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Polen

Das Hautboot-Revier „Großpolnischer Ring“ bei Poznan

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Cornelia Jeske

29. Juli 2015, 9:58 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Seit der Aufhebung der Führerscheinpflicht für Freizeitkapitäne vor fünf Jahren ist Polen für viele Hausboot-Urlauber eine willkommene Option. Vor allem in die Masuren zog es bisher die Touristen. Doch jetzt gibt es mit dem Großpolnischen Ring eine Alternative zum Klassiker im Norden. Eine Erfahrung.

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Wodek muss nicht lange überlegen. Was er so sehr liebt am Bootsfahren, dass er dafür seine kleine Werkstatt aufgegeben hat? „Dass das Leben hier nur halb so schnell läuft wie an Land“, sagt er und lässt den Blick schweifen über die Bäume, die langsam vor dem Fenster vorbeiziehen. Den Kormoran, der statuengleich am Ufer steht. Dem vertäuten Ruderboot im Schilf. „20 Stundenkilometer sind es an Land“, sagt der 61-Jährige, „auf dem Wasser gerade mal zehn.“

Langsamer werden, oder: entschleunigen, wie die Wellnessindustrie das erholsame Tempodrosseln nennt, ist sicher einer der Gründe, warum Schreibtischtäter im Urlaub so gern Kapitän werden und ein Hausboot chartern. Die Entdeckerlust – die Hoffnung, in Gefilde vorzudringen, in denen noch keiner war (oder zumindest: noch nicht so viele) – ist ein anderer. Doch während Letzteres in den klassischen Hausbootrevieren Europas oft ein frommer Wunsch bleibt, ist das Schippern auf dem Großpolnischen Ring tatsächlich noch: ein Abenteuer.

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Dramatische Wolkenkonstellation über dem Großpolnischen Ring. Foto: C. Tomerius

Insgesamt 690 Kilometer Wasserweg bietet Europas jüngstes Hausbootrevier, das hier in den letzten Jahren auf den Wasserwegen von Warta (Warthe), Noteć (Netze), Brda (Brahe) und dem Kanał Bydgoski (Bromberger Kanal) entstand und jetzt tatsächlich einen geschlossenen Ring ergibt. 13 Tage braucht man mit dem Hausboot, um ihn komplett zu befahren, ohne lange Pausen. Doch die Wenigsten wollen das und geben sich stattdessen mit Teilstrecken zufrieden.

Etwa mit der zwischen Konin und Poznan, auf der wir gerade unterwegs sind – und die für viele die schönste Route des Rings ist. Als „Amazonas Polens“ wird sie gar bezeichnet. Hier ist das Ufer üppig bewaldet, grasen Pferde am Ufer, schiebt sich hier und da eine romantische Holzkirche aus der Landschaft und hängen Männer mit konzentriertem Blick Angeln ins Wasser.

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Fahren immer zusammen raus: Andrzej Nieczuja-Urbanski (l.) und Wlodzimierz (Wodek) Klimczak. Foto: C. Tomerius

„Nach jeder Kurve sieht es anders aus“, sagt Wodek, während Andrzej (72) das Boot durch die Warta steuert. Die beiden Männer verbindet neben der Leidenschaft für das Wasser vor allem eine jahrelange Freundschaft. Sie fahren immer zusammen, sagen sie – und zwar etwa 3000 Kilometer im Jahr. Acht- bis zehnmal dürften sie den Großpolnischen Ring inzwischen schon umrundet haben.

„Admirals Traum“ heißt ihr kleines Motorboot. Und das war es tatsächlich: der Traum der Kapitäne. Wodek hat es selbst gebaut – auf Basis eines alten russischen Bootes aus den 1970er-Jahren – und dafür sogar seine kleine Werkstatt geschlossen, in der er zuletzt Militärmaschinen für ein privates Militärmuseum reparierte. 2009 wurde der „Admirals Traum“ zu Wasser gelassen. 2010 wurde in Polen die Führerscheinpflicht für Freizeitkapitäne aufgehoben – und das kleine Boot schipperte neuen Einkommensquellen entgegen.

