22. November 2024, 14:51 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Immer mehr Kletterer strömten in letzter Zeit in das norditalienische Etschtal. Dies führt zum Unmut bei den Einheimischen. Nun haben anonyme Täter zu drastischen und gefährlichen Mitteln gegriffen, um die Kletter-Touristen zu vertreiben. Als Protestaktion wurden an mindestens zwei Kletterrouten die Sicherungshaken entfernt.
Tourismus kann, wenn er richtig umgesetzt wird, viel Positives für ein Reiseziel mit sich bringen. Doch an vielen Orten auf der Welt nimmt er leider immer mehr überhand und die Klagen der Einheimischen gegen den Overtourism häufen sich. An Orten wie Barcelona, Mallorca oder auf den Kanaren gab es bereits Protestmärsche gegen den Massentourismus. Im norditalienischen Etschtal griff man nun zu drastischeren Mitteln, um die Touristen fern zu halten. Da die Region vor allem wegen ihrer Kletterpfade besucht wird, entfernten anonyme Täter auf diesen nun die Sicherungshaken, um gegen den Klettertourismus zu protestieren.
„Climbers go home“ – Unbekannte entfernten Sicherungshaken
Die Kletterroute „Mamma li Turchi“ ist eine beliebte Route nahe Canale im Etschtal, gelegen zwischen Trient und Verona, östlich von Garda am Gardasee. Der Name „Mama, die Türken!“ hat seine Wurzeln laut „tz“ im sizilianischen Sprachgebrauch und bedeutet so viel wie „eine Katastrophe!“ – ein Verweis auf die historischen Überfälle muslimischer Piraten. Die Route mit einem Schwierigkeitsgrad von 5+/6- gilt als anspruchsvoll, aber nicht besonders lang. Auf bergsteigen.com wird sie als „ideale Nachmittagsbeschäftigung“ empfohlen.
Kürzlich machten Bergsteiger auf der beliebten Route jedoch eine unangenehme Entdeckung. Unbekannte hatten einige der Sicherungshaken der Kletterroute „Mamma li Turchi“ entfernt. Zudem wurden die blauen Buchstaben des Routennamens durchgestrichen und daneben die Botschaft „Climbers Go Home!“ („Bergsteiger geht nach Hause!“) ergänzt. Ein deutscher Alpinist entdeckte das Ganze Mitte November. Dieser warnte auf bergsteigen.com: „Der erste Haken ist umgeschlagen, die anderen und auch der Stand abgeflext. Auch in der zweiten Länge konnte ich keine Haken entdecken. Die Tour wurde anscheinend komplett demontiert.“ Auf Facebook postete man auf bergsteigen.com einige Fotos von dem vandalisierten Pfad.
Italienisches Bekennerschreiben fordert Ende von Werbung für Klettersport
Auf der Facebook-Seite „Arrampicata in Val d’Adige“ (Klettern im Etschtal) wurde ein Foto eines Schreibens veröffentlicht, das in Klarsichtfolie am Fels in der Nähe der entfernten Sicherheitshaken angebracht wurde. Das Dokument trägt die Überschrift „Zur Verteidigung des Etschtals“ und ist unterzeichnet mit „Revolutionäre Einheimischenzelle“.
In dem Schreiben wird die gefährliche Sabotage wie folgt begründet: „Die touristische Überfüllung, die das Leben in der Stadt Tessari beeinträchtigt, zeigt, dass die unkritische Einführung neuer Tourismusmodelle durch eine übertriebene ‚Aufwertung des Territoriums‘ seitens bestimmter Lobbys die Notwendigkeit verdeutlicht, durch politische Maßnahmen den Schutz der lokalen Gemeinschaften sicherzustellen und die fehlende Steuerung der Touristenströme auszugleichen.“ Weiter heißt es: „Niemand von uns ist an der Art von Tourismus interessiert, wie wir ihn heute erleben müssen – das Ergebnis jahrzehntelanger Trägheit im Denken und Handeln, die die Verbreitung individueller Initiativen einiger Bergsteiger ermöglicht hat.“
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Klettersport boomt in Italien
Tessari ist in jüngster Zeit über das Internet extrem bekannt unter Klettersportlern geworden. Und auch sonst boomt die Sportart gerade in Italien. Laut „tz“ verzeichnet der italienische Sportkletterverband FASI seit der Pandemie einen Rekordzuwachs. Die Mitgliederzahlen sind von 40.000 im Jahr 2019 auf 100.000 im Jahr 2023 angewachsen. Der Verfasser des Bekennerschreibens prangert die online verbreitete „wahllose Werbung“ an und klagt, dass Touristen die Städte jedes Wochenende „überfallen“. Aus diesem Grund sei dies der erste „einer langen Reihe von Anschlägen“, die ausgeübt werden sollen. Diese Drohung solle nur dann nicht wahr gemacht werden, wenn künftig Entscheidungen zum Schutz der Kleinstädte aus der Bevölkerung getroffen werden und nicht von Politikern, Bergführern oder Reiseveranstaltern.