30. November 2019, 8:15 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Fast 6000 Meter misst der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas. Unsere Autorin Claudia Prommegger hat den Aufstieg gewagt und berichtet, wie sie trotz Kälte, Eis und Höhenkrankheit den Gipfel erreicht hat. Außerdem: Eine Packliste zum Downloaden!
von Claudia Prommegger
Mit 5895 Meter ist der Kilimandscharo in Tansania das höchste Bergmassiv des afrikanischen Kontinents und findet sich unter den „Seven Summits“ auf Platz vier. Der Vulkan, auch Kibo genannt und mit 5895 Metern der höchste Berg Afrikas, ist mit Gletschern und Eisfeldern bedeckt, die innerhalb der letzten zwanzig Jahre rasant abgeschmolzen sind und in etwa einem Jahrzehnt vollkommen verschwunden sein könnten.
Mein Trip auf den Kilimandscharo mit neun weiteren Bergsteiger-Freunden beginnt am Flughafen in München und geht über Dubai zum „Kilimanjaro International Airport“.
In unserer Lodge in Tansania angekommen, falle ich frühmorgens müde ins Bett. Nach einem ausführlichen Briefing und persönlichem Ausrüstungs-Check am Nachmittag, geht‘s auch schon am darauffolgenden Tag los. Das Gepäck wird gewogen und zugeteilt. Jeder bekommt sogar einen persönlichen Träger. Meine komplette Gruppe umfasst uns zehn, fünf Guides, einen Koch, zwei Küchenhilfen plus 30 weitere Träger, die unsere Taschen mit Schlafsäcken, Zelten, Essen, Kochutensilien und allem tragen, was man in einer Woche benötigt.
Guter Start in den ersten Tag
Mit Bussen fahren wir zum Startpunkt, zum Machame Gate auf 1800 Metern. Von hier an haben wir weder Elektrizität, Telefon- oder Internetempfang, fließendes Wasser oder sonstige Annehmlichkeiten. Back to the roots! Unsere einwöchige Expedition beginnt!
Wir gehen auf gut befestigten Wegen durch den Regenwald. Es ist warm, hin und wieder gibt es kleinere Regenschauer. Nach ungefähr vier Stunden fängt es so heftig an zu regnen, dass uns kleine Bäche den Weg entgegenkommen. Eine Stunde später wünsche ich mir, dass der Regen endlich aufhört. Nach einer weiteren Stunde sind meine Schuhe komplett nass.
Als wir endlich im Camp ankommen, ist es schon dunkel. Der erste Abend ist chaotisch, aber es klappt dennoch alles: Wir sind immer zu zweit in einem Zelt untergebracht und finden nach kurzem Suchen unser Zelt; unsere Taschen sind auch da. Nachdem wir Matten und Schlafsäcke für die Nacht hergerichtet haben, wartet schon das Abendessen auf uns. Zu meiner Freude bekomme ich die ganze Woche leckeres veganes Essen.
Meine größte Sorge: mein nasses Paar Schuhe! Ich stopfe fast die gesamte Klopapierrolle da rein und hoffe, dass morgen alles wieder trocken ist. Einschlafen kann ich nicht: Ich frage mich, warum bin ich überhaupt hier? Und verdammt noch mal, wie will ich eine Woche mit nassen Schuhen den Gipfel hinaufkommen? Irgendwann schlafe ich doch ein…
Auch interessant: Aufstieg auf den Mount Everest: Kosten, Routen, Gefahren
Tag 2: Morning Call um 6.30 Uhr!
Am nächsten Morgen ein hoffnungsvoller Blick aus dem Zelt: Hat es aufgehört zu regnen? Die ersten Sonnenstrahlen wärmen den Zeltplatz. Wir werden mit einer Tasse heißem Tee um halb sieben geweckt. Meine Schuhe sind noch immer feucht. Aber ich bin nicht komplett unvorbereitet und habe ein Paar Einlagen mit, die kann ich jetzt sehr gut brauchen!
Bei gutem Wetter geht’s los durch Vegetation, die sich mehr und mehr in eine Moorlandschaft verändert. Baumhohe Heidekräuter, die man bei uns als kleine Pflanzen kennt. Riesige, lange Flechten säumen den Weg, hängen an jedem Ast, wachsen auf jedem Stein. Langsam aber stetig geht es bergauf, bis auf 3750 Meter zum Shira Cave Camp.
Als wir im Camp ankommen, sieht man nur wenige Meter weit. Der Rest der Welt ist in dichten Nebel getaucht. Erst am nächsten Tag sehe ich, wie groß das Camp eigentlich ist! Viele, viele Zelte stehen hier! Abends sehen wir einen wunderschönen, sternenklaren Himmel und wissen, es wird eine kalte, aber trockene Nacht. Ich bin froh, dass ich eine Zeltkumpanin habe, denn Heizung gibt es keine und zu zweit ist es im Zelt ein bisschen wärmer.
