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Mordserie aus den 70er Jahren

Die Geschichte des berüchtigten „Bikini-Killers“ Charles Sobhraj

Charles Sobhraj gilt als einer der schlimmsten Serienmörder in Asien und sitzt noch heute in Kathmandu im Gefängnis
Charles Sobhraj gilt als einer der schlimmsten Serienmörder in Asien und sitzt noch heute in Kathmandu im Gefängnis Foto: Getty Images
Larissa Königs
Larissa Königs Autorin

10. Mai 2022, 6:43 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Man nannte ihn den „Bikini-Killer“, aber auch „The Serpent“, die Schlange, weil er den Behörden immer wieder entkam. Sein richtiger Name: Charles Sobhraj, ein Franzose, der in 1970er-Jahren junge Reisende auf dem „Hippie Trail“ ermordete. Doch wer war Charles Sobhraj wirklich – und wie gelang es ihm, so viele Menschen zu täuschen? TRAVELBOOK kennt die ganze Geschichte und hat mit einem Mann gesprochen, der Sobhraj persönlich im Gefängnis traf und interviewte.

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Sie wollen diese Geschichte lieber hören, statt sie zu lesen? Kein Problem. In unserem True-Crime-Podcast „Tatort Reise“ sprechen wir darüber und lassen Experten zu Wort kommen.

Raus aus dem Heimatland, reisen, die Welt sehen, etwas erleben –  Gedanken, die noch heute viele Backpacker haben, machten sich auch die jungen Hippies in den 1960er- und 1970er-Jahren, die mit dem Rucksack von Europa nach Asien reisten. Auf dem sogenannten „Hippie Trail“. Eine von ihnen: die US-Amerikanerin Teresa Knowlton aus Kalifornien.

Die damals 21-jährige Knowlton wollte auf dem Hippie Trail laut „Independent“ zum Buddhismus finden. Ihr Startpunkt. Bangkok. Ihr Ziel: Kathmandu. Doch sie sollte Nepals Hauptstadt nie erreichen. Im Oktober 1975 finden Fischer am Strand von Pattaya Knowltons Leiche, bekleidet nur mit einem geblümten Bikini. In den folgenden Jahren gibt es weitere Morde an Rucksacktouristen auf dem Hippie-Trail. Oft sind die Opfer Frauen, in ihrem Blut finden sich Abführ- und Rauschmittel.

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Zunächst sind die Behörden der Länder entlang des Hippie-Trails wenig alarmiert. Ungeklärte Todesfälle werden oft auf Drogen und Alkohol zurückgeführt. Doch bei den toten Frauen lag es weder an zu viel Drogen- noch Alkohol-Konsum. Sie wurden vergiftet. Von einem Mann namens Charles Sobhraj.

Drogen spielten bei den Reisenden auf dem Hippie Trail eine große Rolle. Hier eine Gruppe junger Erwachsener etwa 1970 im indischen Goa.
Drogen spielten bei den Reisenden auf dem Hippie Trail eine große Rolle. Hier eine Gruppe junger Erwachsener etwa 1970 im indischen Goa. Foto: Getty Images

Charles Sobhraj – ein mordender Menschenversteher

Sobhraj wurde in Saigon während der französischen Kolonialzeit geboren. Sein Vater war ein indischer Textilhändler, die Mutter Vietnamesin. Seine Mutter verließ den Vater und heiratete einen Franzosen, wodurch Charles Sobhraj letztendlich nach Frankreich kam. Schon früh ist Sobhraj dort als Berufskrimineller unterwegs. Wie der „Spiegel“ berichtet, verübt er Einbrüche, klaut Autos und Juwelen, landet immer wieder im Gefängnis.

Dabei kommen Sobhraj zwei Dinge zugute: sein gutes Aussehen und sein außergewöhnliches Charisma. „Charles Sobhraj ist sehr charmant, er hat etwas Faszinierendes: Nicht nur ist er hochgebildet – er spricht 15 Sprachen – er kann auch seine Persönlichkeiten wechseln. Mal ist er ein französischer Akademiker, mal ein vietnamesischer Edelsteinhändler“, berichtet Tom Vater, ein deutscher Journalist, der in Südostasien lebt und Sobhraj zweimal interviewte, im Gespräch mit TRAVELBOOK.

