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Anderthalb Jahre nach dem Unglück in Georgien

Was wurde eigentlich aus dem Skigebiet Gudauri?

Downhill im Skigebiet Gudauri in Georgien – hier ist es längst noch nicht so überfüllt wie auf vielen Pisten in den Alpen
Downhill im Skigebiet Gudauri in Georgien – hier ist es längst noch nicht so überfüllt wie auf vielen Pisten in den Alpen Foto: Getty Images
dpa

30. Oktober 2019, 7:37 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Gudauri ist das größte Skigebiet Georgiens – und seit einem Liftunfall weltweit bekannt. Dem Skiboom im Kaukasus hat aber weder das virale Video davon noch der Konflikt mit Russland geschadet.

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Gudauris Weltruhm begann mit einem Horrorvideo. Auf verwackelten Aufnahmen sieht man einen Sessellift rückwärts rasen, Skifahrer und Snowboarder werden durch die Luft geschleudert. Das Video ging im März 2018 viral, Millionen Menschen sahen es im Internet. Eine Katastrophe für das Skigebiet in Georgien – am Ende aber auch ein Glücksfall.

„Mit einem Schlag wussten die Leute auf der ganzen Welt, dass man in Georgien Skifahren kann“, sagt George Gotsiridze. „Im Nachhinein war es gutes Marketing. Aber nur, weil niemand starb.“ Was ein großes Glück war, wenn man sich die Aufnahmen ansieht.

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Der Sessellift hinauf auf das Plateau des Sadzele West sorgte im Frühjahr 2018 für Schlagzeilen – ein Defekt ließ ihn den Hang hinabrasen. Er ist längst reparariert.

Gotsiridze, 47, ist Geograf, er berät die Regierung des kleinen Kaukasuslandes beim Ausbau seiner Skigebiete. „Natürlich stornierten in den Wochen nach dem Liftunfall viele Gäste ihren Urlaub“, erzählt er. „Aber diesen Winter kommen sogar 30 Prozent mehr Gäste als in der Vorsaison.“ Seit 2011 sei die Gästezahl gar um 578 Prozent gestiegen.

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Das Chaletdorf New Gudauri ist eine Ausnahme im architektonischen Wildwuchs des Ortes, in dem sonst Betonkästen und alte Häuser dominieren.

Weiße Kämme und ein Wolkenmeer

Dennoch: Im Vergleich zu den Riesenskigebieten der Alpen sind die Pisten Gudauris immer noch leer, vor allem morgens. Wenn um 10 Uhr die Lifte anlaufen, carvt man ungestört über breite Hänge. Aus den Skibars wummern schon die Bässe gegeneinander an, Paraglider segeln über die Köpfe hinweg. Und mit jedem Lift, den man hinauf fährt, wird die Aussicht erhabener: über angezuckerte Bergwälder, weiße Kämme und ein Wolkenmeer bis zum weit am Horizont gezogenen Bogen des Kaukasus.

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Die Gipfel des Kaukasus haben Wintersportler im Skigebiet Gudauri stets im Blick.

„In den Alpen wären hier überall Skigebiete“, sagt Sven Fölser. Der österreichische Bergführer kommt seit 2012 jeden Winter für mehrere Wochen nach Gudauri. „Die Umgebung ist hochalpin wie in der Schweiz, und die Möglichkeiten sind der Wahnsinn“, sagt Fölser. „Wenn man nur ein wenig geht, entdeckt man immer wieder neue Routen.“

Fölser saß damals mit im Horrorlift. „Jetzt lachen wir darüber“, sagt er. „Aber das war wirklich ungut.“ Experten haben ermittelt, wie es zu dem Desaster kam: Zuerst fiel der Strom aus, dann machte ein Mitarbeiter beim Umschalten auf den Generator einen Fehler.

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Abseits der Piste sollte man das Lawinenrisiko deshalb auch hier niemals unterschätzen.

Ein Jahr später ist der Vierer-Sessellift längst repariert. An der Bergstation rutscht man hinaus auf das Gipfelplateau des Sadzele West in 3276 Metern Höhe. Hier beginnen die einzigen schwarzen Pisten Gudauris. Nun, da sich das Skigebiet langsam füllt, fährt man sie besser umsichtig. Denn viele Wintersportler hier sind eher Anfänger. Oder sie pflegen einen unorthodoxen Freistil. Bremsen ist da nicht immer vorgesehen.

Tiefschneehänge statt planierter Ski-Autobahnen

Die meisten Westeuropäer, die nach Georgien fliegen, kommen aber ohnehin nicht für die planierten Ski-Autobahnen. Ihnen geht es um die weiten Hänge ringsum – oberhalb der Baumgrenze und sehr verlockend, meist mit mehrere Meter hohem, unberührtem Schnee bedeckt. Schon zu Sowjetzeiten reisten Deutsche, Österreicher und Schweizer an, um mit russischen Helikoptern zu den Tiefschneehängen zu fliegen.