Tag 3: Die Luft wird immer dünner
Als Extra-Akklimatisierung gehen wir über das Shira-Plateau hinauf bis zum Lava Tower auf 4600 Meter. Der Weg bergauf ist mühsam. Es ist neblig, die Luft extrem feucht. Einige bekommen wegen der dünnen Luft Kopfschmerzen. Ich gähne ziemlich oft, was ein Zeichen von Sauerstoffmangel ist. Mein Körper steht unter Stress. Leichtes Kopfweh und Übelkeit sind aber normal und unbedenklich. Viel trinken und langsames Gehen hilft.
Dann steigen wir 600 Höhenmeter ab bis zum Barranco Camp – es geht uns gleich viel besser. Wir befinden uns mitten in der Vegetationszone „Alpine Wüste“. Das Land ist karg und steinig.
Tag 4: Das Karanga-Tal – der schönste Abschnitt
Die Barranco-Wall, das Nadelöhr auf der Machame-Route, ist eine knapp 300 Meter hohe Wand, die es zu erklimmen gilt. Dies ist die anspruchsvollste Stelle auf der gesamten Strecke. Nach zwei bis drei Stunden ist der Aufstieg der Barranco-Wall geschafft. Die Belohnung: ein gigantischer Ausblick auf den Kili und dessen Gletscher. Endlich kommt der Gipfel ein näher!
Wir steigen sehr steil ins Karanga-Tal ab, um dann auf der anderen Seite wieder hinauf zum Karanga Camp zu gehen. Es ist windig, und langsam fühlt es sich wirklich so an, sehr weit oben zu sein.
Tag 5: Zelten in 4600 Meter Höhe
Ich zähle die noch bevorstehenden Übernachtungen und stelle fest, dass wir das letzte Camp vor dem Gipfel erreicht haben. Das Barafu Camp liegt auf mehr als 4600 Metern und hier gibt es nur noch scharfkantige, große Steine auf einem steilen Zeltplatz. Der Weg zum höher gelegenen Plumpsklo ist unglaublich anstrengend und lang. Bergab auf dem Rückweg ist das Zelt dagegen schnell erreicht.
Heute sollen wir zeitig ins Bett gehen, daher gibt es schon um 17 Uhr Abendessen. Danach wird uns noch mal erklärt, wie der kommende Tag ablaufen wird. Ein bisschen nervös sind wir alle, aber das ist vielleicht auch ganz normal. Bevor ich schlafen gehe, ziehe ich schon die untersten Kleidungsschichten an, damit es morgen schneller geht.
Tag 6: Der Gipfeltag!
Um 23 Uhr werden wir geweckt. Wir haben eine halbe Stunde Zeit, uns fertigzumachen. Ich brauche tatsächlich die gesamten 30 Minuten, um mich im Zelt anzuziehen, dann habe ich vier Hosen und fünf Oberteil-Schichten an. Schuhe, Gamaschen, Schal, Mütze, Handschuhe. Meine Fäustlinge packe ich ein. Den Fotoapparat stecke ich in die Jackentasche der Daunenjacke.
Als ich aus dem Zelt schaue, sehe ich, es hat geschneit. Überall Schnee!
Mit Stirnlampen ausgerüstet gehen wir nach einem kleinen Mitternachts-Snack los. Zwei aus meiner Gruppe haben beschlossen, nicht mit auf den Gipfel zu gehen, somit starten wir zu acht mit vier Guides. Die erste Stunde zieht sich ewig. In der zweiten Stunde verfallen wir in einen monotonen Rhythmus. Es ist noch immer dunkel und ein Blick nach oben zeigt die vielen kleinen Lichter der Stirnlampen der anderen Gruppen, die sich langsam immer weiter und weiter nach oben bewegen. Kleine Lichtpunkte überall, fast wie Glühwürmchen.
Immer wieder kommen wir an windigen Passagen vorbei. Die kleinen Eiskörner stechen unangenehm im Gesicht. Ich konzentriere mich wieder auf meine Schritte. Ein Fuß vor den anderen. Monotonie im Schnee. Ich verliere das Zeitgefühl. Nach einigen Stunden schmerzt mir der Nacken. Als die Schmerzen unerträglich werden, stelle ich meinen Rucksack ab und bin entschlossen, ohne weiterzugehen. Ein Guide nimmt meinen Rucksack und fragt, ob alles okay ist. Ohne Rucksack geht’s mir gleich viel besser.
Plötzlich bricht die Sonne durch die dichte Wolkendecke und verschwindet kurz darauf wieder. Licht – endlich wird es hell! Wir sind am Stella Point angekommen. Irgendwie kam mir die Zeit ewig vor, und doch habe ich kaum Erinnerung an die vergangenen sechs Stunden! Noch einmal kommt die Sonne durch die Wolken, und dieses Mal bleibt sie. Aber warm wird es nicht auf 5750 Metern. Bei Minus 15 Grad Celsius sind jedem die Strapazen ins Gesicht geschrieben. Aber noch sind wir nicht oben – es fehlt noch eine Stunde bis auf den Uhuru Peak – oder 145 Höhenmeter.
