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Abenteuerfahrt auf zwei Rädern

Wie eine Radtour mein Bild von Deutschland veränderte

Der Altmühl-Radweg ist landschaftlich wunderschön, und von fast jedem zu bewältigen
Der Altmühl-Radweg ist landschaftlich wunderschön, und von fast jedem zu bewältigen Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

11. September 2015, 10:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Der Altmühl-Radweg ist landschaftlich wunderschön, und von fast jedem zu bewältigen. Warum sich unserem Autor Robin Hartmann trotzdem der Magen umdrehte, erzählt er im letzten Teil seiner Deutschland-Radreise.

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Alte Sprichwörter sind so eine Sache, denn oft wirken sie leicht angestaubt. „Wer rastet, der rostet“, zum Beispiel. Aber verdammt, diese Sprichwörter wären nicht so alt, wenn sie nicht wahr wären. Ich jedenfalls fühle mich nach fünf Tagen Rast in Coburg und Bamberg ziemlich eingerostet, als ich auf die dritte und letzte Etappe meiner Fahrradtour aufbreche.

Endlich wieder auf der Straße

Über die Schönheit der genannten Städte sowie die Qualität ihres Essens und Bieres könnte man sicher ganze Enzyklopädien schreiben. An dieser Stelle nur so viel: Meine Pause war so bierselig und deftig, dass ich bei meiner Weiterfahrt Richtung Rothenburg ob der Tauber trotz milder Temperaturen wie ein Schwein schwitze. Doch ich könnte nicht zufriedener sein, denn ich bin endlich wieder auf der Straße. Die Zivilisation liegt vorerst wieder hinter, die letzten 300 Kilometer vor mir. Tatendrang, Entdeckergeist, da seid ihr wieder, wie habt ihr mir gefehlt in den faulen Tagen auf der Couch. Jetzt bestimme ich wieder, wo es lang geht, und allein wegen der Wiederentdeckung dieses Gefühls hat sich die Weiterreise gelohnt.

Strullendorf, Markt Hirschaid, Seußling, Lauf, Medbach, Kalorien runterfahren, Strecke machen, die Seele entspannt sich langsam wieder, die Dörfer werden idyllischer. Das ganze Land macht gerade scheinbar Mittagspause, überall gehören die Straßen allein mir. Feldwege, ein paar Traktoren, Demantsfürth, Rappoldshofen, Gutenstetten, grasende Kälbchen, eine Kirchglocke läutet, und schon ist ein ganzer Tag vorbeigeflogen, und der Abend bricht langsam an. Rothenburg empfängt mich mit einem wunderbar klaren Nachthimmel, der mit mehreren Sternschnuppen aufwartet, aber nach 130 Kilometern bin ich einfach erschöpft und wunschlos glücklich.

Almosen für den Wander-Penner

Und dann, am nächsten Morgen, endlich auf dem Altmühl-Radweg, nachdem ich nach nicht einmal einer Stunde wegen zu vieler Touristen aus dem wunderschönen Rothenburg geflüchtet bin.

Entweder bin ich kaputt oder mein Rad, denke ich, als ich noch viel langsamer als sonst die erste böse Steigung hochächze – dann komme ich doch relativ schnell wieder in die Spur, war wohl nur ein bisschen Rest-Rost.

Frommetsfelden, Pfetzendorf, Hilsbach, scheinbar unendliche goldene Kornfelder ,dann bin ich in Herrieden, und bade bei der Ankunft erstmal im Stadtbrunnen – wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die beiden Schülerinnen Jana und Paula mich für eine Art Wander-Penner halten, und mir den Eintritt ins Freibad spendieren, weil mir gerade das Bargeld ausgegangen ist.

In dem Sinne, das ist ein Aufruf an die angeblich größte Bank der Eurozone, meine Bank: Ganz Mitteldeutschland würde sich sicherlich über ein paar Filialen freuen. Nach der Pause geht es erfrischt weiter, ein herrlicher Geruch nach frisch gemähten Feldern, das perfekte Fahrradwetter, schon bin ich in Ornbau und mache in der Nähe an einem wunderschönen Stück der Altmühl spontan Schluss für heute.

Baden, ein wenig mit den Dorfgrazien schäkern, und dann ist da noch Rolf, der Besitzer der Strandbar, der gerne ein paar Bier ausgibt und mich auf einem Matratzenlager schlafen lässt, wiederum unter schönstem Sternenhimmel. Am nächsten Tag zeigt er mir dann noch stolz seine Hühner, und ich komme nicht umhin, ihn um sein entspanntes Leben zu beneiden – Rolf, du warst ein klasse Gastgeber.

Fußbäder und polnisches Barbecue

Kurz hinter Gunzenhausen finde ich dann Reisegesellschaft, und zwar eine ziemlich große: 14 junge und ältere Menschen, die alle Teil einer deutsch-kanadisch-amerikanischen Großfamilie sind und jetzt gemeinsam durchs Land radeln. Angenehm sind auch ihr entspanntes Tempo und ihre vielen Pausen, die mich ein wenig erden und dafür sorgen, dass ich neben dem Fahren die Landschaft richtig genieße. Bayern ist aber auch einfach fantastisch. Wo in Berlin würde man denn zum Beispiel mitten an der Strecke Open Air-Kneipp-Fußbäder finden?