Sobhraj und seine Komplizen sind auf Pässe und Wertgegenstände aus

Sobhraj ist hochmanipulativ und schafft es in seiner langen Karriere als Berufskrimineller immer wieder, Menschen in seinen Bann zu ziehen und zu seinen Komplizen zu machen. Schon früh manipuliert er seinen jüngeren Bruder, später bringt er ihn sogar dazu, eine Gefängnisstrafe für ihn abzusitzen. Auch die Frauen in seinem Leben, etwa seine erste Ehefrau Chantal Compagnon und seine spätere Geliebte Marie-Andrée Leclerc, unterstützen ihn und helfen ihm vereinzelt bei seinen Verbrechen. Aber auch Männer, etwa der Gelegenheitsdieb Ajay Chowdhury, verfallen ihm. Um sich herum baut er einen Kult aus ihm hörigen Komplizen, mit denen er Raubzüge plant. Tom Vater hat eine mögliche Erklärung für seine damalige Beliebtheit: „Seine aufdringlich gesellige Art hatte vermutlich zu seiner Popularität bei Hippies beigetragen.“

Denn auf die Hippies hat er es vor allem abgesehen. Die Reisenden auf dem Hippie-Trail haben das, was für ihn nützlich ist: Wertgegenstände und vor allem Pässe. Denn im Gegensatz zu anderen Serienmördern geht Sobhraj bedacht, kalkuliert und eiskalt vor. Während er anfangs nur seine Opfer ausraubt, beginnt er schließlich auch, sie zu ermorden. Mutmaßlich, um Spuren zu verwischen.

Nach Teresa Knowlton vergiftet er weiter gutgläubige Hippies und kann zunächst weitermorden, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen. Er verübt seine Taten in Thailand, in Indien und in Nepal. „Man legt Sobrahj zwei Morde zur Last, die er in den frühen 70er-Jahren in der Freak Street in Kathmandu begangen haben soll. Einem damaligen Sammelpunkt für Hippies aus Europa und den USA“, berichtet Tom Vater. Sobhrajs Opfer sind reisende Hippies aus den USA, Kanada, Frankreich, Indien oder Israel.

Nachdem nicht nur in Bangkok und Kathmandu, sondern an immer mehr Orten in Südostasien Fälle auftreten, gerät der skrupellose Sobhraj doch noch in das Visier der Behörden – und erhält seinen Spitznamen „Bikini-Killer“, als man nach Knowlton noch eine weitere ermordete Frau in einem Bikini findet.

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Wie der „Bikini-Killer“ zur „Schlange“ wurde

Bald wird er noch unter einem anderen Namen bekannt: „The Serpent“, die Schlange. Denn der ebenso charmante wie skrupellose Sobhraj schafft es immer wieder, sich aus den Fängen der Behörden zu winden. Ihm kommt zugute, dass er ein früher Kosmopolit ist. Sobhraj wechselt die Länder wie andere ihre Kleidung. Innerhalb weniger Jahre lebt er in Indien, Thailand, Nepal, der Türkei, Griechenland, Frankreich und sogar in Dänemark.

In dieser Zeit wird er zwar mehrfach festgenommen, zum Beispiel in Griechenland und Indien, kann jedoch immer wieder durch Listen entkommen. Einmal gaukelt er eine falsche Identität vor. Ein anderes Mal vergiftet er die Gefängniswärter, die er mit seinem Charme um den Finger wickelt.

Erst im Juli 1976 wird Sobhraj in Neu-Delhi endgültig verhaftet, als er mehrere Personen einer Gruppe Studenten vergiften will. Das Gift wirkt zu schnell und die Polizei kann informiert werden. Sobhraj wird festgenommen. Schließlich verurteilt man ihn in einem Aufsehen erregenden Prozess wegen des Mordes an mindestens acht Menschen zu zwölf Jahren Gefängnis. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein – doch auch in diesem Fall konnte sich die „Schlange“ herauswinden.

Was wurde aus Charles Sobhraj?

Während seiner Zeit im gefürchteten Tihar Jail, dem größten Gefängnis in Neu-Delhi, führte Sobhraj ein Leben wie ein Prominenter: Er gab Journalisten aus aller Welt Interviews, ließ sich in dem sonst für seine furchtbaren Haftbedingungen bekannten Gefängnis Fernseher und Gourmet-Essen in seine Zelle liefern und freundete sich mit den Gefängniswärtern an, wie unter anderem die „India Times“ berichtete. An seinem zehnten Haft-Jubiläum gelingt ihm dann sogar der Ausbruch aus dem Tihar Jail.

Journalist Tom Vater erzählt: „Eines Nachts hat er eine Party gefeiert, seine Wächter mit der Torte vergiftet und ist einfach abgehauen.“ Einige Wochen später ließ er sich dann absichtlich wieder verhaften. Der Grund: Er entging so der Todesstrafe. „Er wusste, dass wenn er von den Indern entlassen wird, man ihn nach Thailand ausliefert. Und dort hätte ihm wegen der Bikinimorde damals die Todesstrafe gedroht.“ So lieferte sich Sobhraj selbst aus und wurde nach weiteren zehn Jahren im Gefängnis in Neu-Delhi 1997 freigelassen und kehrte nach Frankreich zurück.

