1. November 2019, 9:37 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wer eine Kreuzfahrt macht, bucht in Sachen Essen das Rundum-Sorglos-Paket meist gleich mit dazu: Dann gibt es neben einem üppigen Frühstücksbuffet auch mittags eine Mahlzeit, nachmittags folgen Kuchen und Snacks, und am Abend hat man auf vielen Schiffen die Wahl zwischen mehreren Restaurants, in denen mal am Buffet zugelangt werden kann und mal Menüs serviert werden. Man kann sich vorstellen, dass da eine ganze Menge Lebensmittel übrig bleiben. Aber was passiert eigentlich damit? TRAVELBOOK hat bei verschiedenen Reedereien nachgefragt.
Eine Kreuzfahrt ohne üppiges Speisenangebot würde kaum jemand buchen. Auf der „Aida Nova“ zum Beispiel, dem neuen Flaggschiff von Aida Cruises, gibt es 17 Restaurants. Besonders Buffets sind auf See beliebt. Um diese zu bestücken, müssen natürlich jede Menge Vorräte an Bord geschafft und in jedem Hafen mit neuen, frischen Lebensmitteln aufgestockt werden.
37.000 Eier und tonnenweise Obst
Nach Angaben des Kreuzfahrtverbands Clia plant ein Schiff mit 2.600 Passagieren auf einer Atlantiküberquerung mit 13.200 Portionen Müsli, 37.000 Eiern und 7.500 Portionen Marmelade. Auf einer zehntägigen Seereise mit 400 Gästen verarbeitet die Küche sieben Tonnen Obst. Und sechs Tonnen Fleisch und Geflügel werden auf einer siebentägigen Kreuzfahrt von rund 700 Gästen verspeist.
Küchenabfälle landen im Meer
Ein Teil der Lebensmittel, nämlich die Bioabfälle, darf drei Seemeilen (etwa 5,5 Kilometer) von der Küste entfernt legal ins Wasser abgeleitet werden. In besonderen Gebieten wie Nord- und Ostsee müssen es zwölf Seemeilen (etwa 22,2 Kilometer) sein. Bei einem Schiff mit Tausenden Passagieren landen somit Unmengen an Gemüse-, Obst- und anderen biologisch abbaubaren Abfällen in den Ozeanen. Das stelle zwar auf dem offenen Meer kein großes Problem dar, wie Sönke Diesener, Referent für Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), auf Nachfrage von TRAVELBOOK erklärt. „In flacheren Gewässern, wie etwa in der Karibik, kann die schiere Menge an Küchenabfällen allerdings wie Gift wirken, weil das Meer dadurch überdüngt wird.“ Die negativen Folgen sind Algenwachstum und Sauerstoffmangel im Wasser.
Laut dem NABU-Experten müssen die in der Schifffahrt bestehenden Regularien für die Entsorgung von Abfällen dringend überarbeitet werden, da sie nur für Schiffe mit kleiner Besatzung gelten. Größere Schiffe, die für Tausende Passagiere und teils auch Tausende Besatzungsmitglieder konzipiert seien, hätten aber ganz einfach keine Speicherkapazitäten für all den anfallenden Lebensmittel-Müll. „Für uns ist ganz klar: Der Anspruch für jegliche Schiffe muss sein, dass keinerlei Abfälle mehr über Bord gegeben werden“, fordert Diesener.
Was passiert mit den anderen Essensresten?
Es lässt sich nicht leugnen: Neben den Bioabfällen landen auch Dutzende Kilo Lebensmittel, die auf Kreuzfahrtschiffen nicht verbraucht werden, im Müll. Wie viele Kilo Essen jeden Tag absolut in den Müll gehen, dazu gibt es keine Angaben. Auf Nachfrage von TRAVELBOOK wollte sich keine Reederei hierzu äußern.
Die Rationen an benötigtem Essen pro Passagier möglichst genau zu planen, ist ohne Frage eine große Herausforderung – insbesondere dann, wenn die Speisen in Form von Buffets angeboten werden. Dazu kommt, dass jedes angesteuerte Land andere Gesetze bzgl. der Hygienevorschriften hat, so dass Essen nicht ohne Weiteres einfach gespendet werden kann. Dazu kommt, dass die Reedereien tunlichst vermeiden wollen, dass sich Krankheiten an Bord verbreiten, so dass schnell verderbliche Speisen eher früher als zu spät entsorgt werden.
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Was tun die Reedereien, um weniger Lebensmittel zu verschwenden?
