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Es gibt nicht nur einen!

Welche Jakobswege in Spanien sich für wen eignen

Jakobswege in Spanien
Das Ziel ist immer Santiago de Compostela, aber dorthin führen ganz unterschiedliche Pilgerwege Foto: info.BILD.de für TRAVELBOOK.de/Kartenbasis: Maps4News.com
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TRAVELBOOK Redaktion

5. März 2022, 6:59 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten

Wer an den Jakobsweg denkt, wird sofort an einen der vielen Filme denken, in denen zum Beispiel Hape Kerkeling in Sandalen durch die Pyrenäen stolpert oder Martin Sheen mit der Asche seines Sohnes in „The Way“ unterwegs ist. Auffallend daran ist, dass die meisten Leute glauben, es gäbe nur einen Jakobsweg. Tatsächlich gibt es ein ganzes Netz von Pilgerwegen quer durch Europa bis nach Santiago de Compostela, wo sich das Grab des Heiligen Jakobus befindet. Unsere Autorin Claudia Prommegger ist sie alle gelaufen – und zeigt, welche sich am meisten lohnen.

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Von Claudia Prommegger

Seit 2016 laufe ich jedes Jahr einen anderen Jakobsweg in Spanien und möchte hier drei von den vielen vorstellen. Ich bin alle drei Wege selbst gegangen, welche nicht nur in Länge und Landschaft variieren, sondern sich auch von den Pilgern und im Gesamtcharakter sehr unterscheiden.

Wie man Pilger wird

Ein Pilger ist man offiziell erst dann, wenn man auch einen Pilgerpass besitzt, den man bei jeder Jakobusgesellschaft beantragen kann. Dieser ermöglicht das Übernachten in Herbergen, die speziell für Pilger eingerichtet wurden und besonders günstig sind. Wer schon immer Stempel sammeln wollte, kann sich hier richtig ausleben: in Herbergen, Kirchen, Bars  – einfach überall gibt es Orts-Stempel, die sogenannten „Sellos“. Diese sind für die Urkunde in Santiago de Compostela nötig, um nachweisen zu können, dass man tatsächlich einen längeren Weg gepilgert bist. Aber sie sind auch eine schöne Erinnerung an all die kleinen Orte und Städte, an denen man war.

Alle Wege führen nach Santiago

Jeder hat seine eigene Motivation zu pilgern. Nicht nur die Suche nach Gott oder – etwas weltlicher – nach sich selbst können Gründe sein. Oft sind es persönliche Schicksalsschläge, die verarbeitet werden wollen, der Wunsch nach einer Auszeit vom Alltag oder die Suche nach Abenteuer und Begegnung. Dabei haben alle Pilger aber den gleichen Ort zum Ziel: Santiago de Compostela im äußersten Nordwesten Spaniens. Wobei ich anmerken möchte, dass für mich der Weg nicht in Santiago endet, sondern erst am „Ende der Welt“ in Finisterre. Aber dazu am Ende dieses Artikels mehr.

Die Wege, oder auch „Caminos“ genannt, sind sehr gut ausgezeichnet, egal auf welcher Variante man unterwegs ist. Von Region zu Region ändert sich das Signet leicht von Muscheln und Bergdorf (Andalusien), Steinquadern (Kastilien und Leon), bis zu Wanderstab und Kürbisflasche (Galicien). Sofort wiedererkennbar ist immer der gelbe Pfeil oder die (gelbe) Muschel, egal ob auf dem Boden, an Hauswänden, Straßenschildern, auf Bäumen aufgemalt oder auf Steinen. Plötzlich dreht sich der ganze Alltag nur noch um diese scheinbar achtlos hingekritzelten Pfeile.

Der populärste Jakobsweg: Camino Francés

Länge: 940 km, etwa 37 Tagesetappen

Start: Saint-Jean-Pied-de-Port (französische Seite der Pyrenäen)

Besonderheiten:

Kurze Etappen sind möglich, da man alle paar Kilometer durch einen Ort kommt. Täglich führt der Weg durch mehrere Orte mit Einkaufsmöglichkeiten, Bars und Herbergen.

Spanischkenntnisse:

Es ist nicht zwingend notwendig Spanisch zu sprechen, allerdings ist es immer hilfreich.

