geschäftszweig: Kölner Handwerker fertigten in der Folgezeit immer mehr ganz besondere St. Ursula-Souvenirs an. Und zwar in Form von hölzernen Büsten, in die echte menschliche Schädel bzw. Knochen der Heiligen und ihrer angeblichen Jüngerinnen eingearbeitet waren. Für eine gewisse Zeitspanne galt bei einem Köln-Besuch der Erwerb einer solchen Reliquie als absolut en vogue. In der „Goldenen Kammer“ sind noch heute mehr als 100 dieser besonderen Büsten ausgestellt.

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Die „Goldene Kammer“ besichtigen

Als ein weiteres Wunder könnte man die Tatsache deuten, dass die „Goldene Kammer“ die schweren Angriffe auf Köln im Zuge des Zweiten Weltkrieges unbeschadet überstand. Und das, obwohl die Basilika St. Ursula selbst durch Bomben schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Wiederaufbau dauerte laut der Website „Katholisch in Köln“ von 1949 bis 1972 an. 1978 restaurierte man dann auch den besonderen Raum. Heute gilt er als eine der wichtigsten barocken Reliquiensammlungen auf der ganzen Welt.

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Wer die Basilika St. Ursula einmal besichtigen möchte, hat dazu täglich von 10 bis 17 Uhr die Gelegenheit. Die „Goldene Kammer“ jedoch ist nur Dienstag bis Samstag von 10 bis 12 Uhr und 15 bis 17 Uhr für Besucher zugänglich, sonntags zudem von 15 bis 17 Uhr. Die Kirche übernimmt für diese Öffnungszeiten allerdings keine Garantie. Der Eintritt in den besonderen Raum beträgt zwei Euro pro Person. Führungen durch das Gotteshaus können über „Katholisch in Köln“ bzw. die offizielle Tourismuswebseite der Stadt gebucht werden.

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