Die letzten Höhenmeter ziehen sich ins Unendliche, aber die tollen Ausblicke über das Wolkenmeer und zum Gletscher entschädigen. Jedes meiner Fotos ist genau überlegt, denn bei der Kälte die warmen Fäustlingen auszuziehen, um die Kamera bedienen zu können, ist eine echte Überwindung. Aus Vorsicht verstaue ich meinen Fotoapparat immer wieder in meiner Daunenjacke. Einigen anderen frieren die Kamera und das Smartphone ein. Keine Fotos machen zu können, das wäre mein Albtraum!
Die Luft ist dünn, allen fehlt der Schlaf. Lange können wir nicht auf dem Gipfel bleiben und wir wissen, es steht uns noch ein wirklich langer Abstieg bevor!
Der Abstieg dauert nur 2 Stunden
Nach ca. 15 Minuten auf dem höchsten Punkt des afrikanischen Kontinents steigen wir so schnell wie möglich ab. Nur etwa zwei Stunden später, es ist erst Vormittag, sind wir wieder zurück im Camp. Jeder, den wir im Camp treffen, gratuliert uns zum erfolgreichen Aufstieg. Noch immer kann ich nicht fassen, was ich heute schon alles erlebt habe. Glücklich und sehr müde falle ich in mein Zelt und schlafe bis zum Mittagessen.
Anschließend packen wir unsere Sachen zusammen und steigen weiter ab, bis ins Mweka Camp am Beginn der Regenwald-Zone. Den Abstieg spüren wir alle deutlich in unseren Körpern – besonders in den Knien. Insgesamt sind wir heute 1300 Meter auf- und 2100 Meter abgestiegen. Im Mweka Camp wird mir bewusst, dass es die letzte Nacht im Zelt ist. Ich freue mich schon auf eine heiße Dusche und ein sauberes Bett in der Lodge.
Tag 7: Zurück in die Zivilisation
Am nächsten Tag steigen wir nochmal etwa vier Stunden gemütlich auf Waldwegen ab, bis wir am Mweka Gate ankommen. Wir sind zurück in der Zivilisation!
Was als Idee begonnen hat, ist tatsächlich Realität geworden: Ich war auf dem Kilimandscharo! Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich es bis auf den Gipfel schaffe. Alle Befürchtungen, dass ich vor Kälte in der Nacht nicht schlafen kann und mich in eine heiße Wüste wünsche, während ich durch Schnee und Eis auf den Gipfel gehe, haben sich nicht bestätigt. Vielleicht hatte ich auch wettermäßig immer im entscheidenden Moment Glück. So schnell, wie sich das Wetter auf dem Berg ändert, so schnell ist gar kein Kleiderwechsel möglich: Der Kilimandscharo und sein Wetter sind und bleiben unvorhersehbar – und ein einmaliges Erlebnis!
Für wen eignet sich der Aufstieg?
Technisch betrachtet ist der Kilimandscharo mit einer guten Grundkondition keine Herausforderung. Die Wege sind meist nicht sonderlich steil und auch die Tagesetappen (3–7 Stunden) halten sich, bis auf den Gipfeltag (13–16 Stunden), im Rahmen. Die eigentliche Herausforderung: die Höhe. Das Austesten der eigenen Höhentauglichkeit ist schwierig – die Alpen sind zu niedrig, um die Höhenverträglichkeit zu trainieren.
Wie bereite ich mich am besten vor?
Zur Vorbereitung war ich vier Tage vor Abflug auf dem Similaun (3600 Meter, Ötztaler Alpen, Grenze zwischen Österreich und Italien) und habe zweimal auf 3000 Metern in der Similaunhütte übernachtet. Das hat meine Chancen erhöht, den Gipfel des Kilimandscharo zu erklimmen.
Welche Ausrüstung/Bekleidung brauche ich?
Die Packliste mit Ausrüstung, Bekleidung und Hygiene-/Gesundheitsartikeln finden Sie hier.
Mount Kenya Tour zum zweithöchsten Berg Afrikas
Funktionieren sie wirklich? Mit Video! 3 Hotelzimmer-Hacks im TRAVELBOOK-Check
Solo unterwegs? 13 Tipps für das Alleinreisen
Wann ist die beste Reisezeit für den Aufstieg?
Am besten geeignet sind die Monate Januar und Februar sowie Juni bis Oktober. Mit dem Wetter muss man Glück haben, einzig die Regenzeit (März bis Mai und November bis Dezember) sollte man meiden. Es gibt auch so genug Regen und Schnee.