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Hinter den Kulissen der Traumschiffe

Kreuzfahrt-Küchenchef enthüllt: »Auf deutschen Schiffen wird besonders viel Alkohol getrunken

Koch Schiff
Ein ehemaliger Kreuzfahrtschiffskoch berichtet auf TRAVELBOOK über den teils problematischen Alkohol-Konsum innerhalb der Bord-Crew. (Symbolfoto) Foto: dpa picture Alliance
Susanne Resch
Susanne Resch

6. Dezember 2021, 11:27 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

In der TRAVELBOOK-Serie „Hinter den Kulissen der Traumschiffe“ blicken wir in eine Welt, die Kreuzfahrt-Urlaubern in der Regel verborgen bleibt, und beleuchten die immer wieder kritisierten Arbeitsbedingungen aus erster Hand. Im dritten Teil berichtet ein Chefkoch von seinen Erfahrungen in den Kombüsen, in denen rund um die Uhr für das leibliche Wohl der Passagiere gesorgt wird.

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Tom (Name von der Redaktion geändert) wurde in Bochum geboren und hat nach seiner Ausbildung zum Koch zunächst in einem Züricher Hotel und in einem Golfclub auf Mallorca gearbeitet, bevor er aufs Schiff ging. Es folgten knapp 26 Jahre als (Chef-)Koch auf diversen Schiffen der Fluss- und Hochsee-Kreuzfahrt – eine Zeit, die Tom auf keinen Fall missen möchte. Warum ihn die Arbeit so faszinierte und was ihm nicht ganz so gut geschmeckt hat, verrät er im TRAVELBOOK-Interview.

TRAVELBOOK: Wie sind Sie dazu gekommen, Koch auf einem Schiff zu werden?
Tom: „Für mich war klar: Ich wollte raus in die Welt. Nach meiner Zeit in der Schweiz und auf Mallorca bin ich 1995 das erste Mal an Bord eines Flussschiffs gegangen und heuerte kurz darauf auf einem deutschen Kreuzfahrtschiff an. Nach 22 Monaten als Koch auf dem Schiff mit zwei Wochen Pause in Thailand konnte ich viel Geld zur Seite legen – dafür hatte ich in den zweimal elf Monaten an Bord nicht einen einzigen freien Tag.“

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Haben Sie danach wieder als Koch an Land oder trotz der harten Bedingungen weiter auf einem Schiff gearbeitet?
„Mit dem Geld habe ich mich zunächst als Küchenmeister selbstständig gemacht, ein eigenes Restaurant eröffnet und geheiratet. Nachdem ich mit meinem Lokal pleitegegangen bin, arbeitete ich mich auf dem Schiff einer amerikanischen Reederei zum Chef-Koch hoch. Die musste 2001 aber ihre Dienste aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs in Folge der Anschläge vom 11. September einstellen. Daher ging es im Jahr 2002 wieder an Bord eines Flussschiffes und ich wurde Corporate Chef – mit vielen anderen Schiffen und deren Küchen unter meinem Kommando und verantwortlich für die Produkte, das Personal, die Trainings und die Ausbildung. Mit dem Aufhebungsvertrag im Jahr 2013 stand erneut die Hochsee auf dem Programm. Allerdings bin ich auf dem Schiff eines deutschen Reiseanbieters nicht lange geblieben – es wurde einfach zu viel getrunken.“

Meinen Sie damit, dass unter den Gästen zu viel getrunken wurde oder innerhalb der Crew?
„Innerhalb der Crew. Es gab viel zu viel Alkohol in verantwortungsvollen Positionen. Besonders auf den deutschen Schiffen wird getrunken und der Umgang mit Alkohol total verharmlost. Bei amerikanischen Reedereien werden Alkoholtests und Stichproben durchgeführt, sobald ein Verdacht besteht.“

Welchen beruflichen Kurs haben Sie eingeschlagen, nachdem Sie die damalige Reederei wegen des starken Alkoholkonsums verlassen haben?
„Nach einer erneuten kurzen Auszeit an Land war ich viermal für jeweils sechs Monate an Bord eines Schiffes, das bis zu 5700 Passagiere – davon 1700 Crew-Mitglieder – transportieren kann. Wegen des Geldes und weil ich einmal Küchenchef auf einem der größten Kreuzfahrtschiffe sein wollte. Aber das verselbstständigt sich: Da kommt man nach Hause und ist Gast. Aber mit Eheberatung haben wir es geschafft.“