Charles Sobhraj 1996 mit seinem Verteidiger, nachdem er nach Frankreich abgeschoben wurde
Charles Sobhraj im Jahr 1996 mit seinem Verteidiger Foto: dpa picture alliance

Dort verbrachte er einige Jahre in Freiheit, bis er einen folgenschweren Fehler beging: Er verließ Frankreich und reiste nach Kathmandu. Hier wurde er, laut „BBC“ wegen eines falschen Passes verhaftet.

Begegnung mit Sobhraj – wie ist er wirklich?

Zu dieser Zeit bekommt der Journalist Tom Vater die Möglichkeit, Sobhraj im Gefängnis zu treffen. Vater berichtete 2003 als Journalist für eine englischsprachige Zeitschrift für Wirtschaft und Politik, vom nepalesischen Bürgerkrieg und über Flüchtlinge aus Tibet. Nach einer Woche im Kampfgebiet traf er kurz vor Weihnachten in Kathmandu ein – und konnte dank guter Beziehungen ein Treffen mit Sobhraj erwirken. „Nach zwei Tagen betraten wir eine kleine, kalte, schmutzige Besuchszelle im Central Jail. Besucher mussten sich auf eine Betonbank setzen und blickten auf die den Raum teilende Mauer, die von einem Maschendrahtzaum gekrönt war. Der obere Rand der Mauer befand sich damit etwa auf Augenhöhe der Besucher“, berichtet er. Die Inhaftierten – auch Charles Sobhraj – seien, an Händen und Füßen gefesselt, in den hinter der Mauer liegenden Raum geführt worden. Wie nahm Tom Vater ihn wahr?

„Vom ersten Augenblick unserer beiden Begegnungen an versuchte Sobhraj, das Gespräch an sich zu reißen. Augenblicklich begann er, die Anklagepunkte auseinanderzunehmen und zu entkräften. Er war damals 58 Jahre alt und hatte eine eigentümliche Art, sich mitzuteilen“, berichtet Tom Vater. „Ich hatte das Gefühl, dass er die Aufmerksamkeit in den lokalen Medien und unser Treffen ungemein genoss. An diesem kalten Tag kamen mir sein Erzähltalent und sein Geplauder einfach weltfremd vor.“

Sobhraj habe wechselnde Identitäten, angenommen, die alle auf seinem familiären Hintergrund beruhten – etwa ein vietnamesischer Edelsteinhändler, ein französischer Akademiker oder ein indischer Textilverkäufer. Über die Morde, wegen derer er im Gefängnis saß, sprach Sobhraj nicht. Dafür log er, und bestritt Vater gegenüber vehement, je vor der Festnahme Nepal betreten zu haben. Außerdem kritisierte die Justiz des Landes. Sie sei „hoffnungslos veraltet und inkompetent“ und er werde „in drei Monaten wieder auf freiem Fuß sein.“ Bis zuletzt war Sobhraj also das Gegenteil von reumütig, sondern arrogant und voller Hochmut. Auch Vater betont: „Verzweifelt war er nicht.“

Doch diesmal sollte sich Sobhraj täuschen: Er wurde nicht freigesprochen. Nur wenige Monate nach Vaters Interview wurde der Serienmörder Charles Sobhraj zu lebenslänglicher Haft in Nepal verurteilt. Brisant: Da er nie wieder nach Thailand einreiste, konnte er auch nie für seine dort begangenen Taten belangt werden.

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„The Serpent“ – Charles Sobhraj Geschichte auf Netflix

Auch wenn Charles Sobhraj seither im Gefängnis sitzt, gibt es immer noch zahlreiche Relikte von ihm. Seine schaurige Geschichte ging um die Welt und wurde in mehreren Dokumentationen und Büchern erzählt. Der jüngste Coup: Eine Co-Produktion der BBC mit dem Streaminganbieter Netflix. Die 8-teilige Dramaserie „The Serpent“ feierte am 1. Januar 2021 auf BBC One Premiere und erschien als „Die Schlange“ am 2. April desselben Jahres auch in Deutschland auf Netflix.

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In der Serie, die zum Großteil in Thailand gedreht wurde, wird der Fokus vor allem auf das Katz-und-Maus-Spiel von Charles Sobhraj und dem niederländischen Diplomaten Herman Knippenberg gelegt. Knippenberg trug einst maßgeblich zu der Verhaftung von Sobhraj bei. Anzumerken ist allerdings, dass die Serie zwar bedeutende Eckpunkte aus Sobhrajs Geschichte aufnimmt und auch viele Charaktere, wie etwa seine Komplizen Marie-Andrée Leclerc und Ajay Chowdhury, auftauchen. Aber es gibt auch einige Freiheiten in der Handlung. Zudem wurden die Dialoge frei erfunden.

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Auch wenn „The Serpent“ somit keine Dokumentation des Falls darstellt, gibt die Serie doch einen Einblick in Sobhrajs Denkweise – und beweist einmal mehr, dass er auch heute noch auf schaurige Art fasziniert.

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