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Die Glashütte auf dem Kudebi ist der schönste Ort, um den Skitag in Gudauri ausklingen zu lassen.

Zuvor war Gudauri lange nur eine Poststation in rund 2200 Meter Höhe, wo die Kutscher ihre Pferde wechselten. Mitte der 1980er Jahre baute ein Joint Venture mit einem österreichischen Investor die ersten Lifte und das „Marco Polo Hotel“, heute ein Vier-Sterne-Klotz mit Hunderten Betten und Pool.

Um diese Keimzelle ist seitdem ein architektonischer Wildwuchs gewuchert: Entlang der Straße in Richtung Russland sind Betonkästen und alte Häuser hingewürfelt, dazwischen ragen die Stahlmasten der Hochspannungsleitung auf.

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Freerider gehen von der Bergstation des Sadzele West zu den Tiefschneehängen auf der Nordseite des Bergkamms.

Glühwein, Käsefladen und ein bunter Gästemix

Die meisten Gäste setzen sich tagsüber vor die Holzbuden, die Glühwein, Bier und Chatschapuri verkaufen, georgische Käsefladen. An den Tischen sitzen Litauer und Esten, Ukrainer, Polen und Briten. Vor allem aber viele Russen. Zur Grenze im Norden fährt man nur eine Stunde, hinter dem nächsten Bergkamm im Süden beginnt die abtrünnige Region Südossetien, die Russland seit dem Kaukasuskrieg von 2008 kontrolliert. Die Spannungen zwischen den Ländern stören die russischen Gäste aber offenbar nicht.

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Die Hänge rund um Gudauri sind an solchen Tagen ein Paradies für Freerider.

Der Gästemix in Gudauri ist bunt. Im Lift erzählen zwei Däninnen, dass sie in Dubai leben und regelmäßig zum Skifahren nach Georgien kommen. „Wir fliegen direkt in drei Stunden nach Tiflis“, sagen sie. Für europäische Fachkräfte, die in den Golfstaaten arbeiten, ist der Kaukasus viel näher als die Alpen – und billiger.

Neue Lifte und Pisten zum Jubiläum

Mit den vielen neuen Gästen sind allerdings die Schlangen vor den Liften gewachsen. Zum 30-Jahres-Jubiläum im vergangenen Winter bekam Gudauri deshalb neue Pisten und Lifte spendiert. 81 Millionen Lari investierte der Staat, umgerechnet rund 25 Millionen Euro.

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Im Winter 2018/19 gingen in Gudauri neue Lifte und Pisten in Betrieb – Anlass war das 30-jährige Jubiläum des Skigebiets.

Im Januar lief die Seilbahn auf den Kobi Pass an, in Zehnergondeln surrt man jetzt in einer Viertelstunde die 7,5 Kilometer hinauf zur Passhöhe – und zum Start der schönsten Abfahrt des Resorts. Mit Blick auf den Kasbek kurvt man das breite, sanft abfallende Hochtal auf der anderen Seite hinab, umgeben von steilen Hängen. Ein Genuss, finden die meisten. „Ein Freeride-Hang weniger“, grantelt Sven Fölser.

Einen weiteren Ausbau des Gebiets planen die Bergbahnen derzeit nicht. Die Pisten seien ausreichend für 15.000 Wintersportler pro Tag, sagt Aleksander Kikabidze, Chef der Bergbahnen. Und wenn sie irgendwann nicht mehr ausreichen, kann er rasch reagieren. „Alle Berge hier sind Vulkane“, erklärt Kikabidze – also gleichmäßige Hänge. „Wir können die Pisten einfach breiter walzen.“

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Nützliche Infos

Anreise: Von München und Berlin gibt es Direktflüge nach Tiflis. Von der Didube-Busstation fahren Sammeltaxis, Marshrutka genannt, in rund zwei Stunden nach Gudauri – wenn sie voll sind. Wer es bequemer mag, bezahlt umgerechnet rund 55 Euro für einen direkten Transfer vom Flughafen zum Skigebiet.

Reisezeit: Die Wintersaison dauert von Dezember bis April. Den besten Schnee findet man in der Regel im Januar und Februar vor.

Wintersport: Das Skigebiet hat gut 30 Kilometer an Pisten. Der Tagespass kostet je nach Monat zwischen 30 und 50 Lari (9 bis 15 Euro). Für eine Wochenkarte bezahlt man 174 bis 290 Lari (53 bis 88 Euro). Für die Leihausrüstung (Ski, Stiefel und Stöcke), werden 40 Lari fällig (12 Euro). Snowboard und Stiefel kosten genauso viel.

Für einen Tandemflug im Gleitschirm, eine Viertelstunde lang, bezahlt man 250 Lari, etwa 76 Euro.

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