Wie konnten Sie die Probleme in der Ehe lösen?
„Da ich meine Frau in den 1990er-Jahren als Krankenschwester an Bord kennengelernt habe, konnte sie nachvollziehen, was das Schiffsleben bedeutet. Das durchgängige Arbeiten ohne einen einzigen freien Tag kann keiner verstehen, der nicht selber auf einem Schiff gearbeitet hat. Das ist unvorstellbar. Daher wollte ich es nach dem Giganten wieder einfacher haben und habe erneut als Küchenchef auf einem Flussschiff angefangen. Wegen Corona war ich fast 400 Tage zu Hause. Da habe ich gelernt, dass man das auch genießen kann und dass es Zeit ist, sesshaft zu werden. Mittlerweile arbeite ich als Küchenchef in einem Hotel nahe Hannover und nur zehn Kilometer von zu Hause entfernt.“

Was hat Sie an der Arbeit als Koch und Küchenchef auf einem Schiff fasziniert?
„Ich arbeite sehr, sehr gerne. Und ich finde, die Arbeit an Bord ist professioneller als an Land. Seien es Hygiene, Abläufe, Rezepturen oder Hierarchien: Es ist einfach strikter, und dadurch kann man auch besser arbeiten.“

Zeitdruck, Enge, Fließbandarbeit und Essen für Tausende Passagiere – da gibt es bestimmt nicht nur in der Pfanne brenzlige Situationen. Welche Herausforderungen gab es und wie sind Sie damit umgegangen?
„Ich mag Herausforderungen, aber ja, etwa das Beschwerdemanagement ist wichtig. Als Küchenchef bin ich zu den Passagieren gegangen und habe immer versucht, das zu regeln. Beim Arbeiten bin ich ein ‚A&K-Typ‘ – Aufsicht und Kontrolle. Das ist ein 24-Stunden-Job, aber anders geht es nicht. Auf dem letzten großen Kreuzfahrtschiff gab es 27 Restaurants und bis zu 6000 Passagiere inklusive der Crew. Das hieß für mich: überall Probeessen, Rezepte kontrollieren und über 30.000 Schritte am Tag. 

Bestand die Crew auf ‚meinem‘ letzten Kreuzfahrtschiff aus 126 Nationen – davon 74 in der Küche –, waren auf den deutschen Kreuzfahrtschiffen, auf denen ich gearbeitet habe, philippinische Mitarbeiter in der Mehrzahl. Und klar, andere Nationen bedingen auch andere Traditionen – das muss man erst einmal lernen. Ich war als Chef dafür verantwortlich, dass die Rezepte und der Geschmack stimmen. Einige kannten viele Gerichte anfangs gar nicht und es lag neben vielen anderen Aufgaben in meiner Verantwortung, sie zu trainieren und anzulernen. Die Gäste sollten ja nicht einfach nur satt werden.“


Apropos „satt“: Hatten Sie Ihren Job auch mal satt?
„Ja, das ist mir zwei- bis dreimal passiert, dass ich keinen Bock mehr hatte, etwas für andere Leute zuzubereiten. Man lässt halt weiter den Profi raushängen, aber Spaß hatte ich zu dieser Zeit nicht mehr. Zum Glück haben Küchenchefs Einzelkabinen und bei einer Reederei, die Doppelkabinen einführen wollte, konnte ich das vermeiden. Somit hatte ich wenigstens etwas Raum zum Abschalten.“

Sie waren trotzdem fast 26 Jahre an Bord. Es scheint Ihnen also überwiegend gefallen zu haben?
„Ich möchte die Zeit auf keinen Fall missen. Ich habe meine Frau auf einem Schiff kennengelernt, als Chefkoch respektive Küchenchef viel verdient und die Welt gesehen. Zum Schluss bin ich an Landtagen gar nicht mehr vom Schiff, weil ich die Häfen in- und auswendig kannte. Allerdings war dann auch der Druck schon immens groß – den musste ich natürlich auch weitergeben. Auf Schiffen gehört Druck zur Kultur. Das habe ich dann nicht mehr gebraucht. Und ich habe mir auch die Frage gestellt, ob es überhaupt so große Kreuzfahrtschiffe braucht.“

Was müsste sich denn ändern?
„Wenn man überlegt, dass eine Atlantiküberfahrt von so einem großen Schiff der Emission von fünf Millionen Autos entspricht, dann müsste sich einiges ändern. Viele Schiffe sind ja ein Spaß-Resort, ein Vergnügungspark, das sollte man an Land besser bündeln. Es gibt Schiffe mit Kart- oder Achterbahn. Braucht es das wirklich auf hoher See? Oder dass bis zu 5000 Mann gleichzeitig irgendwo von Bord gehen? Ich sehe das kritisch.

Vor allem bei den Riesen-Dampfern diverser Reedereien missfallen mir die Verarbeitung von Billigfleisch oder die Mengen an Rindfleisch. Wegen des üblichen Buffet-Angebots und notwendiger Hygienevorschriften wird auch viel weggeworfen.

Zu Schluss freue ich mich, wenn Sie folgenden Satz aus dem Bauch heraus vervollständigen: Kreuzfahrten sind …
„… richtig harte Arbeit! Und es war mein Leben.“

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