Popularität:

Sehr populär! Fast 190.000 Pilger waren 2018 auf dem Camino Francés unterwegs. Das sind 57 Prozent aller Pilger, die in Santiago de Compostela ankamen. Man kann an dieser Stelle auch von einer „Pilgerautobahn“ sprechen. Je näher man dem Ziel kommt, desto mehr Pilger wird man treffen. Ich nenne diesen Jakobsweg auch den „Partyweg“, da viele junge Leute in Partylaune anzutreffen sind. Gegen schlaflose Nächte in großen Herbergen können nur Ohrstöpsel helfen.

Jakobsweg Camino Frances
Hier ging auch schon Hape Kerkeling entlang:der Camino Francés, hier zu sehen ein Teilstück zwischen Nájaro und Santo Domingo de la Calzada Foto: Claudia Prommegger

Schwierigkeit:

Einsteigerfreundlich, meiner Meinung nach ist dies der leichteste Jakobsweg. Kurze Etappen sind möglich, es gibt einen Postservice, um den Rucksack bis zur gewünschten Herberge vorauszuschicken. Außerdem gibt es unterwegs viele Brunnen, kleine Läden (Tiendas) und Bars. Im Notfall können andere Pilger aushelfen, denn man wird nie wirklich alleine sein, wenn man es nicht will.

Highlights/Vorteile:

  • Pyrenäen
  • historische Städte wie Pamplona, Burgos, León
  • besonders familiäres Gefühl unter den Pilgern
  • Cruz de Ferro (dt. Eisenkreuz) auf 1500 Metern  – der höchste Punkt des Camino Francés
  • Weingebiete in La Rioja
  • das galicische Dorf O Cebreiro auf 1300 Metern gelegen
  • die 18 Kilometer lange Hochebene „la Mesa“
Jakobsweg Camino Frances
Diese hübsche Steinkirche steht in einem kleinen Ort zwischen Triacastela und Marzan Foto: Claudia Prommegger

Beste Jahreszeit:

Hauptsaison ist Juni bis August. Wer den Massen und der Hitze im Sommer entkommen möchte, sollte entweder im Frühjahr ab April oder ab September pilgern. Im Frühjahr bis April kann es durchaus noch in höheren Lagen schneien.

Für wen geeignet?

Wer wirklich Stille sucht und keine Lust auf viele Menschen hat, dem empfehle ich alternative Routen, denn kein anderer Weg ist so frequentiert wie dieser. Wenn man noch keine Erfahrung als Pilger hat oder noch nie eine Fernwanderung gemacht hat, ist der Camino Francés als Einstieg sehr zu empfehlen. Auch wenn man alleine aufbricht, wird man sehr schnell Anschluss finden.  

Der nördlichste Jakobsweg: Camino del Norte

Länge: 870 km, etwa 35 Tagesetappen

Start: Irún (Pyrenäen)

Besonderheiten:

Kurze, aber anstrengende Etappen über Steilküsten. Schöne und weite Meeresblicke. Dieser Weg ist historisch gesehen wesentlich älter als der populäre Camino Francés. Wer es besonders sportlich mag, kann durch die Berge auf dem Camino Primitivo pilgern – der ursprüngliche und wirklich älteste Jakobsweg. Er ist gleich nach Gijón über Oviedo erreichbar.

Spanischkenntnisse:

Es ist nicht zwingend notwendig, Spanisch zu sprechen, allerdings ist es immer hilfreich.

Popularität:

Nicht sehr populär. Aber es werden jährlich mehr Pilger, die Alternativen zum Camino Francés suchen. 19.000 Pilger kamen 2018 über den Camino del Norte nach Santiago de Compostela. Das sind knapp 6 Prozent aller Pilger. Während der Hauptsaison können dennoch viele Pilger anzutreffen sein.

Camino del Norte Jakobsweg
Der Camino del Norte führt häufig direkt an der Küste entlang Foto: Claudia Prommegger

Schwierigkeit:

Kurze Etappen sind möglich, allerdings anstrengender und risikoreicher bezüglich Schlechtwetter und Wind durch die Küstennähe.

Highlights:

Steilküsten, Sandstrände, San Sebastián, Bilbao, Santillana del Mar, Luarca

Beste Jahreszeit:

Hauptsaison ist Juni bis August. Mit Regen und Wind sollte immer gerechnet werden. Teilweise können Einheimische auch über Wegalternativen informieren. Bei Hochwasser sollte man darauf auch hören!

Für wen geeignet?

