11. Juli 2020, 6:21 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wer schon immer einmal davon geträumt hat, Hausboot-Urlaub in Frankreich zu machen, sollte auf dem Canal du Midi von Toulouse Richtung Mittelmeer schippern. Das Gute ist, dass es nur sehr langsam voran geht und man so die Fahrt und Umgebung in aller Ruhe genießen kann.
Ein Wasserweg vom Atlantik zum Mittelmeer – diesen Traum hatten die Menschen schon vor sehr langer Zeit. Damit könnte man sich den 3000 Kilometer langen Weg um die Iberische Halbinsel sparen. Verwirklicht wurde der Traum mit zwei Wasserstraßen. Eine davon ist der Canal du Midi (der Vollständigkeit halber: der zweite ist der 196 Kilometer lange Canal latéral à la Garonne).
Wer heute am Ufer des Canal du Midi steht, der kann sich kaum vorstellen, dass die 240 Kilometer lange Wasserstraße schon sehr alt ist. Schon 1681 wurde sie vollendet. Von Toulouse führt sie durch Städte wie Castenaudary, Bram, Carcassonne, Trèbes, Capestang, Béziers und Agde, vorbei an wunderschönen Landschaften in den Départements Midi-Pyrénées und Languedoc-Roussillon. Offizieller Anfang des Kanals ist der Übergang vom Canal lateral à la Garonne, und bei Les Onglous mündet er in den Étang de Thau.
Verlauf des Canal du Midi von Toulouse bis Agde am Mittelmeer
Anfänge schon in römischer Zeit
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte des Kanals: Schon in römischer Zeit hatte man überlegt, eine Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer zu bauen. 20 Kilometer entstanden zu Zeiten von Kaiser Augustus – sie sind heute Teil des Canal de la Robine von Moussoulens bis Port-la-Nouvelle bei Narbonne. Später plante eine Expertengruppe um Leonardo da Vinci eine weitere Wasserstraße, die aber nicht verwirklicht wurde, weil in der dafür vorgesehenen Region im Languedoc nicht ausreichend Wasser vorhanden war.
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Pierre-Paul Riquet entwarf den Kanal
Erst um 1642 machte sich Pierre-Paul Riquet, ein Ingenieur aus Béziers, an Planungen für den heutigen Canal du Midi. Er hatte sich schon als Kind für einen solchen Bau interessiert, hatte vergleichbare Kanäle studiert und wagte sich schließlich an sein Meisterwerk. 1667 begann der Bau – ein großes Vorhaben, denn das Wasser musste 30 Kilometer transportiert werden. Man musste Bäche stauen und umleiten, Höhenunterschiede überwinden und eine Talsperre bauen. Der Canal du Midi entstand in mehreren Etappen.
Zeitweise waren bis zu 12.000 Arbeiter beschäftigt, und zu den verbreitetsten Werkzeugen gehörten Hacken, Schaufeln und Ochsenkarren. Umso erstaunlicher ist es, dass der Bau bis zum ersten Probebetrieb nur 14 Jahre dauerte. 1681 war der Kanal fertig.
Schleusen und eine Brücke für Schiffe
63 Schleusen überbrücken Höhenunterschiede, 30 davon werden auch heute noch von Schleusenwärtern betrieben. Die wohnen gleich nebenan, und manche von ihnen verdingen sich nebenbei als Händler und bieten Kunsthandwerkliches oder Lebensmittel aus der Region an. Zu den spektakulärsten Bauten gehört die insgesamt 300 Meter lange Schleusentreppe von Fonserannes bei Béziers, die Schiffe innerhalb von 30 bis 45 Minuten passieren.
Zur Anlage gehört auch eine Kanalbrücke über den Fluss Orb. Sie entstand, weil der Orb nicht immer ausreichend Wasser führt. Mit dem Schiff auf einer Brücke – dieses Gefühl kann man hier erleben. Auch einen Tunnel und weitere Brücken gibt es im Canal du Midi, außerdem Häfen, in denen die Boote anlegen können.
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Ferienvergnügen für Hausboot-Kapitäne
Genutzt wird der Canal du Midi, der seit 1996 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, als Transportweg für Waren und Post, heute aber ist er hauptsächlich ein Ferienvergnügen für Hausboot-Kapitäne. Für Hausboote benötigt man keinen Führerschein, es genügt, sich vom Vermieter kurz erklären zu lassen, wie das Boot gesteuert wird. Wer mit dem eigenen Boot anreist, braucht allerdings mindestens einen Sportbootführerschein Binnen.
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Eine Fahrt mit dem Hausboot auf dem Canal du Midi ist das reinste Urlaubsvergnügen. Denn die Boote dürfen nur sieben Stundenkilometer schnell fahren – man ist also langsam genug, um die wunderschön grüne Umgebung mit Weiden, Pappeln, Maulbeerbäumen und Platanen richtig in sich aufnehmen zu können. Hektik ist ein Fremdwort, selbst Entenfamilien können beim Tempo mithalten. Lieblingsbeschäftigung der Freizeitkapitäne, wenn sie nicht gerade eine der Schleusen überwinden müssen: Beine baumeln lassen und Wolken zählen. Verfahren kann man sich ja nicht auf dem Canal du Midi.
(Text: Silke Böttcher)