Hier gibt es die gefühlt in jedem zweiten Ort, eine wunderbare Abkühlung. Wettelsheim, Treuchtlingen, Solnhofen, und schon sind wir an unserem Etappenziel Dollnstein, und spätestens hier ist die Landschaft jetzt richtig malerisch, zerklüftete, felsige, grüne Täler haben uns hierher geleitet.

Zum ersten Mal baue ich mein Zelt auf einem Campingplatz auf, um meine Gesellschaft nicht zu verlieren, doch scheinbar war ich doch etwas zu anhänglich – und werde freundlich, aber bestimmt verstoßen.

So geht es dann am vierten Tag wieder allein weiter, Eichstätt, Pfünz, Almosmühle, wieder ein Fußbad, Inching, Brunnmühle, Pfalzpaint, Kinding, dann geht es weiter zum Campingplatz am Kratzmühlsee, und schon lasse ich einen weiteren Tag Tag sein und baue mein Zelt auf.

Eine wunderbare polnische Familie lädt mich noch spontan zum Grillen ein, und so bin ich am nächsten Morgen gestärkt für eine Kanutour, die die schrulligen Damen und Herren vom „Sonnigen Altmühltaler“ gleich vor dem Camping-Gelände organisieren. Heute kein Radfahren, heute bewege ich mich nur auf dem Wasser und lasse das wunderbare Altmühltal bei bestem Wetter ruhig und majestätisch vorbei gleiten. Der am langsamsten fließende Fluss in Deutschland gibt sein ganz eigenes Tempo vor, und ich passe mich nur zu gerne an, die Sonne lacht vom Himmel, die gesamte Tierwelt grüßt aus dem Schilf und von den Bäumen.

Zwischendurch mal den ein oder anderen Angler fragen, ob er schon Glück hatte, Fisch gibt es auf jeden Fall mehr als genug in der Altmühl, von Karpfen über Wels bis hin zu Bachforellen und sogar -saiblingen.

Zerstörte Kultur

An dieser Stelle noch eine deutliche Warnung: Sollten Sie Urlaub auf dem Campingplatz am Kratzmühlsee machen, sehen Sie auf JEDEN FALL von einem Besuch in den beiden nahe gelegenen Restaurants ab – Essen, das schon nach weniger als fünf Minuten serviert wird, hätte eigentlich skeptisch machen sollen, aber so verbringe ich eine mehr als unruhige Nacht, die in einem unschönen Morgen endet. Wenigstens ist der Magen danach wieder leer und das Sodbrennen auch fast weg, aber trotzdem muss ich nach 40 Kilometern aufgeben, schwerer Kopf, schwere Glieder, und das ausgerechnet in Riedenburg, wo das landschaftlich schönste Stück des gesamten Altmühl-Radwegs liegt.

Ein Bus bringt mich nach Kelheim, wo ich dank der Hilfe des überaus kompetenten Tourismus-Büros schnell in ein Bett eintauchen kann, das ich dann bis zum nächsten Mittag auch nicht mehr verlasse.

Manchmal rostet man eben doch nicht, wenn man rastet, sondern erholt sich, und in meinem Fall bin ich am nächsten Tag, dem letzten meiner Reise, tatsächlich wieder fit genug, um eine Bootstour zu unternehmen.

Von Kelheim geht es durch das Weltnaturerbe Donauenge zum Kloster Weltenburg, einer der ältesten Mönchsklausen der Welt, die seit etwa 620 nach Christus besteht.

Leider werden die Kultur und die Magie, die man hier hätte atmen können, völlig von Touristenschwärmen und schreienden Kindern zerstört, dennoch sind das Kloster und besonders seine Kirche eine echte Sehenswürdigkeit. Ich beschließe, einfach noch mal wieder zu kommen, auch, weil ich mit der Klosterschenke noch eine Rechnung offen habe: Aufgrund meiner immer noch angespannten Magendarm-Situation konnte ich das „Barock Dunkel“-Bier nicht probieren, das als eines der besten auf der ganzen Welt gilt. In dem Sinne: „I’ll be back“.

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„Wir Backpacker halten zusammen!“

Dann nochmal die letzten Kräfte mobilisieren, 40 Kilometer bis nach Regensburg, über Kapfelberg, Poikam und andere Nester.

Die eigentlich schöne Strecke an der Donau entlang wird zur nervlichen Zerreißprobe, denn ein großer Teil von mir will jetzt nur noch ankommen und nie wieder Fahrrad fahren. Die Reise findet dann aber doch noch ihren perfekten Abschluss, als ich auf der Suche nach einem Nachtquartier von „Schuss“ angesprochen werde – ich habe nie gefragt, wie er wirklich heißt.

„Wir Backpacker müssen doch zusammenhalten“, sagt er, und schon habe ich einen Schlafplatz auf seiner Couch sicher. Obwohl, schlafen kann ich in dieser Nacht nicht wirklich, zu sehr geistern mir die vergangenen Wochen im Kopf herum, und denke an das, was hinter mir liegt. Dieses wunderbare Land, dass ich ein wenig besser kennen gelernt habe, mit seinen fantastisch freundlichen und hilfsbereiten Menschen. An die Sonne, die mich drei Wochen lang ununterbrochen verwöhnt hat und an all die schönen Orte und Dinge, die ich unterwegs gesehen habe. Danke Deutschland, du warst absolut überwältigend, und ich komme gerne wieder – die nächste Radtour ist bereits in Planung.

Themen Deutschland
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