Der längste Jakobsweg: Camino Mozárabe 

Länge: 1400 km, etwa 54 Tagesetappen, besser mehr einplanen

Start: Almería (Andalusien)

Besonderheiten: Oft lange Etappen, kaum andere Pilger unterwegs. Einsame Abschnitte, abenteuerlich, nicht jeder Fluss, der durchquert werden muss, hat eine Brücke – bei Regenwetter bedeutet das mitunter, dass man bis zu den Oberschenkeln durch den Fluss waten muss.

Spanischkenntnisse:

Besonders im Abschnitt Almería bis Mérida (Camino Mozárabe) sind Spanischkenntnisse äußerst hilfreich, da die Etappen lang sein können und das nächste Dorf schon mal 20, 30 oder gar 40 Kilometer entfernt sein kann! Unterwegs trifft man dann nur wenige Leute – oder oft niemanden. Man kommt meist nur mit Einwohnern der Bergdörfer in Kontakt, die weder Englisch noch sonst eine Fremdsprache sprechen. Zusätzlich sollte man sich auch bewusst sein, dass in Andalusien ein starker Dialekt gesprochen wird.

Popularität: Mit weniger als 0,1 Prozent aller Pilger ist der Camino Mozárabe faktisch ein Geheimtipp. Nur 324 Pilger kamen 2018 über den Camino Mozárabe in Santiago de Compostela an.

Jakobsweg Camino Mozarabe
Schon von Weitem sieht man sein Tagesziel, das Bergdorf Moclín Foto: Claudia Prommegger

Schwierigkeit:

Teilweise sehr lange und anstrengende Etappen, 30 oder 40 Kilometer, unterwegs keine Möglichkeit Wasser aufzufüllen, keine Dörfer mit Bars oder Einkaufsmöglichkeiten, kaum schattige Wege. An einigen Stellen sind besonders bei Regenwetter Flüsse zu durchqueren – aber es werden mehr und mehr Brücken und Übergänge gebaut. Auch die Dichte der Herbergen wird erhöht. Manchmal kam es vor, dass es keine öffentliche Pilgerherberge gab, dann musste ich in einem Hostal oder in einer Casa rural (Landhaus) übernachten.

Highlights:

Von der Mittelmeerküste zur Atlantikküste (wenn man bis Finisterre pilgert), Alhambra in Granada, Mezquita in Córdoba, römische Stadt Mérida, Oliven- und Orangenbäume soweit das Auge reicht. Die ersten Wochen sieht man immer die Sierra Nevada – über die man selbst nicht hinübergehen muss. Übernachtungsmöglichkeit im größten galicischen Kloster in Oseira aus dem 12. Jahrhundert, mit Klosterführung, gregorianischer Choral. Aber keine Heizung im Schlafsaal – so wie bei jedem Kloster.

Kloster Oseira
Blick in einen Schlafsaal im Kloster Oseira Foto: Claudia Prommegger

Beste Jahreszeit:

Da es im Februar tagsüber in Andalusien schon 20 Grad oder mehr hat, kann man auch schon relativ früh starten, um der großen Hitze von 40 Grad im Sommer auf den schattenlosen Wegen zu entkommen. Täglich muss man mit der Herberge, die am darauffolgenden Tag erreicht werden soll, in Kontakt treten. Sonst steht man vor verschlossenen Türen, da es sein kann, dass man seit Wochen der erste Pilger ist. Es gibt aktuelle Listen im Internet mit Telefonnummern, die man entweder anruft oder via Whatsapp kontaktieren kann. Da ich Spanisch spreche, war das alles kein Problem. Denn ich musste mir die eine oder andere spanische Erklärung anhören, um letztlich den richtigen Stein, unter dem der Schlüssel der Herberge liegt, zu finden.

Für wen geeignet?

Wenn man zwei Monate oder länger Zeit hat, ist dieser Weg ein absolutes Highlight. Man lernt sich und auch Spanien von einer ganz anderen Seite kennen. Besonders anfangs sollte man seine Kräfte gut einteilen, denn man hat noch einen weiten Weg vor sich! Wer gar kein Spanisch spricht, könnte Schwierigkeiten bei den Absprachen mit den Herbergen bekommen.