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So sieht es aus, wenn ein Traum Wirklichkeit wird: das Boot „Admirals Traum“. Foto: C. Tomerius

Denn jetzt kann man das Boot von Wodek, auf dem in vier Kabinen sechs Gäste Platz haben, auch mieten (hier geht es zur Internetseite für Infos und Buchung). 550 Zloty kostet das am Tag, etwa 130 Euro, eine gründliche Einweisung durch die Besitzer inklusive. Die ist nötig, auch für erfahrene Hausboot-Urlauber. „Man muss den Fluss lesen können“, erklärt Wodek, „weil er sehr flach ist.“

Der flache Wasserstand ist denn wohl auch die größte Herausforderung in dem neuen Hausbootrevier. Manchmal führen die Flüsse hier so wenig Wasser, dass man noch nicht mal Kajak fahren kann. Hausboote dürfen demnach nicht zu tief im Wasser liegen. 30 Zentimeter Tiefgang sind in der Regel kein Problem, ein Meter wäre es hingegen schon.

Wie ein Bungalow, der schwimmen kann

Auf einen niedrigen Tiefgang haben auch die Erbauer der hiesigen Werft Sudnik Motoryachts Wert gelegt, als sie den Trimaran HTR-42 Explorator bauten, der derzeit in der Marina Nowe Miasto nad Wartą vertäut am Steg liegt und von Interessenten besichtigt werden kann. Ist das Hausboot voll beladen, liegt es gerade mal 60 Zentimeter im Wasser.

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Der Trimaran HTR-42 Explorator. Foto: C. Tomerius

Wie ein moderner Bungalow, der schwimmen kann, sieht das Bötchen aus und wird von einem gemütlichen Sessel aus gesteuert, auf dem der Kapitän durch breite Panoramafenster den Fluss im Blick hat. Sechs bis acht Personen finden auf dem Hausboot Platz, 1500 Euro pro Woche zahlen diese in der Hauptsaison (Juli und August) dafür. In den anderen Monaten wird es um etwa ein Drittel günstiger.

Gemietet werden kann das Boot allerdings erst im nächsten Jahr, in diesem Sommer fungiert der Prototyp vorerst als Anschauungsobjekt. Und als eine Art Platzhalter. Denn die Marina, in der das Boot vertäut liegt, wurde von derselben Werft gebaut wie das Hausboot. Im September 2013 wurde der kleine Jachthafen übergeben und ein Jahr später schon ausgezeichnet: als „schönste Touristenanlage auf den ländlichen Gebieten Großpolens“. 30 Jachten bis 15 Meter Länge haben hier Platz. Doch momentan schaukelt die Explorator in der Regel ganz allein auf dem Wasser. Der Großpolnische Ring – noch ist er eine Art Geheimtipp.

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So bequem sitzt der Kapitän im Trimaran HTR-42 Explorator. Foto: C. Tomerius

Das soll sich natürlich bald ändern. Dafür sorgt auch die Werft selbst, die schon weitere Hausboote dieses Typs plant und baut. Auch andere Werften und Veranstalter setzen zunehmend Boote auf den Großpolnischen Ring. Darunter ist mit Kuhnle Tours auch ein Deutscher Veranstalter. In Masuren ist Harald Kuhnle mit seinen Hausbooten schon lange präsent. Auf dem Großpolnischen Ring hat er erst mal nur ein Boot im Angebot – und will abwarten, wie sich die Ecke entwickelt, sieht aber „gute Chancen“ für die neue Hausbootregion.

Dabei konzentriert sich Kuhnle vor allem auf die Strecke im Osten des Rings, weil diese einfacher für Hausboot-Anfänger zu meistern sei. Auf der Warthe wären sie hingegen nicht nur mit dem sehr niedrigen Wasserstand konfrontiert, sondern auch mit einer recht hohen Fließgeschwindigkeit. Da falle das Navigieren zuweilen schwer.

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„Mit der Natur leise werden“

Kapitän Andrzej hingegen merkt man keine Mühen an, als er den „Admirals Traum“ gegen Ende des Tages durch die Warthe steuert. Für die beiden beginnt jetzt die schönste Zeit auf dem Fluss: Es sind die Stunden, so Wodek, „wenn man zusammen mit der Natur leise wird. Wenn abends in der Dämmerung die Vögel verstummen und man in den Rhythmus der Kraniche verfällt.“

Und, so möchte man ergänzen, wenn sich das Tempo auf dem Wasser auf Null entschleunigt. Denn der Motor, der ist dann natürlich aus.

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Auf dem Großpolnischen Ring sind Hausbooturlauber oft ganz allein unterwegs. Foto: C. Tomerius

Die Reise wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsverband. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

Themen Europa Polen
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