Royal Caribbean
Royal Caribbean arbeitet nach eigenen Angaben eng mit Lieferanden und den Mitarbeitern an Bord jedes einzelnen Schiffes zusammen, um bei der Kreuzfahrt die Bedürfnisse anhand der demografischen Merkmale der Gäste und Regionen zu ermitteln. „So wollen wir sicherstellen, dass wir ausreichende, aber nicht übermäßige Lebensmittelmengen bestellen“, heißt es auf Nachfrage von TRAVELBOOK. Bei Kreuzfahrten, bei denen viele Kinder mit an Bord seien, wisse man zum Beispiel von vornherein, dass es eine große Nachfrage nach Burgern, Pommes und Pizza geben werde und dann fülle man die Lager dementsprechend. „Bei Artikeln wie Obst und Gemüse mit einer kürzeren Haltbarkeit kaufen wir schrittweise ein, um sicherzustellen, dass wir während der gesamten Kreuzfahrt das beste Produkt haben und den Verderb auf ein Minimum reduzieren“, erklärt die Reederei weiter.
Costa Crociere
Die italienische Reederei Costa hat im September 2017 das britische Unternehmen Winnow engagiert, um die Lebensmittelabfälle auf der „Costa Diadema“ zu messen. Ganz genau wurde erhoben, was auf den Tellern übrig blieb. Auf Basis der Daten wurde das Angebot an Speisen angepasst – und reduziert. Auf dem Kreuzfahrtschiff konnten nach Angaben der Reederei bereits mehr als 50 Prozent der Lebensmittelabfälle vermieden werden.Was war besonders verzichtbar? Zum einen eher schmückendes Beiwerk wie Kräuter und Obst, zum anderen Beilagen wie Reis, Kartoffeln und Brot. Bis 2020 sollen die Abfälle flottenweit um diesen Wert gesenkt werden.
Costa spendet zudem übrig gebliebene Lebensmittel an wohltätige Organisationen in einigen angelaufenen Städten – zum Beispiel in Palermo, Marseille und Barcelona. Die Reederei setzt außerdem auf die Sensibilisierung der Gäste. Dafür gibt es die Kampagne „Taste don’t waste“ (z. Dt.: „Probieren, nicht wegwerfen“). Die Passagiere sollen dazu angehalten werden, sich nicht so viel auf die Teller zu häufen. Das Buffet produziert besonders viele Reste.
„Das ist sicherlich die größte Herausforderung, weil der Gast bis zum Ende ein relativ voll ausgestattetes Buffet erwartet“, sagt Jörg Rudolph, Deutschland-Chef von Costa Crociere. Auf den Costa-Schiffen kommt hinzu: Die Nationalitäten essen sehr unterschiedlich. „Der Deutsche isst vielleicht fünf Kartoffeln, der Franzose nur zwei“, gibt Rudolph ein fiktives Beispiel. Und letztlich isst auch die Crew, die aus verschiedensten Ländern kommt, recht verschieden.
Aida Cruises
Aida Cruises, Marktführer in Deutschland und Schwestergesellschaft von Costa, ermittelt nach eigenen Angaben ebenfalls die Abfallmengen und bemüht sich um eine Reduzierung. Ein Trick für das Buffet: Gegen Ende der Öffnungszeit werde nicht das Angebot an Speisen verkleinert, wohl aber schrumpfen die Servierschalen. So soll das Angebot an Speisen vielfältig, aber weniger übrig bleiben. Zudem gebe es ein Nachordersystem auf den Schiffen, womit Restaurantmitarbeiter mit einem mobilen Gerät nur Speisen in der Hauptküche nachbestellen, die auch benötigt werden. Aus früheren Vergleichsdaten kann das Vorratsmanagementsystem Menüvorschläge für die Küchen machen.
Tui Cruises
Mit der Organisation „United Against Waste“ untersucht Tui Cruises seit Herbst 2016, wie sich Abfälle an Bord möglichst vermeiden lassen. Das Pilotprojekt fand auf der „Mein Schiff 4“ statt. In einem der Buffetrestaurants wurden nach Angaben der Reederei 20 Prozent der Lebensmittelabfälle eingespart. Der Deutsche Reiseverband zeichnete das Projekt im Dezember 2017 mit einem Nachhaltigkeitspreis aus.
Urlauber können also zu einer nachhaltigeren Kreuzfahrt beitragen – indem sie nicht mehr vom Buffet nehmen, als sie essen.