Auch interessant: Das ist die skandinavische Alternative zum Jakobsweg

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Das Ende der Welt: Camino a Finisterre

Länge: 120 km, 4 bis 5 Tagesetappen

Start: Santiago de Compostela

Plötzlich steht man in Santiago de Compostela vor der Kathedrale und die wochenlange Pilgerschaft, zwischen Tortur und unglaublich schönen Momenten, soll von heute auf morgen vorbei sein? Das muss nicht sein. Ich empfehle noch über Muxía bis Finisterre weiterzugehen. Erstens hat man dadurch noch Zeit zu verarbeiten, dass bald alles vorbei sein wird, und zweitens ist für mich nach jedem Weg der Sonnenuntergang in Muxía und in Finisterre ein absolutes Highlight.

Für Eilige gibt’s auch Busse, die direkt in beide Orte fahren. Es gibt außerdem in beiden Orten Urkunden, allerdings nur für diejenigen, die auch von Santiago de Compostela gelaufen sind (strenge Stempelkontrolle!).

Ob zuerst nach Muxía oder Finisterre ist eigentlich egal, denn in Finisterre und in Muxía gibt es jeweils einen offiziellen „Kilometer Null“. Ich bin beide Varianten schon gelaufen und empfehle zuerst nach Muxía zu gehen, da die meisten zuerst nach Finisterre aufbrechen. So hat man, nachdem sich die Wege trennen, ein bisschen mehr Ruhe und kommt tatsächlich als allerletzte Etappe am „Ende der Welt“ in Finisterre an. Von Muxía geht es anfangs ein Stück bergauf, aber dann den ganzen restlichen Tag leicht bergab. Wenn man sieht, wie alle entgegenkommenden Pilger aus Finisterre sich bei Hitze den ganzen Tag bergauf quälen, fällt es einfach leichter, bergab mit einem Lächeln sein „Hola, buen Camino!“ über die Lippen zu bringen.

Angekommen am „Kilometer Null“ in Finisterre!
Angekommen am „Kilometer Null“ in Finisterre! Foto: Claudia Prommegger

Übrigens: Es gibt auch eine Wegalternative zwischen Muxía und Finisterre, die direkt am Strand entlangführt. Die ist auch sehr schön und etwas länger. Aber was sind schon zwei Kilometer mehr? Es ist der letzte Pilgertag!

Spanischkenntnisse:

Hier spricht man Galicisch, aber mit Spanisch kommt man auch sehr gut zurecht. Finisterre ist ein touristischer Ort, vermutlich kann man sich dort ohne Weiteres mit Englisch und  Deutsch durchschlagen.

Popularität:

Nur ein kleiner Teil der Pilger, die in Santiago de Compostela ankommen, laufen noch weiter. Da die meisten, die weitergehen, zuerst nach Finisterre wandern, schlage ich hier die Alternative vor, zuerst nach Muxía und anschließend als krönenden Abschluss nach Finisterre, ans „Ende der Welt“, zu gehen.

Schwierigkeit:

Nachdem man bis Santiago gekommen ist, sollten diese letzten Etappen kein Problem darstellen. Je nachdem, wie gut man zu Fuß unterwegs ist, sind die insgesamt 120 Kilometer in 4 bis 5 Etappen machbar.

Claudia Prommegger am Strand vor Finisterre
Glücklich angekommen: Autorin Claudia Prommegger am Strand vor Finisterre Foto: Claudia Prommegger

Highlights:

Großartige Sonnenuntergänge, Muxía mit hohen Wellen, Kirche und Leuchtturm an der Costa da Morte (dt. Todesküste), hier liegen wohl ziemlich viele Schiffwracks auf dem Meeresgrund.

Für wen geeignet?

Für alle, die noch zeit übrig haben und wirklich bis ans Ende der Welt gehen wollen.

Als ich 2018 im knapp 1500 Kilometer entfernten Almería gestartet bin, war ich mir nicht sicher, ob ich es jemals so weit schaffen würde. Nach 69 Tagen bin ich in Muxía gewesen und am 70. Tag zu Fuß am „Ende der Welt“ in Finisterre angekommen. Es war ein unglaublich tolles Gefühl, als ich die beiden schönsten Sonnenuntergänge in Muxía und in Finisterre gesehen habe. In diesen Momenten waren alle Anstrengungen und der lange Weg vergessen. Zumindest solange, bis mich im nächsten Frühjahr das Fieber packt und ich einen neuen Jakobsweg gehen werde, wenn es dann wieder heißt „Buen Camino!“

Themen Spanien
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